Donnerstag, 30. November 2023

The army of Savoy-Piedmont - Die Armee von Piemont

Seit einigen Jahren beschäftige ich mich beiläufig mit der Armee von Piemont. Sie ist natürlich unumgänglich, wenn man sich den italienischen Schauplatz des Österreichischen Erbfolgekrieges anschaut. Durch den Geschichtsunterricht bekam ich in Deutschland maximal vermittelt, dass Friedrich II. in diesem Krieg beziehungsweise in den Zwei Schlesischen Kriegen die Provinz Schlesien erwarb. Dass der Krieg massiv auch die Verhältnisse in Italien beeinflusste und die Heere durch Italien hin und her zogen, es zahlreiche Schlachten gab, die auch von der Größe durchaus mit denen in Deutschland und Flandern vergleichbar waren, das war mir unbekannt. Der Geschichtsunterricht beispielsweise in der DDR war stark auf ein auf Preußen konzentriertes Geschichtsbild fixiert [1], wenn man das 18. Jahrhundert betrachtete. Überhaupt führt das bisweilen ja auch zu einer Unterschätzung von beispielsweise dem Polnischen Thronfolgekrieg für die politische Landkarte Europas. Die Kenntnis um diesen Konflikt ist aber essentiell um die Handlungsweise gerade des Königs Carlo Emanuele III von Sardinien-Piemont (1701-1773) zu verstehen, der für mich durchaus neben Friedrich II. von Preußen zu einer der herausragenden Monarchen der Mitte des 18. Jahrhunderts zählen darf. 

 

König Carlo Emanuele III zu Pferde. Man bemerke, dass im Hintergrund eine Schlacht tobt und sein Rock der Uniform seiner Guardia del Corpo ähnelt. - King Carlo Emanuele III at horse. Please note the battle in the background and that his coat is looking similar like the uniform of his Guardia del Corpo. (photo: Wikimedia Commons, contemporary painting)

Ich wollte natürlich auch Carlo Emanuele für meine Armee als Oberkommandeur haben. Er hat bei mir seine typische Perücke, einen roten Rock und einen Brustpanzer, den man auch auf manchen Porträts sieht. - Naturally I wanted to have Carlo Emanuele as commander in chief for my army. He has his typical wig, a red coat and a breastplate, which is visible on some portrays. (photo: André Hanselmann)



For several years I have been involved casually with the Piedmontese Army. It is of course unavoidable when looking at the Italian scene of the War of the Austrian Succession. The history lessons in Germany taught me at most that Frederick II acquired the province of Silesia in this war or in the Two Silesian Wars. I did not know that the war also had a massive impact the history of Italy and that armies moved back and forth through Italy, and that there were numerous battles that were comparable in size to those in Germany and Flanders. History lessons in the GDR, for example, were strongly focused on Prussia [1] if you looked at the 18th century. In general, this sometimes leads to an underestimation of, for example, the War of the Polish Succession for the political map of Europe. However, knowledge of this conflict is essential in order to understand the actions of King Carlo Emanuele III of Sardinia-Piedmont (1701-1773), who for me can certainly be counted among the outstanding monarchs of the mid-18th century alongside Frederick II of Prussia.

Meine kleine piemontesische Armee für HoW. - My small Piedmont army for HoW. (photo: André Hanselmann)



Denn dieser Herrscher weist gewisse Parallelen mit Friedrich II. auf. Überhaupt findet man außer ihm kaum einen militärischen Kommandeur seines Heeres, der eine größere Rolle gespielt hat. Der bedeutende General Aspremont ist ja bereits in der ersten großen Schlacht bei Camposanto 1743 gefallen [2]. Der noch berühmtere General Leutrum (1692-1755) [3] zeichnete sich zwar bei der Verteidigung von Cuneo 1744 als auch in anderen Fällen aus, hat aber nie ein größeres Heer selbstständig geführt. Von daher haben wir in Carlo Emanuele einen wahren Feldherren-König vor uns, der auch ähnlich Friedrich versuchte durch Gebietsgewinne und ein Manöverieren seines Staates zwischen den Großmächten sein Territorium nicht nur zu behaupten sondern auch an den Grenzen zu arrondieren. Sein Vater, Vittorio Amedeo (1666-1732), hatte erheblichen Einfluss auf den Verlauf des Spanischen Erbfolgekrieges. Mit dem Ländertausch war das Haus Piemont 1730 an den Besitz Sardiniens gekommen, welches topographisch dem Gebiet in Savoyen und im Piemont beiderseits der Alpen näher lag. Man erkennt sodann, dass der junge König während des Polnischen Thronfolgekrieges eine Art Gleichgewicht der Mächte erhalten wollte, auch wenn er sich auf die in Italien bald überlegene Seite der Bourbonen schlug. In diesem Krieg sammelte Carlo Emanuele zahlreiche Erfahrungen indem er bei den großen Schlachten von Quistello und Guastalla [4] persönlich anwesend war. Ebenso wie die englische Außenpolitik mit großem Aufwand bemüht war einen Friedensschluss zwischen Preußen und Österreich auch auf Kosten Maria Theresias zu erwirken, versuchte sich die französische Führung unbedingt den König von Sardinien-Piemont aus dem anti-bourbonischen Lager heraus zu lösen [5]. 

