Montag, 30. Dezember 2019

Wie wichtig ist das Tanzen? – How important is dancing? 2


Wie wichtig ist das Tanzen? – How important is dancing? 2

Tanzverbote – dancing prohibitions. (1)



Was kann man nun an Hinweisen anführen, dass der Tanz für die Menschen im 18. Jahrhundert und insbesondere in Deutschland oder gar im Schwäbischen Kreis von einer hohen Bedeutung war? Noch bevor die pietistische Bewegung in Schwäbisch Hall und anderen lutheranischen Reichsständen an Einfluss gewann, gab es in der Führungsschicht die Frage ob Tänze nicht etwa den religiösen Ansichten widersprachen. Auf bestimmte Tage etwa beschränkt wurden Tanzverbote ausgesprochen und wiederholt erneuert. In Schwäbisch Hall 1665 ein Tanzverbot[1] und ein Jahr später eine Regelung der Tänze auf dem Land[2]. Wobei diese Tänze auf dem Land schon sehr lange als Problem wahrgenommen wurden, vielleicht ein Hinweis darauf, dass die Regulierungsmaßnahmen durch den Magistrat letztlich einfach keinerlei Wirkung zeigten[3][4]. Immer wieder wurde insbesondere das Hausgesinde ins Visier genommen und wie sich dieses verhielt[5]. Hochzeiten waren ein besonders wesentlicher Punkt des Anstoßes, vielleicht gerade weil eine Hochzeit ohne Tanz niemals denkbar war[6]. Typisch für eigentlich alle Reichsstände, holte man sich auf in Schwäbisch Hall Informationen ein wie es anders ablief, etwa in Hohenlohe-Langenburg[7].
Die Polizeiordnung von 1703 verbot generell das Tanzen in „Privat- oder andern Häusern“ nach 10 Uhr[8]. Zahlreiche Erwähnungen von Übertretungen solcher Sperrstunden in den Amtsrechnungen belegen, dass diese Vorschrift noch durchs ganze 18. Jahrhundert gültig blieb und weiterhin missachtet wurde.

Which hints we can list, underlining that dancing was of a high importance during the 18th century in Germany and especially in the Swabian circle? Even before the pietism movement in Schwäbisch Hall and other Lutheran Imperial Estates won the influence, there was the question if dancing contradicted religious views. Some bans were declared against dancing, but these were reduced to some days only and repeated fore several times. In Schwäbisch Hall for example was a dancing prohibition introduced in 1665 and a rule was released for the subjects in the countryside one year later. However the dancing in the countryside was noticed as a problem long before, which maybe is one of those many hints, that the regulations by the magistrate had little impact on the situation. The rulers especially observed the servants and how they behaved. Weddings were a crucial event, perhaps especially because they were unthinkable without dancing. It’s typical for Imperial estates to obtain information from other estates, as Schwäbisch Hall got it from Hohenlohe-Langenburg.  
The police-regulation in 1703 prohibited dancing in general “in private and other houses” after 10 pm. Many references of violations of these closing times in the administrative accounts verify that this regulation was valid through the whole 18th century.

Schließlich drangen in Schwäbisch Hall nach dem Großen Stadtbrand von 1728 die Pietisten mit ihrer Forderung im Rat durch das Tanzen an Werk- und Sonntagen zu verbieten[9]. Hintergrund war, dass sich offensichtlich der Pietist Nikolaus David Müller im Rat durchsetzen konnte, der sich seinerseits etwa auf Franckes „Schriftmäßige Lebensregeln“ stützte, die beschrieben, dass auf „kurtzweilige Actiones“ wie u.a. das Tanzen größere Sünden folgen würden[10]. Der Rat versuchte zwar die sicherlich berechtigten Forderungen nach einem finanziellen Ausgleich der durch dieses Verbot betroffenen Stadtmusikanten durch eine Zulage zu berücksichtigen, doch dennoch baten die Musikanten 1730, „daß man Ihnen wieder gnädig erlauben [wolle] … zum Tanz geigen zu dörfen, in deme ihre Nahrung anderergestalten gar sehr nothleiden dörfte“. Die Bitte wurde zwar abschlägig beurteilt, aber auch nicht in der von Müller geforderten Härte gegen die Übertretung des Verbots vorgegangen. Müller dachte sogar über ein Verbot des Abendmahls für diejenigen, welche dennoch tanzten nach und befragte Zinzendorf zu seiner Meinung darüber[11].

