Wie wichtig ist das Tanzen? – How
important is dancing? 2
Tanzverbote
– dancing prohibitions. (1)
Was kann man nun an Hinweisen anführen, dass der
Tanz für die Menschen im 18. Jahrhundert und insbesondere in Deutschland oder
gar im Schwäbischen Kreis von einer hohen Bedeutung war? Noch bevor die
pietistische Bewegung in Schwäbisch Hall und anderen lutheranischen
Reichsständen an Einfluss gewann, gab es in der Führungsschicht die Frage ob
Tänze nicht etwa den religiösen Ansichten widersprachen. Auf bestimmte Tage
etwa beschränkt wurden Tanzverbote ausgesprochen und wiederholt erneuert. In
Schwäbisch Hall 1665 ein Tanzverbot[1] und
ein Jahr später eine Regelung der Tänze auf dem Land[2]. Wobei
diese Tänze auf dem Land schon sehr lange als Problem wahrgenommen wurden,
vielleicht ein Hinweis darauf, dass die Regulierungsmaßnahmen durch den
Magistrat letztlich einfach keinerlei Wirkung zeigten[3][4]. Immer
wieder wurde insbesondere das Hausgesinde ins Visier genommen und wie sich
dieses verhielt[5].
Hochzeiten waren ein besonders wesentlicher Punkt des Anstoßes, vielleicht
gerade weil eine Hochzeit ohne Tanz niemals denkbar war[6]. Typisch
für eigentlich alle Reichsstände, holte man sich auf in Schwäbisch Hall
Informationen ein wie es anders ablief, etwa in Hohenlohe-Langenburg[7].
Die Polizeiordnung von 1703 verbot generell das
Tanzen in „Privat- oder andern Häusern“ nach 10 Uhr[8].
Zahlreiche Erwähnungen von Übertretungen solcher Sperrstunden in den
Amtsrechnungen belegen, dass diese Vorschrift noch durchs ganze 18. Jahrhundert gültig blieb und
weiterhin missachtet wurde.
Which hints we can list, underlining
that dancing was of a high importance during the 18th century in Germany and
especially in the Swabian circle? Even before the pietism movement in
Schwäbisch Hall and other Lutheran Imperial Estates won the influence, there
was the question if dancing contradicted religious views. Some bans were
declared against dancing, but these were reduced to some days only and
repeated fore several times. In Schwäbisch Hall for example was a dancing
prohibition introduced in 1665 and a rule was released for the subjects in the
countryside one year later. However the dancing in the countryside was noticed
as a problem long before, which maybe is one of those many hints, that the
regulations by the magistrate had little impact on the situation. The rulers
especially observed the servants and how they behaved. Weddings were a crucial
event, perhaps especially because they were unthinkable without dancing. It’s
typical for Imperial estates to obtain information from other estates, as Schwäbisch
Hall got it from Hohenlohe-Langenburg.
The police-regulation in 1703
prohibited dancing in general “in private and other houses” after 10 pm. Many
references of violations of these closing times in the administrative accounts verify
that this regulation was valid through the whole 18th century.
Schließlich drangen in Schwäbisch Hall nach dem
Großen Stadtbrand von 1728 die Pietisten mit ihrer Forderung im Rat durch das
Tanzen an Werk- und Sonntagen zu verbieten[9].
Hintergrund war, dass sich offensichtlich der Pietist Nikolaus David Müller im
Rat durchsetzen konnte, der sich seinerseits etwa auf Franckes „Schriftmäßige
Lebensregeln“ stützte, die beschrieben, dass auf „kurtzweilige Actiones“ wie
u.a. das Tanzen größere Sünden folgen würden[10]. Der
Rat versuchte zwar die sicherlich berechtigten Forderungen nach einem
finanziellen Ausgleich der durch dieses Verbot betroffenen Stadtmusikanten
durch eine Zulage zu berücksichtigen, doch dennoch baten die Musikanten 1730, „daß man Ihnen wieder gnädig erlauben [wolle]
… zum Tanz geigen zu dörfen, in deme ihre
Nahrung anderergestalten gar sehr nothleiden dörfte“. Die Bitte wurde zwar
abschlägig beurteilt, aber auch nicht in der von Müller geforderten Härte gegen
die Übertretung des Verbots vorgegangen. Müller dachte sogar über ein Verbot
des Abendmahls für diejenigen, welche dennoch tanzten nach und befragte
Zinzendorf zu seiner Meinung darüber[11].