 

Meine Kavallerie setzt sich aus zwei Brigaden an. Die Reiterregimenter bestehen aus Cavaleria di Savoia (links) und die Eliteeinheit Guardie del Corpo (rechts). Der General könnte Savoia, ein unehelicher Spross des Königshauses sein. - My cavalry is composed of two brigades. The horse regiments are Cavaleria di Savoia (at the left) and an elite unit Guardie del Corpo (at the right). The general could be Savoia - an illegitimate son of the house of Savoy. (photo: André Hanselmann)


Because this ruler shows certain parallels with Frederick II. After all, apart from him, one hardly finds a military commander in his army who played a major role. The important general Aspremont fell in the first big battle at Camposanto in 1743 [2]. The even more famous General Leutrum (1692-1755) [3] distinguished himself in the defense of Cuneo in 1744 as well as in other cases, but never led a larger army independently. Therefore, in Carlo Emanuelle we have before us a true general-king, who, like Frederick, also tried not only to assert his territory by gaining territory and maneuvering his state between the great powers, but also to round off the borders. His father, Vittorio Amedeo (1666-1732), had a significant influence on the course of the War of the Spanish Succession. With the land swap in 1730, the House of Piedmont came into possession of Sardinia, which was topographically closer to the Savoy and Piedmont regions on both sides of the Alps. One then recognizes that the young king wanted to maintain a kind of balance of power during the War of the Polish Succession, even if he sided with the Bourbons, who soon became superior in Italy. In this war, Carlo Emanuele gained a lot of experience being personally present at the great battles of Quistello and Guastalla [4]. Just as English foreign policy tried with great effort to bring about a peace agreement between Prussia and Austria, also at the expense of Maria Theresa, the French leadership tried at all costs to free the king of Sardinia-Piedmont from the anti-Bourbon camp [5].

 

Ich versuchte General Leutrum (hier der Berittene mit dem Stein auf der Base) auch dabei zu haben. Da es scheinbar keine dezidierten Generalsuniformen gab, habe ich ihm die Uniform des Infanterieregiments Leutrum gegeben. - I tried to have general Leutrum (here on horseback with the small stone on the base) myself. It seems to me that there was no specific uniform for generals and therefore I gave him the uniform of the Leutrum regiment of foot. (photo: André Hanselmann)

 

 


Die piemontesischen Garden (hier im Vordergrund) spielten eine entscheidende Rolle in der Schlacht bei Guastalla 1734. - The Piedmont guards (here in the foreground) played a crucial role in the battle of Guastalla in 1734. (photo: André Hanselmann)


 

Piemont legte natürlich das Hauptaugenmerk auf die Verteidigung der Alpenpässe, die teilweise mit starken Festungen besetzt waren. Dazu wurde natürlich auch ein erheblicher Teil der Truppen verwendet. Am berühmtesten ist freilich die Schlacht bei Assietta von 1747 nicht zuletzt durch den Tod des Chevalier de Belle-Isle (1693-1747), die sich um starke Befestigungen entspann. Aber auch das Heer genoss einen guten Ruf und nicht umsonst bemühten sich die Kriegsparteien beider Seiten in der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts darum das Königreich auf ihre jeweilige Seite zu ziehen. Piemont setzte ebenso wie die Niederlande und das Königreich Neapel ganz massiv auf Fremdregiementer. Die Armee setzte sich grob gesagt aus Gardetruppen zu Fuß und zu Pferd, normalen Linientruppen und 10 Provinzregimentern zu Fuß sowie leichten Truppen zusammen. Diese zahlreichen Truppen wurden mehrfach zu dieser Zeit durch Serien von Uniformtafeln festgehalten. Vor allem eine Reihe von 1744 [6] und 1747 diente mir als Vorlage zur Bemalung meiner Figuren [7]. Ein paar Infos zur Armee findet man auch bei Weir [8]. In deutscher Sprache ist leider nur das Standardwerk aus Österreich mit brauchbaren Informationen über auch die kleineren Armeen des Österreichischen Erbfolgekrieges zu empfehlen [9]. 