Finally the Pietists were successful in the council in prohibiting dancing on working days and Sundays after the great fire in 1728. Reason was that Nikolaus David Müller managed to prevail, who could support himself on Francke’s written rules of life, which described that great sins would be the result of such diverting actions like dancing.
The council tried to satisfy the justified demands of the musicians in paying some compensation, however the local musicians requested in 1730: “would they be so merciful to allow them to play the violins again for dancing, as they fear to get not enough for their food”.
The magistrate refused the demand. But the council didn’t act with such hardness against the violation of the ban as Müller wished it. Müller even thought about to refuse the communion for those who danced nevertheless and asked Zinzendorf for his opinion. 
 
Tanz im Steigengasthaus, rechts die Musikantenempore - dancing in the tavern, the gallery for the musicians at the right (Foto: Stefan Winter)
Im Laufe des 18. Jahrhunderts nach dem Tod Müllers 1741 finden sich dann keine Hinweise auf das Verbot mehr, sondern wieder die üblichen Übertretungen der Vorgaben bezüglich der Beschränkung auf bestimmte Tage beziehungsweise das zu lange Tanzen und Feiern insbesondere an Hochzeiten. 1775 etwa wurde einer der Schultheißen von Bubenorbis dafür belangt, da er in seiner Anwesenheit die Hochzeitsgesellschaft hatte bis 2 Uhr in der Früh weitertanzen lassen. 10 Uhr Abends, als sein Amtskollege ging, wurde zu dem Zeitpunkt offenbar als angemessenes Ende eines Tanzes angesehen[12].
Dies ist von daher bemerkenswert, das die Vorschrift von 1703 das Tanzen ohnehin nur für die Zeit „gleich nach dem Kirchgang / ehe man zu Tisch sitzt / und nach dem ersten biß zum andern Gang erlaubt“[13].

During the oncoming 18th century after Müller’s death in 1741 I found no evidence of the ban again, but I found the typical violations of the regulations concerning the days or the length of dancing especially at weddings. In 1775 for example a Schultheiss of Bubenorbis was punished, because he allowed a wedding assembly to dance until 2 a.m.. 10 o’clock, wenn his colleague left the assembly was most probably viewed as the adequate time to finish the dancing.
This is remarkable as the regulation of 1703 the dancing “allowed immediately after the church before the assembly went to the table and after the first course and before the next”.

Text: André Hanselmann
Foto: Stefan Winter





[1] Sammlung von Statuten und Ratsdekreten (I), fol. 81, Stadtarchiv Schwäbisch Hall, Sig. 4/0499


[2] Ebenda 1666, fol. 99


[3] Notizen des Pfarrers Häusser von Bibersfeld, 1525, Stadtarchiv Schwäbisch Hall Sig. S01/740


[4] Verbot von Tänzen auf dem Land 1634, in Sammlung von Statuten und Ratsdekreten (II), Stadtarchiv Schwäbisch Hall, Sig. 4/0494


[5] 1670, fol. 132-133  Sammlung von Statuten und Ratsdekreten (I), fol. 81, Stadtarchiv Schwäbisch Hall, Sig. 4/0499


[6] Ebenda 1674, fol. 193


[7] Kirchenzucht in Stadt und Amt Ingelfingen, hier Trinkgelage und Tanzen an Sonn- und Feiertagen, 1703, Stadtarchiv Schwäbisch Hall, Sig. HV AS/188


[8] „Von Schwermereyen / mit Unfug auf den Gassen / und an anderen Orten“ in „Erneuerte Polizeyordnung … Schwäbisch Hall“ bei Georg Michael Meyer, Schwäbisch Hall, 1703, S. 59


[9] Heike Kraus-Schmidt: „Nikolaus David Müller – Vom Leben eines Pietisten in Schwäbisch Hall in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts“ Thorbecke, Schwäbisch Hall, 1997, S. 67


[10] Ebenda S. 66


[11] Ebenda S. 67


[12] Schlägereien und Unordnung zu Bubenorbis, 1761-1776, Stadtarchiv Schwäbisch Hall Sig. 5/0099


[13] Hochzeit-Ordnung in „Erneuerte Polizeyordnung … Schwäbisch Hall“ 1703, S. 32


Mittwoch, 25. Dezember 2019

Wie wichtig ist das Tanzen? – How important is dancing? 1


Wir als Reenactors oder wie wir uns auch sonst nennen, haben alle unterschiedliche Zugänge zum Hobby. Die einen kamen zum Hobby, weil sie von der Kleidung fasziniert waren, andere weil sie meinetwegen von bestimmten historischen Persönlichkeiten beeindruckt waren. Gefühlt habe ich auch die ersten Jahre in der Zivildarstellung mehr genäht als gelesen ohne jetzt sagen zu können, dass die Mode des 18.Jh. eine so übermächtige Motivation darstellte. Wieder andere sind vor allem von den Tänzen begeistert und kommen über beispielsweise Tanzgruppen ins Hobby, da sie jemanden in ihrer Tanzgruppe hatten, der oder die bereits das Hobby betrieb. Es ist oftmals an der Stelle ein kleiner Schritt. Man stellt fest, dass die zeitgenössische Kleidung zum historischen Tanz einfach besser passt und man sich damit wohler fühlt.



