Sonntag, 9. Mai 2021

Die Habseligkeiten einer Dienstmagd

Das heutige Inventar führt uns in die soziale Schicht der städtischen Dienstboten.
Die Dienstmagd Ursula Maria Gerwigin verstarb 1764, sie war in Diensten bei einem Ratsherren gewesen[1].
Auffällig ist hier, dass gar keine Kopfbedeckungen zu finden sind (mit "Mützle" sind Jacken/Oberteile gemeint), ob sie ihre einzige Haube mit ins Grab genommen hat?
Ebenso wird kein Ehemann erwähnt, wahrscheinlich war sie ledig Mutter geworden, denn sie vererbte ihre wenigen Hinterlassenschaften ihrem Sohn.

 

 

Ein Bild von einer unserer Veranstaltungen 2012.

 

 





Bettwerk

1 zwischen Deckbett
1 dito Liegbett
1 dito Pfülben (?)
1 dito Küßen

mit Enden und Hühnerfedern gefüllt 4fl 20ß

Weißzeuch
12 ß
 


Weiblichen Kleidern

1 schwartz zeuchenen Rock 20ß
1 dito                                      1 fl
1 brauner dito                         1 fl 15ß
1 schwartz zeuchen Mützle          10 ß
1 zeuchen Mützle schwartz          12 ß
1 Goller* dito                                 15 ß
1 getruckter Schurtz                     6 ß
1 rothtüchen Mieder               1 fl
1 Hembd                                        1 ß



Summa 10 fl 28 ß 

* Ein "Goller" war eigentlich laut Frauenzimmerlexikon ein aus weißer Leinwand, Baumwolle oder Nesteltuch geschnittenes über dem Hals geschlagenes "Halbbrüstlein" oder "Kräglein".[2]

 

Text: Cecilia Hanselmann

Foto: Wolf Hanselmann


1)Stadtarchiv Schwäbisch Hall: Inventar der Ursula Maria Gerwig, 1764

2) "Frauenzimmerlexikon" Leipzig, 1715, Reprint des Verlages Edition Leipzig, Leipzig, 1980, S. 1075

Samstag, 1. Mai 2021

Dienstboten im 18. Jh. / servants during the 18th century T. 3 p. 3

Am Tag der Arbeit geht es weiter mit unserer Serie zu den Dienstboten.

At the labor day we continue our series about the servants. 

Dienstzeit und Löhne

Es ist schwierig über die Dauer des Dienstes und die Löhne zu generalisieren. Wenn man sich die Einkünfte der Dienstboten im 18. Jahrhundert anschaut, muss man ja auch die unterschiedlichen Lebenshaltungskosten ansehen und auch der unterschiedliche Wert des Geldes in den verschiedenen Regionen. Denn erschwerend zur Einschätzung kommen die unterschiedlichen Währungen, Aspekte wie Münzverschlechterungen und ähnliches zur Wirkung. Daher ist es eigentlich am sinnvollsten die Dienstboten innerhalb einer Region, eines Staates oder am besten innerhalb einer Stadt oder Gemeinde zu vergleichen. Besonders aussagekräftig scheinen mir, auch wenn es hier in der Serie über Dienstboten garnicht um Dienerschaft an Höfen gehen soll die recht gut dokumentierten Rechnungen für Personalausgaben von Hofhaltungen. Das Schöne an diesen ist auch, dass man dort so ziemlich alle verschiedenen Typen von Dienstboten[1] findet, die es während der Epoche gab.

Length of service and wages 

It is difficult to generalize about length of service and wages. If you look at the income of the servants in the 18th century, you also have to look at the different cost of living and the different value of money in the different regions. Because the different currencies, aspects such as coin deterioration and the like make the assessment more difficult. Therefore, it actually makes the most sense to compare the servants within a region, state or, best, within a city or town. Particularly meaningful to me, even if the series about servants is not supposed to be about servants at courts, are the well-documented bills for personnel expenses of court holdings. The nice thing about these is that you can find pretty much all the different types of servants [1] that existed during the era.

Zwei Jungen servieren in einem Schokoladentrinkhaus. Gerade für solche Dienste hat man Kindern gern eingesetzt. - Two boys are serving in a chocoladedrinkinghouse. Especially for such jobs kids were used often. (Deutsch oder Italienisch: "Die Schokoladentrinkstube" 18. Jh.)