Piedmont naturally put the main focus on defending the Alpine passes, some of which were manned by strong forts. Of course, a significant part of the troops was also used for this purpose. Of course, the most famous is the Battle of Assietta in 1747, not least due to the death of the Chevalier de Belle-Isle (1693-1747), which took place around strong fortifications. But the army also enjoyed a good reputation and it was not for nothing that the warring parties on both sides tried to win the kingdom over to their respective sides in the first half of the 18th century. Piedmont relied heavily on foreign regiments, as did the Netherlands and the Kingdom of Naples. Roughly speaking, the army consisted of Guardsmen on foot and on horseback, normal line troops and 10 provincial regiments of foot and light troops. These numerous troops were recorded several times at this time by series of uniform plaques. Above all, a series from 1744 [6] and 1747 served me as a model for painting my figures [7]. Some information about the army can also be found at Weir [8]. In German, unfortunately, only the standard work from Austria with useful information about the smaller armies of the War of the Austrian Succession can be recommended [9].

Die Guardie del Corpo in der roten Uniform. - The Guardie del Corpo in the red uniform. (photo: André Hanselmann)


Freitag, 10. November 2023

Liedgut für das 17. Jh. - Songs for the 17th century

Durch ein Video auf Youtube [1] bin ich auf das Thema gestoßen welches Liedgut wir für unsere Veranstaltungen aussuchen. Es ist tatsächlich bei uns in Wackershofen auf unseren "Landleben"-Veranstaltungen so, dass einige wenige zeitgenössische Lieder aus dem 16./17. Jh. singen, während das andere weniger interessiert, bzw. weniger praktizieren. Für unsere Teilnehmer stellen wir 2 Liederbücher zur Verfügung mit Liedern, welche zu unserer Veranstaltung passen [2]. Wie sind wir da vorgegangen? Vorrangig ich selbst habe Lust auf eine möglichst mehrdimensionale Darstellung der Epoche. Die Menschen damals haben einfach nicht nur geatmet und gegessen und gesöldnert (sic.!). Sie haben gearbeitet, aber auch gefeiert wozu Tanz, Musik und eben auch Singen dazu gehört. Die zahlreichen überlieferten Liedersammlungen aus der Zeit z.B. von P. Fabricius [3] dokumentieren den Reichtum an Liedgut. 

Through a video on YouTube [1] I came across the topic of which songs we choose for our events. It is actually the case here in Wackershofen at our "Landleben" events that a few contemporary songs from the 16th/17th century are played. Century sing, while others are less interested or practice less. For our participants we provide 2 songbooks with songs that suit our event [2]. How did we go about it? I am primarily interested in a representation of the era that is as multi-dimensional as possible. People back then didn't just breathe and eat and mercenary (sic.!). They worked, but also celebrated, which included dancing, music and singing. The numerous surviving song collections from the time of P. Fabricius [3], for example, document the wealth of songs.

 

Im Schulunterricht wird natürlich auch gesungen. - Naturally in the school we are singing too. (photo: Stefan Winter, 2019)
Als ich Lieder für unsere Veranstaltungen in Wackershofen gesucht habe, bemühte ich mich um folgende Kriterien:

1. Passend für die Epoche, d.h. nicht nach 1623 entstanden.

2. Melodie vorhanden, idealerweise mit Einspielung [4], damit man es nachsingen kann, wenn keine Kenntnisse im Notenlesen vorhanden sind.

3. Möglichst vielfältige Themen wie Soldatenlieder, Kirchenlieder [5], Arbeitslieder zu Themen wie Ernte, Dreschen usw. oder auch Trinklieder.

4. Gut singbar [6].

 

When I was looking for songs for our events in Wackershofen, I tried to use the following criteria:

1. Appropriate for the era, i.e. not made after 1623.

2. Melody available, ideally with a recording [4] so that you can sing it if you have no knowledge of reading music.

3. Topics as varied as possible, such as soldiers' songs, church songs [5], work songs on topics such as harvesting, threshing, etc. or even drinking songs.

 4. Easy to sing [6].

 

Titelblatt unseres Liederbuches. - Titlepage of our song book. (copyright: André Hanselmann)



Sonntag, 5. November 2023

Historiker von nebenan / Historians alongside: Sophia Brandus P 2

Hier kommt nun Teil 2 unseres Interviews mit der Autorin Sophia Brandus.


André Hanselmann: Gibt es aktuell ein Thema, worüber Du recherchierst und warum? Ich zum Beispiel überlege mir, was als Ausrüstung für mich als Landmann zu meiner Arkebuse passt.

André Hanselmann: Is there a current topic that you are researching and why? For example, I'm thinking about what equipment would suit my arquebus as a farmer.