Ball auf einer privaten Veranstaltung "Chez l'ambassadeur 1783" in Schloss Mairy-sur-Marne, 2018 - ball on an private Event "Chez l'ambassadeur 1783" in Château Mairy-sur-Marne in 2018 (Foto: Christina Bernath zu Bernathfalva)

We as reenactors (or how we call us else), have different motivations to start with the hobby. Some joined the hobby, because they were fascinated by the clothing of the period, or they were intrigued by a special historical person. Looking back, I have the impression that even I had sewn more during the first years in the civilian-re-enactment than I had done reading. However I can’t say that the 18th century fashion was the most powerful motivation for me. Others where excited by the dancing and come from different dancing groups into the hobby, as they had somebody in their group, who was a reenactor already. It’s often a small step. You notice that the contemporary clothing just fit better to the historical dance and you feel better wearing these garments while dancing.


Dienstag, 3. Dezember 2019

Die Schlacht von Sablat 1619 - The battle of Sablat 1619

Diesmal will ich euch einmal einen anderen Zugang von mir zur Geschichte vorstellen. Wie schon vor einer Weile angemerkt betätige ich mich gelegentlich mit Tabletop. 
Für gewöhnlich geht dem Schreiben eines Szenarios für Spiele, die ich mit dem Regelwerk Honours of War durchführe, eine aufwändige Recherche voraus, die ich vielleicht an anderer Stelle näher beleuchten werden.

Today I want to present to you another access of mine to history. I mentioned before, that I occassionaly play tabletop.
Usually I'm used to put a lot of research in a scenario for a game using the Honours of War rules. I maybe will explain that aspect another time.

Diesmal hatte ich mir vorgenommen für die Schlacht von Sablat vorrangig die zeitgenössische Darstellung aus den Hogenbergschen Geschichtsblättern von um 1630 als Vorlage zu verwenden. 
Hier sei kurz angemerkt, dass Sablat eine Schlacht des Dreißigjährigen Krieges war, die mich mit als erste faszinierte, nämlich als vor nunmehr 21 Jahren im Fernsehen die Serie von Peter Milger "Gegen Land und Leute" lief. 

For this time I decided to use for the battle of Sablat particulary the contemporary illustration from the "Hogenberschen Geschichtsblättern from arount 1630. Here I want to point out, that Sablat was the battle of the Thirty Years war, which I was fascinated at most, namely when I saw 21 years ago the documantry series by Peter Milger: "Gegen Land und Leute" (Against land and people).

Mein Vorbild / My inspiration:
https://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_bei_Sablat#/media/Datei:Schlacht_von_Zablat_Hogenbersche_Geschichtsbl%C3%A4tter.JPG

Beide Armeen aufmarschiert, links im Vordergrund Sablat, hinten rechts Rotelitz. Links das kaiserliche Heer des Grafen Buquoy mit Wallensteins Kürissern am linken Flügel und der rechtlichen Reiterei am Rechten. Rechts die Mansfelder mit dem Mansfeld selbst bei seiner Reiterei am linken Flügel, daran schließend sein Fußvolk.


Ich hatte mich für das Regelwerk Pikeman’s Lament von Michael Leck und Daniel Mersey entschieden, da ich damit schon recht vertraut bin. Ich habe damit bereits zwei Kampagnen bestritten. Für kleinere Schlachten scheint es mir bei kleineren Anpassungen noch brauchbar. Für sowas großes wie Höchst oder Wittstock würde ich andere Regeln verwenden. Später werde ich eine Ordre de Bataille für das Spiel wiedergeben. Die Wallensteinischen Kürassiere habe ich etwas reduziert widergegeben, damit die Mansfelder zumindest eine gewisse Chance haben. Mein Szenario setzt in dem Moment an, als Ernst von Mansfeld beschloss seine Truppen zurück zu ziehen. 3 Einheiten an Rotelitz vorbei in Sicherheit zu bringen ist daher neben dem Besiegen der Gegner das Szenarioziel der Mansfeldischen Seite, während die Kaiserlichen sie nur daran hindern brauchen. Mit drei geretteten Einheiten würde der Spieler des Mansfelders auch mehr erreichen als der historische Ernst von Mansfeld am 10. Juni 1619.



