Montag, 18. November 2019

"Zwingli - Der Reformator" / "Zwingli" (2019)








Schweiz/Swiss, 2019, Regie/Director: Stefan Haupt


(Text in English below)

 

Wie schon angekündigt wird es hier immer mal wieder, wenn es sich anbietet Filmrezensionen geben, falls der Film zu einer unserer Veranstaltungen passt und auch irgendwie etwas über die Geschichte vermitteln soll. „Die Nonne“ (Regie: Guillaume Nicloux, 2013) würde da beispielsweise hinein passen, „Porträt einer jungen Frau in Flammen“ (Regie: Céline Sciamma, 2019) m.E. nicht.

Besonders stark hat mich in letzter Zeit die Auseinandersetzung von Brandon F. auf seinem Youtube-Kanal über den Film „Culloden“ (1964) von Peter Watkins geprägt. Hier unterstrich Brandon F. gekonnt wie ein Film, der in zahlreichen Ausstattungsdetails vielleicht daneben liegt, doch in seinem Ausdruck authentische Eindrücke vermitteln kann.

Warum aber nun „Zwingli – Der Reformator“? Zwingli war eine der entscheidenden Figuren der Reformation im deutschsprachigen Raum. Ebenso wie der Haller Pfarrer Brenz stand auch Zwingli im Kontakt mit Luther und prägte das sogenannte konfessionelle Zeitalter – die Zeit der Reformation bis weit ins 17. Jahrhundert. Die reformierte Bewegung hat in Deutschland erhebliche Spuren hinterlassen und mit dem Übergang der pfälzischen und brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III., der Fromme (1515-1576), und Johann Sigismund (1572-1620) teilweise selbst zu einer Entfremdung der Herrscherhäuser gegenüber den von den Landesherren zum lutherischen Bekenntnis geführten Untertanen geführt. In Schwäbisch Hall gab es ähnlich wie in Sachsen unter Christian I. und Christian II. den Versuch das reformierte Bekenntnis durchzusetzen, welches in den Schnecken’schen Unruhen Anfang des 17. Jahrhunderts gipfelte[1].

Ein kleiner persönlicher Grund mag sein, dass ich selbst in einer Produktion des Regisseurs Peter Prestel schon als ein Reformator, nämlich als Johannes Brenz aufgetreten bin.

Wie würde die Schweizer Produktion also schaffen das Leben des bedeutenden Theologen Huldrych Zwingli (1484-1531) widerzugeben?




Die Handlung erstreckt sich von Zwinglis (Max Simonieschek) Eintreffen in Zürich 1519 bis kurz nach seinem Tod in der Schlacht bei Kappel am Albis 1531. Von Anfang an schlägt Zwingli die Skepsis vieler Zürcher entgegen, da er die Bibel auf Deutsch vortragen und erläutern will. Sofort begegnet er der Witwe Anna Reinhart (Sarah Sophia Meyer). Diese empfindet erst ein Zutrauen zu Zwingli als dieser die Stadt anders als die anderen Geistlichen nicht wegen einer Pestepidemie verlässt, sondern weiterhin den Menschen Trost spendet. Das Wurstessen bei Froschauer (Philipp Stengele) wird zu einem Schlüsselereignis, als sich der Rat unter Führung des Bürgermeisters Röist (Stefan Kurt) dagegen verwahrt gegen Zwingli, der nur anwesend war aber nicht mitaß, vorzugehen. Die Disputation mit Zwingli und seinen Anhängern auf der einen und Johann Faber (Oscar Bingisser) und den katholischen Chorherren um Hofmann (Andrea Zogg) auf der anderen Seite verläuft zu Gunsten Zwinglis und der Rat erklärt sich für den Reformator. Im Mittelpunkt des Films aber steht Zwinglis Verhältnis zu Anna Reinhart, die eine Beziehung mit Zwingli beginnt und unter Druck gerät, als sie von ihm schwanger wird, während Zwingli noch versucht vom Konstanzer Bischof die Erlaubnis zur Ehe zu erlangen. Doch dieser Bischof (Ueli Jäggi) wird bald zum erklärten Gegner Zwinglis, der es unterdessen mit den radikaleren Wiedertäufern um Felix Manz (Michael Finger) zu tun bekommt, der schließlich ertränkt wird. Als der Bischof Verbündete für einen Krieg gegen Zürich um sich schart, versucht auch Zwingli durch einen Ausgleich mit Luther Städte in Deutschland und in Verhandlungen Basel, Bern und andere eidgenössische Städte für sich zu gewinnen. Doch letztlich müssen die Zürcher allein in die Schlacht ziehen aus der ihr Reformator und  Annas ältester Sohn nicht zurückkehren sollen.


Funktioniert „Zwingli – Der Reformator“ als Film? Ja, ich denke schon. Der Film ist auch ohne internationale Stars durchaus auf Augenhöhe mit „Luther“ (2003), der mit Joseph Fiennes, Alfred Molina und Peter Ustinov auf ein Spitzenensemble bauen konnte.