 

Sophia Brandus: In Bezug auf die Geschichte habe ich mich zuletzt mit Details zu Band 3 beschäftigt, darunter fallen Straßburg und Paris, der Besuch Herzog Bernhards in Paris, usw. Außerdem beschäftigte ich mich gerade mit dem parallel verlaufenden 80-jährigen Krieg in den Niederlanden. Die internationalen Verbindungen der Zeit sind ein sehr spannendes Thema. Das Problem in Anbetracht stets knapper Zeit ist, das richtige Maß zu finden, also was braucht es tatsächlich an Wissen, um die Geschichte weiterzuschreiben. Generell immer halte ich nach allgemeinen Themen Ausschau, um das Wissen über Fragestellungen wie z.B. Gebrauchsgegenstände, Kleidung, alltäglichen Umgang, Glaube und Denkweise zu erweitern. Es wird nie langweilig, im Gegenteil, je mehr man lernt, desto spannender wird es.

Sophia Brandus: In terms of history, I recently dealt with details about Volume 3, including Strasbourg and Paris, Duke Bernhard's visit to Paris, etc. I was also currently dealing with the parallel 80 Years' War in the Netherlands . The international connections of the time are a very exciting topic. The problem, given that time is always limited, is finding the right balance, i.e. what knowledge is actually needed to continue writing the story. In general, I always look for general topics in order to expand knowledge on issues such as everyday objects, clothing, everyday interactions, beliefs and ways of thinking. It never gets boring, on the contrary, the more you learn, the more exciting it becomes.

 

Schönes Interieur. - Very nice interior. (photo: Sophia Brandus)

 

André Hanselmann: Praktisch überall läuft man ja dem Dreißigjährigen Krieg über den Weg. In Nürnberg fand ich es überraschend, dass man auf der Kaiserburg dazu aufgefordert wurde durch ein Fenster zu gucken um den Ort von Wallensteins Lager von 1632 zu entdecken. Gibt es für Dich Orte an denen man die Zeit Deiner Romane besonders gut nachempfinden kann?

André Hanselmann: You come across the Thirty Years' War practically everywhere. In Nuremberg I found it surprising that at the imperial castle you were asked to look through a window to discover the location of Wallenstein's camp from 1632. Are there places where you can particularly relate to the time of your novels?

Sophia Brandus: Besonders berühren mich Orte, welche die in der Romanreihe auftretenden historischen oder fiktiven Persönlichkeiten tatsächlich besucht haben. Ein Beispiel ist Schloss Beuggen in Rheinfelden. Dort hatte Herzog Bernhard im Jahre 1638 sein Hauptquartier. Außerdem liebe ich Orte, die durch ihren historischen Charakter inspirieren, z.B. Freilichtmuseen, gut erhaltenen Altstädte, als Museen zugängliche alte Häuser, Schlösser usw.

Sophia Brandus: I am particularly moved by places that the historical or fictional characters appearing in the novel series actually visited. An example is Beuggen Castle in Rheinfelden. Duke Bernhard had his headquarters there in 1638. I also love places that inspire through their historical character, e.g. open-air museums, well-preserved old towns, old houses accessible as museums, castles, etc.

 

 

Nichts geht über die zeitlich passende Architektur. - Nothing better then buildings from the period. (photo: Sophia Brandus)

André Hanselmann: In vielen Museen findet man ja hübsche spannende Dinge aus dem 30-jährigen Krieg. Ich denke da an die Puppenhäuser aus dem 17. Jh. im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg oder die riesige Sammlung von gleich aussehenden Rapieren im Zeughaus von Schloss Schwarzburg. Hast Du da ein paar heiße Tipps, welche Sammlung man mal gesehen haben sollte?

 
André Hanselmann: In many museums you can find pretty, exciting things from the 30 Years' War. I'm thinking of the 17th century dollhouses in the Germanic National Museum in Nuremberg or the huge collection of identical-looking rapiers in the armory of Schwarzburg Castle. Do you have any hot tips about which collection you should see?

 

 

Sophia Brandus: Spontan fallen mir da die Sammlung der Kurfürstlichen Garderobe in der Nationalen Kunstsammlungen Dresden und das Zeughaus in Graz ein. Ich liebe es aber auch, Sammlungen alter Gemälde und Gegenstände des 17. Jahrhunderts zu erkunden, da gibt es z.B. das Rijksmuseum in Amsterdam und das Mauritshuis in Den Haag. Aber es gibt auch in kleinen Museen, Burgen und Schlössern vieles zu entdecken. Eine echte Überraschung war z.B. das Kaufmannshaus des Museums von Edam in den Niederlanden. Das ist ein sehr kleines Museum, aber man fühlt sich, als reise man zurück in die Zeit, sehr inspirierend.

Sophia Brandus: The collection of the Electoral Wardrobe in the National Art Collections Dresden and the Armory in Graz immediately come to mind. But I also love exploring collections of old paintings and objects from the 17th century, for example the Rijksmuseum in Amsterdam and the Mauritshuis in The Hague. But there is also a lot to discover in small museums, castles and palaces. A real surprise, for example, was the merchant's house at the Edam Museum in the Netherlands. This is a very small museum but you feel like you are traveling back in time, very inspiring.