I had chosen Pikeman’s Lament by Michael Leck and Daniel Mersey, because I’m familiar with these rules. I had played two campaigns with them before. It seems that this set of rules is useful for small battles like that, if you try small amendments. I would use different rules for bigger battles like Höchst or Wittstock. Later I will describe my OOB. I reduced the size of Wallenstein’s cuirassiers to deliver some chance to Mansfeld’s side. My scenario starts in the moment, when Ernst of Mansfeld decided to retreat his troops. To pull back 3 units around Rotelitz in safety is the task for Mansfeld, except to defeat the enemy. The Imperials just have to prevent it. With 3 units in safety the player of Mansfeld would achieve more that the historical one on June 10th 1619.



Bemerkenswert an der Darstellung in den Geschichtsblättern ist, dass sie erheblich von der Beschreibung im Theatrum abweicht. Es wird keine Wagenburg oder dergleichen auf Mansfelder Seite gezeigt. Auch die Explosion bei den Mansfeldern taucht nicht auf, obwohl solche regelrecht obligatorisch auf zeitgenössischen Abbildungen wie bspw. der Schlacht bei Wimpfen (Matthäuse Merian 1635) und der Schlacht bei Lützen (Stich von Matthäus Merian, 1632) auftauchen. Vielmehr bilden die Geschichtsblätter eine Feldschlacht nach recht üblichem Muster mit zwei in Schlachtformation aufgestellten Armeen ab. Der Kampf um den Flecken Rotelitz wird ebenfalls weggelassen. Die Truppen Buqoys werden auch nicht als Ungarn etwa in ihrer ungarischen Kleidung dargestellt.



It’s remarkable, that the picture from the Geschichtsblätter differs much from the Theatrum. There’s no corral or something similar illustrated. The explosion is’nt depicted too, although that was downright obligatory on contemporary illustrations as for the battle of Wimpfen (engraving by Matthäus Merian 1635) or the battle of Lützen (engraving by Merian 1632).The “Geschichtsblätter” rather depicted the battle as a common encounter with two armies formed in battle lines. The fighting around the market town of Rotelitz was omitted too. Bucoy's troops were for example not shown in their typical hungarian garements.

30 Mansfelder Musketiere lagen im Flecken Rotelitz - 30 of Mansfeld's musketeers were put in the market town Rotelitz.

Ein Teil der Einwohner war bewaffnet, was ihnen in dem historischen Gefecht zum Verhängnis wurde, so das Theatrum - some of the inhabitants were armed, which caused their doom during the historical encounter, as the Theatrum told.

Wer mag, kann ab hier einen Spielbericht unserer Partie lesen.



You can read a report of the game here if you wish.


Montag, 18. November 2019

"Zwingli - Der Reformator" / "Zwingli" (2019)








Schweiz/Swiss, 2019, Regie/Director: Stefan Haupt


(Text in English below)

 

Wie schon angekündigt wird es hier immer mal wieder, wenn es sich anbietet Filmrezensionen geben, falls der Film zu einer unserer Veranstaltungen passt und auch irgendwie etwas über die Geschichte vermitteln soll. „Die Nonne“ (Regie: Guillaume Nicloux, 2013) würde da beispielsweise hinein passen, „Porträt einer jungen Frau in Flammen“ (Regie: Céline Sciamma, 2019) m.E. nicht.

Besonders stark hat mich in letzter Zeit die Auseinandersetzung von Brandon F. auf seinem Youtube-Kanal über den Film „Culloden“ (1964) von Peter Watkins geprägt. Hier unterstrich Brandon F. gekonnt wie ein Film, der in zahlreichen Ausstattungsdetails vielleicht daneben liegt, doch in seinem Ausdruck authentische Eindrücke vermitteln kann.

Warum aber nun „Zwingli – Der Reformator“? Zwingli war eine der entscheidenden Figuren der Reformation im deutschsprachigen Raum. Ebenso wie der Haller Pfarrer Brenz stand auch Zwingli im Kontakt mit Luther und prägte das sogenannte konfessionelle Zeitalter – die Zeit der Reformation bis weit ins 17. Jahrhundert. Die reformierte Bewegung hat in Deutschland erhebliche Spuren hinterlassen und mit dem Übergang der pfälzischen und brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III., der Fromme (1515-1576), und Johann Sigismund (1572-1620) teilweise selbst zu einer Entfremdung der Herrscherhäuser gegenüber den von den Landesherren zum lutherischen Bekenntnis geführten Untertanen geführt. In Schwäbisch Hall gab es ähnlich wie in Sachsen unter Christian I. und Christian II. den Versuch das reformierte Bekenntnis durchzusetzen, welches in den Schnecken’schen Unruhen Anfang des 17. Jahrhunderts gipfelte[1].