Eintrittsalter und Diensteintritt

Man kann hierrüber nichts allgemein gültiges sagen. Bisweilen finden wir nützliche Angaben in Biographien. Nicht ganz unüblich scheint mir das Schicksal der Susanne Margaretha Brandt, welche als Waise aufwuchs und von daher wohl keine besonders andere Perspektive hatte außer sich als Magd in Dienste zu begeben[2]. Sehr schön hat die Beweggründe etwa die eigenen Kinder in Dienste zu schicken Renate Dürr in ihrer Arbeit über die Mägde in Hall dargestellt. Sie verdeutlicht auch, dass die Mägde nicht unbedingt den unteren Bevölkerungsschichten entstammen mussten, sondern im Falle von Hall durchaus auch den führenden Bürgerfamilien der Reichsstadt entstammen konnten. Insbesondere eine große Schar von Kindern kann die Eltern dazu gezwungen haben zumindest einige von ihnen über eine Dienstbotenanstellung versorgt zu wissen. Gerade bei den höheren Familien war aber die Anstellung als Magd offenbar kein Hinderungsgrund später wieder als gleichberechtigt betrachtet in reiche Patrizierfamilien verheiratet zu werden[3].

Die Versorgung der Herrschaften einer Stadt mit einer ausreichenden Anzahl an Dienstboten war das ständige Augenmerk der damaligen Obrigkeit - also der Regierung eines Staates oder des Magistrats einer Stadt. Man findet von dieser Seite her auch immer wieder Klagen über zuviele Leute, welche statt  in Dienste zu treten versuchten mit ihrer Hände Arbeit als eine Art Tagelöhner, mit Spinnen und dergleichen Tätigkeiten eine Bleibe zu finden und unabhängig zu bleiben. Diese Menschen waren der Obrigkeit auch daher ein Dorn im Auge, da sie früher oder später etwa den Sozialkassen zur Last fielen. Auch die Eltern wie insbesondere "arme Wittweiber" wie es in Hall heißt wurden sogar mit Androhung einer Strafe dazu gezwungen ihre Kinder in Dienste zu schicken[4].

Einerseits versuchte zwar die Obrigkeit durch eine gewisse Transparenz und die Verordnung einer Art Fairness der Herrschaft gegenüber den Dienstboten die Arbeit als Gesinde attraktiv zu machen. Andererseits herrschte auch gewiss ein gewisser Eigennutz, da die Gesetzgeber letztlich ja auch selbst Herrschaft ihrer Dienstboten waren und wenn überhaupt von den Wohlhabenden auf kurze Sicht politischen Druck zu befürchten hatten[5]. Typisch für die doch eher einseitige Interessenlage der Obrigkeit ist die Verfügung von möglichst niedrigen Löhnen, welche zum Schutz der Herrschaft reguliert wurden. Einem sich gegenseitigen Abwerben mit höheren Löhnen sollten Gesindeordnungen einen Riegel vorschieben[6].

Je nach Gegend konnte neben der Obrigkeit auch eine eher private Art von Stellenvermittlung in Form der Gesindemäkler, "Gesindevermiether", "Knechtväter" oder "Mägdemütter", die aber mit der Obrigkeit insofern verbändelt ist, dass Krünitz erwähnt, dass diese Vermittlungen nur diejenigen Dienstboten annahmen, die auf die Gesindeordnung vereidigt und bei der örtlichen Polizei gemeldet waren[7].  

Entry age and entry into service 

One cannot say anything generally applicable about this. Sometimes we find useful information in biographies. The fate of Susanne Margaretha Brandt, who grew up as an orphan and therefore probably had no particularly different perspective other than to serve as a maid, seems to me not entirely unusual [2]. Renate Dürr's work on the maids in Hall very nicely portrayed the motivation to send one's own children into service. It also makes it clear that the maids did not necessarily have to come from the lower classes of the population, but in the case of Hall could also come from the leading bourgeois families of the imperial city. A large number of children in particular may have forced their parents to know that at least some of them are being cared for by servants. In the case of higher families in particular, however, employment as a maid was apparently no obstacle to later being married into wealthy patrician families as having equal rights [3]. 

Providing the rulers of a city with a sufficient number of servants was the constant focus of the then authorities - that is, the government of a state or the magistrate of a city. From this point of view, one finds again and again complaints about too many people who instead of entering service tried to work with their hands as a kind of day laborer, with spiders and similar activities to find a place to stay and to remain independent. These people were a thorn in the side of the authorities because sooner or later they would be a burden on the social security funds. The parents, especially "poor widow women" as it is called in Hall, were even forced to send their children into service with the threat of punishment [4]. 