 

Samstag, 21. Oktober 2023

Historiker von nebenan / historians alongside: Sophia Brandus P 1

 Heute will ich euch Sophia Brandus vorstellen, die bereits mehrere Romane veröffentlicht hat, die im 17. Jahrhundert spielen.

Today I want to introduce you to Sophia Brandus, who has already published several novels set in the 17th century.

 

André Hanselmann: Erst einmal eine ganz obligatorische Frage, die ich mir bei mir selbst nicht beantworten kann. Wie bist Du auf die Zeit des Dreißigjährigen Krieges gekommen?

André Hanselmann: First of all, a very obligatory question that I can't answer for myself. How did you come to know the time of the Thirty Years' War?

 

Sophia Brandus: Die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts hat mich mehr und mehr, ohne dass ich es mir speziell ausgesucht habe, in seinen Bann gezogen. Es fühlt sich für mich eher so an, also habe die Zeit mich ausgesucht und nicht ich sie. Es mag etwas seltsam klingen, aber ich realisierte das, als ich begann die in meinem Kopf entstehende Geschichte aufzuschreiben und mich parallel in zunehmendem Maße mit der Zeit beschäftigt habe.

Sophia Brandus: The first half of the 17th century captivated me more and more, without me specifically choosing it. It feels more like this to me, so time chose me and not I chose it. It may sound a bit strange, but I realized this as I began to write down the story that was emerging in my head and, at the same time, became increasingly occupied with the period.

 


 

André Hanselmann: Ich habe bislang "Euch zum Urteil - Kein gerader Weg" gelesen [1]. Der Roman scheint mir sehr detailliert recherchiert, sei es nun das Aussehen von bspw. Freiburg im 17. Jh. oder auch die Rechtssprechung in der Zeit. Hast Du Dich vor dem Roman damit beschäftigt wie eine Historikerin Quellen zu sichten?

André Hanselmann: So far I have read "Euch zum Urteil - Kein gerader Weg" [1]. The novel seems to me to have been researched in great detail, be it the appearance of Freiburg in the 17th century or the jurisprudence at that time. Before writing the novel, did you spend time sifting through sources like a historian?

 

Sophia Bandus: Mein Schreiben folgt nicht dem klassischen Weg (Idee für eine Geschichte, Plotten, Recherche und dann Schreiben) und somit verhält sich das auch mit der Recherche. Ich berühre so viele Themen, dass ich (abgesehen von generellen Recherchen zur Zeit) das zumeist dann angehe, wenn ich bereits am Schreiben bin. Ich gehe also eher parallel vor. Generell benutze ich gerne Quellen der Zeit (wie z.B. Pamphlete, Briefe, Bücher, Polizeiordnungen, Liebesratgeber, Gesetzestexte, Militärisches, Kochbücher Haushaltsratgeber, Heilkunde, Aderlass usw.). Es finden sich eine faszinierende Menge an Informationen, teils zu sehr speziellen Themen, da komme ich schnell ins Schwärmen. Aber es gibt auch tolle Sekundärliteratur, was gerade bei komplexeren Themen sehr hilfreich ist (z.B. die von dir angesprochene Rechtssprechung). Ein Problem bei der Recherche ist, dass man interessante Sachen findet, welche gerade nicht relevant, aber sehr spannend sind, und dann dazu neigt, den Fokus zu verlieren. Außerdem findet man immer wieder sich widersprechende Quellen (was primäre Quellen der Zeit und auch sekundärquellen einschließt).

Sophia Brandus: My writing doesn't follow the traditional route (idea for a story, plotting, research and then writing) and so the same goes for research. I touch on so many topics that (apart from general research at the moment) I usually tackle them when I'm already writing. So I tend to proceed in parallel. In general, I like to use contemporary sources (such as pamphlets, letters, books, police regulations, love guides, legal texts, military information, cookbooks, household guides, medicine, bloodletting, etc.). There is a fascinating amount of information, some of it on very specific topics, which quickly makes me rave. But there is also great secondary literature, which is particularly helpful for more complex topics (e.g. the case law you mentioned). One problem with research is that you find interesting things that are not currently relevant but are very exciting, and then you tend to lose focus. In addition, one often finds contradicting sources (which includes primary sources of the time and also secondary sources).

 

Montag, 16. Oktober 2023

"Der Schatten von Caravaggio" - "Caravaggio's shadow" (2023)

Eben bin ich aus dem 2. Spielfilm, der im 17. Jahrhundert spielt und dieses Jahr hier ins Kino kam raus gekommen. Mit dem eigenwilligen Musketierfilm [1] hat dieser Streifen gemein, dass ein Darsteller erneut eine wichtige Rolle spielt [2].