Ein kleiner persönlicher Grund mag sein, dass ich selbst in einer Produktion des Regisseurs Peter Prestel schon als ein Reformator, nämlich als Johannes Brenz aufgetreten bin.

Wie würde die Schweizer Produktion also schaffen das Leben des bedeutenden Theologen Huldrych Zwingli (1484-1531) widerzugeben?




Die Handlung erstreckt sich von Zwinglis (Max Simonieschek) Eintreffen in Zürich 1519 bis kurz nach seinem Tod in der Schlacht bei Kappel am Albis 1531. Von Anfang an schlägt Zwingli die Skepsis vieler Zürcher entgegen, da er die Bibel auf Deutsch vortragen und erläutern will. Sofort begegnet er der Witwe Anna Reinhart (Sarah Sophia Meyer). Diese empfindet erst ein Zutrauen zu Zwingli als dieser die Stadt anders als die anderen Geistlichen nicht wegen einer Pestepidemie verlässt, sondern weiterhin den Menschen Trost spendet. Das Wurstessen bei Froschauer (Philipp Stengele) wird zu einem Schlüsselereignis, als sich der Rat unter Führung des Bürgermeisters Röist (Stefan Kurt) dagegen verwahrt gegen Zwingli, der nur anwesend war aber nicht mitaß, vorzugehen. Die Disputation mit Zwingli und seinen Anhängern auf der einen und Johann Faber (Oscar Bingisser) und den katholischen Chorherren um Hofmann (Andrea Zogg) auf der anderen Seite verläuft zu Gunsten Zwinglis und der Rat erklärt sich für den Reformator. Im Mittelpunkt des Films aber steht Zwinglis Verhältnis zu Anna Reinhart, die eine Beziehung mit Zwingli beginnt und unter Druck gerät, als sie von ihm schwanger wird, während Zwingli noch versucht vom Konstanzer Bischof die Erlaubnis zur Ehe zu erlangen. Doch dieser Bischof (Ueli Jäggi) wird bald zum erklärten Gegner Zwinglis, der es unterdessen mit den radikaleren Wiedertäufern um Felix Manz (Michael Finger) zu tun bekommt, der schließlich ertränkt wird. Als der Bischof Verbündete für einen Krieg gegen Zürich um sich schart, versucht auch Zwingli durch einen Ausgleich mit Luther Städte in Deutschland und in Verhandlungen Basel, Bern und andere eidgenössische Städte für sich zu gewinnen. Doch letztlich müssen die Zürcher allein in die Schlacht ziehen aus der ihr Reformator und  Annas ältester Sohn nicht zurückkehren sollen.


Funktioniert „Zwingli – Der Reformator“ als Film? Ja, ich denke schon. Der Film ist auch ohne internationale Stars durchaus auf Augenhöhe mit „Luther“ (2003), der mit Joseph Fiennes, Alfred Molina und Peter Ustinov auf ein Spitzenensemble bauen konnte.

Das Problem ist bei jeder Verfilmung einer solchen Biographie, dass die Handlung nicht in endlosen theologischen Debatten erstirbt. Die Disputation Zwinglis mit Manz wurde daher wohl komplett weggelassen bzw. auf eine persönliche Aussprache reduziert.

Ein großes Problem ist wohl, dass der Aufwand eines Historienfilms für die Schweizer Produktion etwas zu viel war. So bekommt man praktisch keinerlei Schauwerte zu sehen. Alles womit der Film optisch zu punkten versucht ist eine PC-Animation Zürichs von einer Seite. Sonst spielt der Film entweder in engen Gassen, der Kirche oder Innenräumen. Gerade als am Ende vom Kriegszug die Rede ist, bekommt man keinen Eindruck von dem Ereignis. Man sieht eine Marschsäule und das war es.
Die Ausstattung ist leider doch sehr mau. Die Kostüme der meisten Figuren bestehen aus einem eigenwilligen Mix aus Tuch und Leder. Aaaah! Verschiedene Experten im Netz haben schon darauf hingewiesen wie es doch stört, wenn Kleidung oder Rüstungen einfach keinen Sinn ergeben. So auch hier mit Kleidungsstücken der Leute auf der Straße, die mit Hanfschnüren irgendwie zusammengehalten wird. Warum aber tragen fast alle Charaktere eine Farbpalette von Grau oder Braun? Hat noch niemand die Farbigkeit der spätmittelalterlichen Kleidung registriert? Und wenn man von Söldnern spricht, warum sieht man denn keine? Keiner der Soldaten im Film sieht irgendwie aus wie ein Schweizer Reisläufer[2]. Warum hat Zwinglis Gattin nur ein „Kleid“? Warum laufen viele im Winter hemdsärmelig rum? Hätte man auf die Reenactmentszene in der Schweiz zurückgegriffen wie einige Dokuformate mittlerweile in Deutschland, wäre der Film optisch sicherlich ansprechender geworden. Ganz zu schweigen von dem Vorteil, dass die Kleidung einfach authentischer gewirkt hätte.