On the one hand, the authorities tried to make work as servants attractive through a certain transparency and the regulation of a kind of fairness of the rule towards the servants. On the other hand, there was certainly a certain self-interest, since the legislators were ultimately also in control of their servants and, if at all, had to fear political pressure from the wealthy in the short term [5]. Typical for the rather one-sided interests of the authorities is the provision of the lowest possible wages, which were regulated to protect the rulers. Mutual poaching with higher wages should put a stop to servant orders [6]. 

Depending on the area, in addition to the authorities, a more private type of job placement in the form of "Gesindemäkler" (servant brokers), "Gesinde-Vermiether" (servant lessors), "Knecht-Väter" (farmhand fathers) or "Magd-Mütter" (maid mothers), which is linked to the authorities insofar as Krünitz mentions that these mediations are only used by servants assumptions that were sworn in to the servants' rules and reported to the local police [7].

Dauer des Dienstes

Prinzipiell blieben viele Dienstboten bis zu ihrem Tode in den Diensten irgendeiner Herrschaft. So erwähnt G. Wunder eine Klara Sibille Kurr (1661-1724) sie habe "in Diensten so lange verharrt, bis sie Alters und Baufälligkeit halber nimmer mehr fortkommen können" - immerhin kam diese Magd vor ihrem Tod zur Versorgung ins Spital [8]. In Dienste zu gehen konnte auch eine Art Altersabsicherung bedeuten. So erwähnt Graf Lehndorff, dass die Königin-Mutter Sophie Dorothea von Preußen (1687-1757) verfügt hatte, dass ihre Dienstboten nach ihrem eigenen Ableben finanziell versorgt sein sollten beziehungsweise man sich einfach um sie kümmerte[9] wie es auch eine Frau von Hacke verfügte für ihre Dienstboten[10]. Der treue alte Diener, welcher bis ins hohe Alter und über Generationen seiner Herrschaft brav gedient hat, scheint aber mehr als ein Topos zu sein und ist ein beliebte Figur auf dem Theater[11].

Eine Art von Ideal scheint es aber gewesen zu sein sich als Dienstbote irgendwann durch das Ersparte oder etwa Geld aus dem Vermächtnis der Herrschaft finanziell unabhängig zu machen. Beliebt ist im Theater das Bild des Dieners oder der Zofe, welche durch eine Schenkung der Herrschaft die Möglichkeit bekommt zu heiraten und einen eigenen Hausstand zu führen. 

Ein schönes Beispiel ist die Haller Dienstbotin Susanne Elisabeth Firnhaber (1678-1756), die durch ein Testament ihres Hausherrn des Haller Stättmeisters selber eine gute Partie wurde, im Alter von 41 Jahren den 20 Jahre jüngeren Christoph David Kochendörfer heiratete und noch eine offenbar recht glückliche Ehe führte[12].

Susanna Elisabeth Kochendörffer geb. Firnhaber Tochter eines Wein-und Zinsschreibers, später Haushälterin eines Städtmeisters. (Gemälde im Hällisch Fränkischen Museum Schwäbisch Hall) - Susanne Elisabeth Kochendörfer born as Firnhaber daughter of a vine and tin secretary and later housekeeper of the mayor of Hall.


Christoph David Kochendörffer (1698-1764), Gemälde von P.Meyer 1743, Kaufmann ursprünglich Nadler. - Christoph David Kochendörfer, painting by P. Meyer, merchant former needlesmith (Hällisch Fränkisches Museum Schwäbisch Hall).


Prinzipiell konnte das Dienstverhältnis von beiden Seiten aufgekündigt werden. Die zahlreichen überlieferten Polizeiordnungen und die darin enthaltenen oder separat veröffentlichten Gesindeordnungen regelten diese Auflösungen des Verhältnisses zwischen Herrschaft und Dienstboten. Es gab dafür bestimmte Termine und auch Fristen. In Schwäbisch Hall beispielsweise sollten Dienstboten bis auf Ausnahmen mindestens ein halbes Jahr in Diensten bleiben[13]. Auch das Ausstellen eines Arbeitszeugnisses wurde darin geregelt. Die Kündigung musste auch begründet werden, etwa wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Diener und Herrschaft zerstört war oder auf andere Weise ein Böswillen dem jeweils anderen Teil nachgewiesen werden konnte. Man liest aber auch immer wieder von entlaufenen Dienstboten, die beispielsweise ihrer Herrschaft abtrünnig wurden, wenn diese in finanzielle Engpässe kam wie es auch Major Tellheim in "Minna von Barnhelm" widerfuhr[14]. 

Gesinde-Erlassungsscheine nach dem Vorbild bei Krünitz. - Dismissal-documents as mentioned in Krünitz' book.