Finally the Pietists were successful
in the council in prohibiting dancing on working days and Sundays after the
great fire in 1728. Reason was that Nikolaus David Müller managed to prevail,
who could support himself on Francke’s written rules of life, which described
that great sins would be the result of such diverting actions like dancing.
The council tried to satisfy the
justified demands of the musicians in paying some compensation, however the
local musicians requested in 1730: “would they be so merciful to allow them to play
the violins again for dancing, as they fear to get not enough for their food”.
The magistrate refused the demand.
But the council didn’t act with such hardness against the violation of the ban
as Müller wished it. Müller even thought about to refuse the communion for
those who danced nevertheless and asked Zinzendorf for his opinion.
Tanz im Steigengasthaus, rechts die Musikantenempore - dancing in the tavern, the gallery for the musicians at the right (Foto: Stefan Winter) |
Im Laufe des 18. Jahrhunderts nach dem Tod Müllers
1741 finden sich dann keine Hinweise auf das Verbot mehr, sondern wieder die
üblichen Übertretungen der Vorgaben bezüglich der Beschränkung auf bestimmte
Tage beziehungsweise das zu lange Tanzen und Feiern insbesondere an Hochzeiten.
1775 etwa wurde einer der Schultheißen von Bubenorbis dafür belangt, da er in
seiner Anwesenheit die Hochzeitsgesellschaft hatte bis 2 Uhr in der Früh
weitertanzen lassen. 10 Uhr Abends, als sein Amtskollege ging, wurde zu dem
Zeitpunkt offenbar als angemessenes Ende eines Tanzes angesehen[12].
Dies ist von daher bemerkenswert, das die
Vorschrift von 1703 das Tanzen ohnehin nur für die Zeit „gleich nach dem
Kirchgang / ehe man zu Tisch sitzt / und nach dem ersten biß zum andern Gang
erlaubt“[13].
During the oncoming 18th century
after Müller’s death in 1741 I found no evidence of the ban again, but I found
the typical violations of the regulations concerning the days or the length of
dancing especially at weddings. In 1775 for example a Schultheiss of Bubenorbis
was punished, because he allowed a wedding assembly to dance until 2 a.m.. 10
o’clock, wenn his colleague left the assembly was most probably viewed as the
adequate time to finish the dancing.
This is remarkable as the regulation
of 1703 the dancing “allowed immediately after the church before the assembly
went to the table and after the first course and before the next”.
Text: André Hanselmann
Foto: Stefan Winter
[4]
Verbot von Tänzen auf dem Land 1634, in Sammlung von Statuten und Ratsdekreten
(II), Stadtarchiv Schwäbisch Hall, Sig. 4/0494
[5]
1670, fol. 132-133 Sammlung von Statuten
und Ratsdekreten (I), fol. 81, Stadtarchiv Schwäbisch Hall, Sig. 4/0499
[7]
Kirchenzucht in Stadt und Amt Ingelfingen, hier Trinkgelage und Tanzen an Sonn-
und Feiertagen, 1703, Stadtarchiv Schwäbisch Hall, Sig. HV AS/188
[8]
„Von Schwermereyen / mit Unfug auf den Gassen / und an anderen Orten“ in „Erneuerte
Polizeyordnung … Schwäbisch Hall“ bei Georg Michael Meyer, Schwäbisch Hall,
1703, S. 59
[9]
Heike Kraus-Schmidt: „Nikolaus David Müller – Vom Leben eines Pietisten in
Schwäbisch Hall in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts“ Thorbecke,
Schwäbisch Hall, 1997, S. 67
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