Was mich aber wohl am meisten störte war, dass laufende „Hallo!“. Natürlich muss man nicht gestelzt versuchen die Sprache von damals zu verwenden, wenn das dann kein Zuschauer versteht. Aber wenn die Charaktere immer „Hallo!“ rufen, ist das doch irgendwie arg anachronistisch.


 Ein Pluspunkt liegt meines Erachtens bei den Schauspielern. Max Simonieschek macht seine Sache ganz gut und auch Sarah Sophia Meyer schafft es behutsam in ihrer Rolle zu überzeugen. Einzig die Gegenspieler fand ich etwas arg blass, was aber auch an den farblosen Szenen lag, die sie bekamen. Das hat man einfach schon hundertmal gesehen, dass die fiesen Schurken fressend oder saufend nebenbei die Entscheidungen treffen. Man merkt einfach nicht, dass dem Bischof und seinem Gefolgsmann Faber die Gefahr bewusst wird, die da auf sie zukommt.
Insgesamt ist „Zwingli – Der Reformator“ eine solide Arbeit ohne tiefere Einblicke zu gewähren. Ganz selten kommen Momente des Zweifelns auf, aber es gibt eigentlich kaum innere Konflikte oder Entwicklungen der Figuren, was dem Film doch die Spannung nimmt. Die Beziehung Zwinglis zu Anna ist einfach nicht tragfähig für einen Spannungsbogen. In Deutschland wäre der Film wohl als TV-Produktion durchgegangen. In der Schweiz zählt er zu den 20 erfolgreichsten Filmen der letzten 40 Jahre[3]. Man kann es sich anschauen. Vor allem, wenn man keine Ahnung von der Schweizer Reformation hat, bekommt man vielleicht einen Impuls sich näher mit der Person Zwinglis und seiner Mitstreiter zu beschäftigen.

 
Plakat am Friedrichsbau Kino in Freiburg.




As I had mentioned before, we will post here occasionally some reviews of actual films, if they have some connection with our events and if they reflect some interesting history. “La Religieuse” (d: Guillaume Nicloux, 2013) for example would fit into the frame and “Portrait de la jeune fille en feu” (d: Céline Sciamma, 2019) imho would not.

The reflections of Brandon F. on his youtube-channel about Peter Watkin’s “Culodden” (1964) impressed me very much. Brandon F. managed perfectly to underline the authentic impact of the film, even when the equipment in many parts was not authentic.

But why “Zwingli”? Zwingli was one of the leading figures of the reformation in the German speaking area. He had communication with Luther like Johannes Brenz , the pastor of Hall did, and shaped the age of confessionalization – the time just into the 17th century. The Swiss reformation movement had left vastly traces in Germany. The conversion of the Palatine and Brandenburg electors Frederick III, the Pious (1515-1576), and Johann Sigismund (1572-1620) effected some sort of alienation of the rulers to their Lutheran subjects which where before led by them into the reformation. Comparable like in Saxony under the electors Christian I. and Christian II., there was an attempt to introduce the Calvinist confession in Schwäbisch Hall, which concluded in the Schnecken-riots during the beginning of the 17th century.

A small personal reason is that I acted as the reformer Johannes Brenz in a production by the director Peter Prestel.

How would the Swiss production manage to reflect the life of the important theologian Huldrych Zwingli (1484-1531)?
 

Dienstag, 12. November 2019

Ausblicke / Prospects


Dieses Jahr haben wir soviele Beiträge hier im Blog online gesetzt wie noch nie. Mit der Reihe zur Belagerung Freiburgs sind wir sogar einmal etwas andere Wege beschritten – eine längere Serie, die systematischer aufgebaut war. 

This year we had put so many posts on that blog like never before. We adopted particular tracks with our series about the siege of Freiburg (although in the timeframe of our “Anno Domini 1743”-event in 2018) – a longer series which was constructed systematically.