I have just come out of the second feature film, which is set in the 17th century and was released here this year. What this film has in common with the idiosyncratic Musketeer film [1] is that an actor once again plays an important role [2].

 

 

Filmplakat. Es fässt recht gut den Stil und die Farben des Films zusammen. - Poster of the movie. It shows perfectly the colours and style of the movie. (photo: André Hanselmann, 2023)

Ebenso wie der Musketierstreifen ist auch dieser Film beinahe immer in der Dunkelheit gedreht. In Rom und den anderen Handlungsorten herrscht entweder Nacht oder ein bedeckter Himmel taucht die Szenerie in eine Farbpalette von Brauntönen, die hier und da die teils bunten Kostüme aufblitzen lassen. Spielt etwas in Rom in eher freiem Gelände so wurde in antiken Ruinen gedreht, wo Caravaggio gerne Federball spielt [3]. Das Leben Caravaggios wird ab den frühen 1590ern aus der Retrospektive geschildert. Denn der vom Papst beauftragte Inquisitor befragt Lebensgefährten des Malergenies: die reiche Constanza Sforza Colonna über Prostituierte bis hin zu einem Trinker, der Caravaggio wie soviele als Modell diente. Das Drehbuch versucht akribisch all die Orte und Mäzene aufzuzählen an denen Caravaggio und für die er arbeitete. Dies erlaubt keine Überraschungen, denn der Film mutet vielmehr als eine Rechtfertigung der Verbrechen des Malers an. So wird geschildert wie er 1605 den Gemahl einer Geliebten zusammen schlug und daher nach Genua fliehen musste und wie sich die Feindschaft mit den ausgezeichneten etablierten Malern entwickelte, die ihn scheinbar beneideten wegen seinem Talent bis hin zur fatalen Beziehung zu einem Tomassoni. Zu meinem Erstaunen wurde Caravaggios Ende 1610 recht deutlich gezeigt ohne Fragen über Verantwortung und Täter offen zu lassen.

Like the Musketeer flick, this film is almost always shot in the dark. In Rome and the other locations it is either night or an overcast sky bathes the scenery in a colour palette of brown tones, which allows the sometimes colourful costumes to flash here and there. If something takes place in Rome in a rather open area, it was filmed in ancient ruins, where Caravaggio likes to play badminton [3]. Caravaggio's life is described retrospectively from the early 1590s. The inquisitor commissioned by the Pope questions the painter's genius' companions: the rich Constanza Sforza Colonna, prostitutes and a drunk who, like so many others, served as a model for Caravaggio. The script tries to meticulously list all the places and patrons where Caravaggio worked and for whom he worked. This leaves no surprises, as the film seems more like a justification of the painter's crimes. It describes how he beat up the husband of a lover in 1605 and therefore had to flee to Genoa and how the enmity developed with the excellent, established painters, who apparently envied him because of his talent and even had a fatal relationship with a Tomassoni. To my surprise, Caravaggio end was shown quite clearly in 1610 without leaving any questions about responsibility and perpetrators unanswered.

Sonntag, 8. Oktober 2023

Ausblick auf das nächste Jahr - A view into the next year

Wie sich das einige Blogleser gewünscht haben, wird sich der Blog nächstes Jahr mit dem Polnischen Thronfolgekrieg beschäftigen. Obwohl mich die Geschichte des Hauses Wettin immer sehr beschäftigt hat, will ich da aber nicht allzu tief ins Detail gehen um nicht allzusehr vom Sinn unseres Blogs abzuweichen. Mit dem frühen Tod König August II. von Polen am 1. Februar 1733 in Warschau bahnt sich rasch ein großer Konflikt an. Anders als bei seinem Vater musste sich Kurfürst Friedrich August II. (1696-1763) nicht sosehr mit einem Widerstand in Kursachsen gegen seinen Versuch die polnische Krone zu erwerben durchsetzen [1]. Anfänglich schien aber ein Sieg des Schwiegervaters von König Louis XV im Kampf um die Krone, der natürlich von Frankreich unterstützt wurde, durchaus in greifbare Nähe zu rücken. Stanisław Leszczyński (1677-1766) war kurz vor dem sächsischen Bewerber bereits am 11. September 1733 zum König gewählt worden. Vor allem Russland, welches bereits im Großen Nordischen Krieg auf der Seite Sachsens gekämpft hatte, gelang es maßgeblich an der Vertreibung von König Stanisław mitzuwirken und dadurch den ohnehin schon enormen Einfluss in Polen auszuweiten. 