Der Zuspruch auf verschiedenen Ebenen, mein Dank geht hier an alle, die sich bei mir gemeldet haben (zum Beispiel nach Griechenland), hat dazu beigetragen, dass es ähnliches wie zur Schlacht bei Simbach und zur Belagerung von Freiburg[1] wieder geben wird.

I want to thank for all encouragement from different sides (for example from Greece). That encouragement convinced me that I will continue to write about topics like the battle of Simbach or the siege of Freiburg.

Vielleicht machen wir sogar ein paar Rezensionen zu Film und Fernsehen bzw. Büchern, wenn es für das Anliegen des Blogs - Einblicke zum historischen Hintergrund unserer Veranstaltungen zu gewinnen – Sinn ergibt.

Perhaps we will write even some reviews about films or TV respectively books, if it makes sense for the issue of our blog – to give insights in the historical background of our events.


Ich würde gern mehr dazu schreiben was mein Motivator ist, was mich dazu inspiriert immer mehr zu recherchieren. Was nutzt mir beispielsweise das Hobby Wargaming? Wie stößt man dabei auf spannende Quellen?



Unser Tisch mit dem Szenario der Gefechte bei Auenheim und Suffelnheim am Abend des 23. August 1744 - Our table for the encounters at Suffelnheim and Auenheim on the evening of August 23rd 1744 (Foto 2019).

I would like to write more about my motivation to research. Is the wargaming hobby usefull perhaps? How it is possible to come across exciting sources?


Ein anderes interessantes Themenfeld ist – was machen wir außerhalb unserer beiden Veranstaltungen noch im Bereich des Living History? Unser Beitrag zur Schwarzwaldwanderung war da ein kleiner Einblick. Ganz selten haben wir aber auch Zeit tatsächlich Veranstaltungen anderer Organisatoren zu besuchen. Besonders herauszuheben sind hier die der Gruppe Les Soirées Amusantes (www.lessoireesamusantes.com), die wie wir viel in Museen machen, aber auch private Treffen veranstalten wie wir das früher vor allem im Barockschloss Zeilitzheim getan haben.

Wir sind zusammen mit einer Freundin auf einem Event von Les Soirées Amüsantes in Basel im Haus zum Kirschgarten - we are together with a friend at an event of Les Soirées Amüsantes at Basel in the "Haus zum Kirschgarten" Museum. (Foto 2019)
Another interesting topic is – what we are doing except our two events in the Living History hobby? Our post about our trip in the Black Forrest delivers a small impression. Very rarely we have time to join events of other organizers. I want to mention especially the group “Les Soirées Amusantes” (www.lessoireesamusantes.com) which is organizing mostly in museums just like we do, but have private events too as we did previously in the Baroque castle Zeilitzheim.


Es ist natürlich für den Leser und auch nicht zuletzt unsere Teilnehmer der künftigen Landleben- oder Anno Domini-Veranstaltungen interessant, was wir derzeit so machen. Ich selber bin wohl für die nächsten 2 Monate mit dem Sichten der hunderten Seiten beschäftigt, die wir im Stadtarchiv aufgenommen haben. Die Jahre 1620 beziehungsweise 1749 stehen dabei im Mittelpunkt.
Es wird ganz spannend wie sich die Zuspitzung des 30-jährigen Krieges auf die Reichsstadt auswirkt.
Zum anderen werden wir nächstes Jahr wieder auf das Jahr 1749 und die Auswirkungen des Konfliktes von Schwäbisch Hall mit dem Ritterstift Comburg treffen. Dazu gibt es unzählige neue Quellen, die wir gefunden haben.


Donnerstag, 31. Oktober 2019

The siege of Freiburg in 1744 (part 5)


Today I ask myself for what the French fought and captured the town? Perhaps the death of Charles VII changed all the French plans. Theoretically the town was sawn as a part of Charles heritage and he had the chance to get a fine fortress. But very fast the French decided to not stay in Freiburg but to destroy the fortress at the hill and the town’s fortifications mostly planed by the French engineer-genius Vauban. Even today visitors can see the remnants of the craters of the French demolitions at the fortress.

Large contemporary bomb in the Museum of the town "Museum für Stadtgeschichte" in the Wentzingerhaus, Freiburg.
Photo from 2018.
The remnants of the Pulverturm (powdertower) near the Schwabentorbrücke. Note the depth of the trench even today.
Photo from 2018.


Modern archaeologists from the Regierungspräsidium Freiburg discover more and more about the condition of the fortress and the results of the latest detections are impressing. The trenches of the city walls had a depth of 12 meters and enormous walls. The archaeologists are finding more and more always when new buildings were raised in the old town for example for the students of the university. Some of the hand-grenades used during the sieges can be seen at the museum of the town in the Wentzingerhaus. Dr. Bertram Jenisch (archaeologist from Freiburg, RP Freiburg) assured the audience at an important colloquium[1] about the warfare in Southwestern Germany that more finds would be presented to the public soon.