As some blog readers have requested, next year's blog will deal with the War of the Polish Succession. Although the history of the House of Wettin has always occupied me very much, I don't want to go into too much detail so as not to deviate too much from the spirit of our blog. With the early death of King August II of Poland on February 1, 1733 in Warsaw, a major conflict quickly developed. In contrast to his father, Elector Friedrich August II (1696-1763) did not have to resist his attempt to acquire the Polish crown so much in Electoral Saxony [1]. Initially, however, a victory for King Louis XV's father-in-law in the battle for the crown, which was of course supported by France, seemed within reach. Stanisław Leszczyński (1677-1766) had been elected king on September 11, 1733, shortly before the Saxon candidate. Above all, Russia, which had already fought on the side of Saxony in the Great Northern War, was able to play a key role in the expulsion of King Stanisław and thereby expand the already enormous influence in Poland.

Die Festung Kehl am Rhein mit der Stadt Straßburg im Hintergrund auf dem großen plan relief. - The fortress of Kehl and the city of Strasbourg in the background on the great plan relief. (Musée d'Histoire, Strasbourg, photo: Cecilia Hanselmann, 2023)

 

Schon kurz nach Stanisławs Wahl kam es in Deutschland zu ersten Kriegshandlungen indem die schwäbische Kreisfestung Kehl von den Franzosen belagert wurde. Über 30.000 Mann unter dem kampferfahrenen Maréchal duc de Berwick (1670-1734) schlossen die kleine von Kreistruppen schwach besetzte Festung ein und erreichten nach etwa 2 Wochen Belagerung die Einnahme derselben. Da ich kein Experte für Festungsbelagerungen bin, werde ich auf diese wie auch auf die folgenden von Pizzighettone, Danzig, Trarbach und Gaeta nicht näher eingehen. 

Links eine Fahnenspitze des Schwäbischen Kreises von 1716. Wehrgeschichtliches Museum Rastatt. - At the left a flag tip of the Swabian circle from 1716. WGM Rastatt. (photo: Cecilia Hanselmann 2023)


Shortly after Stanisław's election, the first acts of war broke out in Germany, with the Swabian district fortress of Kehl being besieged by the French. More than 30,000 men under the battle-experienced Maréchal duc de Berwick (1670-1734) surrounded the small, weakly by troops of the circle occupied fortress and managed to capture it after a siege of about 2 weeks. Not being an expert on fortress sieges, I won't go into detail about this one, nor the ones that followed from Pizzighettone, Danzig, Trarbach and Gaeta.

Ein näherer Blick auf die Festung Kehl im Zustand vor 1734 auf dem zeitgenössischen Modell. - A closer look on the fortress of Kehl in the situation around 1734 on the contemporary model. (Musée d'histoire, Strasbourg, photo: Cecilia Hanselmann)

 

Sehr bedeutend nicht zuletzt für den Schwäbischen Kreis der direkt durch das französische Heer bedroht wurde, sollte die Reaktion des Kaisers auf den Konflikt werden. Karl VI. (1685-1740) hatte bereits für einen künftigen Krieg mit Frankreich vorgesorgt indem er mit dem militärisch erstarkten Preußen einen Vertrag über die Stellung eines Heeres von 30.000 Mann im Kriegsfall abschloss. Dieser Vertrag verdeutlicht aber auch die Ohnmacht des Reiches, die nicht zuletzt daher rührte, dass die kurbrandenburgischen Herrscher seit dem Großen Kurfürst jegliche Stellung von Truppen für die Reichsarmee abgelehnt hatten. Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth berichtete in ihren Memoiren recht eindrücklich von den Verhandlungen ihres Vaters Friedrich Wilhelm I. (1688-1740) mit dem Kaiser [2]. 

The reaction of the emperor to the conflict was to be very important, not least for the Swabian district, which was directly threatened by the French army. Charles VI (1685-1740) had already prepared for a future war with France by concluding a contract with the militarily strengthened Prussia on the deployment of an army of 30,000 men in the event of war. However, this contract also illustrates the impotence of the empire, which was not least due to the fact that the Electoral Brandenburg rulers had rejected any deployment of troops for the imperial army since the Great Elector. In her memoirs, Margravine Wilhelmine von Bayreuth gave an impressive account of the agreements between her father Friedrich Wilhelm I (1688-1740) and the Emperor [2].

Im Jahr 1734 versammelte dann Prinz Eugen sein Heer aus Reichstruppen und Verbündeten bei Heilbronn. Doch dazu mehr im nächsten Jahr!

In 1734, Prince Eugene assembled his army of imperial troops and allies near Heilbronn. But more on that next year!

Text: André Hanselmann

Fotos: André Hanselmann, Cecilia Hanselmann


Notizen / Notes:

1)  Karl Czok: "August der Starke und seine Zeit" Piper, München, 2006, S. 72-74

2) Wilhelmine von Bayreuth: Memoiren, insel, Frankfurt, 1990, S.113

Freitag, 15. September 2023

Die Mainhardter Räuberbande - The band of robbers of the Mainhardt forest 25.-27.8.2023

Wir sind nun von unserer größten Veranstaltung des Jahres mit etwa 50 Teilnehmern [1] heim gekehrt. Wir wollen euch ein paar Eindrücke von unserem Programm liefern. Der  Amtmann traf im Amt Rosengarten ein und brachte einige Steckbriefe und das Jaunerpatent von 1751 [2] [3] zum Zöllner von Bubenorbis [4]. Der Zöllner und der ehemalige Schulmeister berichteten mir von Neuigkeiten aus dem Dorf. Die in der Gegend eingesetzten Jäger ergriffen kurz darauf einen Verdächtigen, der sich allerdings als Handwerker herausstellte, der laut seinem Ausweispapier [5] ein unschuldiger Reisender war. 

Szene an der Zollstation. Der Rattenfänger wird kontrolliert. - Scene at customs office. They are checking the rat catcher. (photo: M. Leyendecker)
 

We have now returned from our biggest event of the year with around 50 participants [1]. We want to give you a few impressions of our program. The bailiff arrived at the Rosengarten office and brought some wanted letters and the Jaunerpatent from 1751 [2] [3] to the customs officer from Bubenorbis [4]. The customs officer and the former schoolmaster told me about news from the village. The hunters deployed in the area soon seized a suspect who, however, turned out to be a craftsman who, according to his identity paper [5], was an innocent traveler.

Enttäuscht von dem Fehlen eines Bratens verließ der Amtmann das Steigengasthaus um die Frau Pfarrerin zu besuchen. Er gratulierte zum Geburtstag und überreichte einen Brief mit der Mahnung für den Pastor künftig mehr "Betstunden" wegen der Mäuseplage von 1773 einzulegen [6] und sich stärker um die örtliche Schule zu kümmern. Wenig beruhigt von den Erlebnissen reisten der Amtmann und sein Grabenreiter ab.

Der Amtmann - hier in Rot - ist diesmal wenig beeindruckt von der Küche des Steigengasthauses. Sein Amtsschreiber - in Blau - unterstützt ihn. - The bailiff in his red coat is not really impresses by the menu in the "Steigengasthaus". The secretary of the district in a blue coat is supporting him. (photo: Stefan Winter)

 

Disappointed by the lack of a roast, the bailiff left the Steigengasthaus to visit the pastor's wife. He congratulated him on his birthday and handed over a letter admonishing the pastor to put in more "prayer hours" in the future because of the mouse plague of 1773 [6] and to take better care of the local school. Little reassured by the experiences, the bailiff and his trench rider left.

Eine Räuberin überfällt eine Magd unweit der Zollstation. - A female robber attacks a maid next to the house of the custom officer ... (photo: M. Leyendecker)

Der Komplize steht mit seiner Flinte bereit. - The accomplice is ready with his musket. (photo: M. Leyendecker)


Am nächsten Tag schickte er eine Botschaft wegen der Schwarzwälder Bande an den Zöllner von Bubenorbis, der wegen der Bande streifen lassen sollte [7]. Kurz hinter der württembergischen Grenze wurde eine meiner Mägde nachdem sie ihre Korbwaren verzollt hatte von Räubern ausgeraubt. Sie brachte das sogleich bei mir als einem hällischen Schultheiß zur Anzeige. Ich hatte aber schon damit zu tun die Obrigkeit in Kenntnis zu setzen, dass nur so wenige Kinder zur Sommerschule erschienen waren [8]. Der Mäusefänger, der Tags zuvor auch dem Amtmann aufgefallen war, erhielt von mir ein Dokument. Gegen einen kleinen Obulus brachte er eine Nachricht zum Zöllner von Bubenorbis. 

The next day he sent a message about the Black Forest gang to the customs officer from Bubenorbis, who was supposed to patrol because of the gang [7]. Shortly after the Württemberg border, one of my maids was robbed by robbers after she had declared her basketry. She immediately reported this to me as a Hellish mayor. But I was already busy informing the authorities that so few children had turned up for the summer school [8]. The mouse catcher, who had also noticed the bailiff the day before, received a document from me. For a small fee he brought a message to the Bubenorbis customs officer.

Viel Verkehr an der Zollstation. Hier reist der jüdische Krämer mit einem Fuhrmann ins Württembergische. - A lot of traffic at the customs office. Here you can see the jewish chandler travelling on the cart of a carter into the Wurttemberg territory. (photo: M. Leyendecker)

 

Ich verkaufte Holzschnitte und Liedertexte zum Schicksal des Georg Michael Schönmann [9], die gesungen angeworben reißenden Absatz fanden. 

Die Bänkelsänger ziehen von Dorf zu Dorf um die Lieder und Holzschnitte zu verkaufen. - The singers are walking from village to village to sale the songs and woodcuts. (photo: Michael Leyendecker)

 

I sold woodcuts and song texts on the fate of Georg Michael Schönmann [9], which sold like hot cakes when sung.