A view on the trenches of the "Franzosenschanze" (French redoubt) built in 1744.
Photo from 2018.
Even today it’s not too difficult to find relicts from the great siege in 1744. I visited the “Franzosenschanze” near the Kybfelsen-area for several times. This redoubt was built during the siege by the French and is laid out opposite of the fortress on around the same level like the fort. Many contemporary maps show dozens of such redoubts built by the besiegers.
The entrance of the Franzosenschanze.
Photo from 2018.

Inside the redoubt. Note the Level of the wall of the redoubt at the right. Maybe that was the Level during the siege. I'm not sure about the function of the small redoubt, which was typical for the period and can be found on the contemporary maps of the siege, which Show many of such redoubts on that side of the Dreisam-valley.
Photo from 2018.
One of the main objectives was to blockade the Dreisam-valley to stop Austrian reinforcements (the Austrian high command never ordered any reinforcements to save Damnitz).



That is the end of my series about the siege of Freiburg. Please feel free to write a comment. Do you want more posts of that style?
I want to thank my wife and my kids, who were so kind to help me visiting all the places, which would have been very boring without them.



Text: André Hanselmann
Photos: André & Cecilia Hanselmann



[1] Dr. Bertram Jenisch. „Archäologische Spuren von Festungen im rechtsrheinischen Oberrheingebiet“ at the colloquium by the Alemannisches Institut and the Landesamt für Denkmalpflege „Im Krieg ist weder Glück noch Stern“ Friday 15th of june 2018, at Breisach

Freitag, 25. Oktober 2019

The siege of Freiburg in 1744 (part 4)


Some original cannonballs in the collection of the "Museum für Stadtgeschichte" Freiburg
The "communication", a walled way from the Oberschloss and Fort Carré to the Salzbüchsle. Narrow but plenty of space to move the guns from one section of the fortress to the other. The Austrians had frequently to replace their destroyed guns, which were shot by the French siege artillery. In late October 1744 however most of the Austrian guns on the fortress were silenced.
A contemporary drawing of the "communication" above on a modern plaque on the Schlossberg.


Freiburg still was a cracking nut and the heavy fighting with outbreaks on 13th and 14th of October showed the attackers that the defenders was determined to fight.

A drawing of the Salzbüchsle by the comte de la Venerie in 1723/28.
The Salzbüchsle was one of the sections which were extended after the siege during the War of the Spanish Succession.
From a plaque on the Schlossberg in 2018.
A second "communication" which connected the Salzbüchsle with the Unterschloss. In that area the visitor still can find many of the explosion craters from the final French destruction of the fortress in 1745.
The size of the kids elucidade the width of the "communication" which was crucial for the reinforcements at the Unterschloss.

The Austrians celebrated the saint’s day of their female monarch on October 15th but the saluting gunnery was silenced by heavy French artillery fire in minutes. After heavy fighting at the ravelins and the Kaiser-Bastion and in front of the Martinstor the French had shot many breaches in the walls.

Above a contemporary pistol with bullets. beneath some original Hand grenades from 1744 in the collection of the "Museum für Stadtgeschichte" Freiburg.


But the brutal fighting at walls lasted under the eyes of the French king the 2nd halve of October. The Austrians and French fought with great fury with bayonets and grenades. Some citizens wrote about the fighting at the 2nd of November around the Kaiser-Bastion and two ravelins:

“… There was no shot of a musket to hear… It became 3 o’clock in the morning when the French used the raining weather to advance in silence. Easily they captured the first ravelin with storm ladders and overwhelmed the outposts. Captain Wurzer had manned the post with 40 men and withdraws the soldiers in the guardroom. The muskets put in front of the guardroom were taken by the enemy; the captain had to surrender with his men…”  
To take the second ravelin through the muddy trench was a lot more difficult. But the French were motivated after the surprise attack at the first:


“… But here the sentry was more cautious and gave fire immediately. There was only a post of 100 men at the wall, but fortunately they were reinforced at the moment by the replacement. The gallery was a strong obstacle for the enemy too. The deeper the silence was, so louder were now the cries: “Avance, avance, vive le roi!””[1]

Detail of the large Diorama of the town and fortress in the "Museum für Stadtgeschichte" Freiburg.
Note, the high near the river which is the Schwabentor, where Leutnant Fetzer attacked the French.
At the right side the large ravelins attacked by the French in late October and early November 1744.