Das Problem ist bei jeder Verfilmung einer solchen Biographie, dass die Handlung nicht in endlosen theologischen Debatten erstirbt. Die Disputation Zwinglis mit Manz wurde daher wohl komplett weggelassen bzw. auf eine persönliche Aussprache reduziert.

Ein großes Problem ist wohl, dass der Aufwand eines Historienfilms für die Schweizer Produktion etwas zu viel war. So bekommt man praktisch keinerlei Schauwerte zu sehen. Alles womit der Film optisch zu punkten versucht ist eine PC-Animation Zürichs von einer Seite. Sonst spielt der Film entweder in engen Gassen, der Kirche oder Innenräumen. Gerade als am Ende vom Kriegszug die Rede ist, bekommt man keinen Eindruck von dem Ereignis. Man sieht eine Marschsäule und das war es.
Die Ausstattung ist leider doch sehr mau. Die Kostüme der meisten Figuren bestehen aus einem eigenwilligen Mix aus Tuch und Leder. Aaaah! Verschiedene Experten im Netz haben schon darauf hingewiesen wie es doch stört, wenn Kleidung oder Rüstungen einfach keinen Sinn ergeben. So auch hier mit Kleidungsstücken der Leute auf der Straße, die mit Hanfschnüren irgendwie zusammengehalten wird. Warum aber tragen fast alle Charaktere eine Farbpalette von Grau oder Braun? Hat noch niemand die Farbigkeit der spätmittelalterlichen Kleidung registriert? Und wenn man von Söldnern spricht, warum sieht man denn keine? Keiner der Soldaten im Film sieht irgendwie aus wie ein Schweizer Reisläufer[2]. Warum hat Zwinglis Gattin nur ein „Kleid“? Warum laufen viele im Winter hemdsärmelig rum? Hätte man auf die Reenactmentszene in der Schweiz zurückgegriffen wie einige Dokuformate mittlerweile in Deutschland, wäre der Film optisch sicherlich ansprechender geworden. Ganz zu schweigen von dem Vorteil, dass die Kleidung einfach authentischer gewirkt hätte.


Was mich aber wohl am meisten störte war, dass laufende „Hallo!“. Natürlich muss man nicht gestelzt versuchen die Sprache von damals zu verwenden, wenn das dann kein Zuschauer versteht. Aber wenn die Charaktere immer „Hallo!“ rufen, ist das doch irgendwie arg anachronistisch.


 Ein Pluspunkt liegt meines Erachtens bei den Schauspielern. Max Simonieschek macht seine Sache ganz gut und auch Sarah Sophia Meyer schafft es behutsam in ihrer Rolle zu überzeugen. Einzig die Gegenspieler fand ich etwas arg blass, was aber auch an den farblosen Szenen lag, die sie bekamen. Das hat man einfach schon hundertmal gesehen, dass die fiesen Schurken fressend oder saufend nebenbei die Entscheidungen treffen. Man merkt einfach nicht, dass dem Bischof und seinem Gefolgsmann Faber die Gefahr bewusst wird, die da auf sie zukommt.
Insgesamt ist „Zwingli – Der Reformator“ eine solide Arbeit ohne tiefere Einblicke zu gewähren. Ganz selten kommen Momente des Zweifelns auf, aber es gibt eigentlich kaum innere Konflikte oder Entwicklungen der Figuren, was dem Film doch die Spannung nimmt. Die Beziehung Zwinglis zu Anna ist einfach nicht tragfähig für einen Spannungsbogen. In Deutschland wäre der Film wohl als TV-Produktion durchgegangen. In der Schweiz zählt er zu den 20 erfolgreichsten Filmen der letzten 40 Jahre[3]. Man kann es sich anschauen. Vor allem, wenn man keine Ahnung von der Schweizer Reformation hat, bekommt man vielleicht einen Impuls sich näher mit der Person Zwinglis und seiner Mitstreiter zu beschäftigen.

 
Plakat am Friedrichsbau Kino in Freiburg.




As I had mentioned before, we will post here occasionally some reviews of actual films, if they have some connection with our events and if they reflect some interesting history. “La Religieuse” (d: Guillaume Nicloux, 2013) for example would fit into the frame and “Portrait de la jeune fille en feu” (d: Céline Sciamma, 2019) imho would not.

The reflections of Brandon F. on his youtube-channel about Peter Watkin’s “Culodden” (1964) impressed me very much. Brandon F. managed perfectly to underline the authentic impact of the film, even when the equipment in many parts was not authentic.

But why “Zwingli”? Zwingli was one of the leading figures of the reformation in the German speaking area. He had communication with Luther like Johannes Brenz , the pastor of Hall did, and shaped the age of confessionalization – the time just into the 17th century. The Swiss reformation movement had left vastly traces in Germany. The conversion of the Palatine and Brandenburg electors Frederick III, the Pious (1515-1576), and Johann Sigismund (1572-1620) effected some sort of alienation of the rulers to their Lutheran subjects which where before led by them into the reformation. Comparable like in Saxony under the electors Christian I. and Christian II., there was an attempt to introduce the Calvinist confession in Schwäbisch Hall, which concluded in the Schnecken-riots during the beginning of the 17th century.

A small personal reason is that I acted as the reformer Johannes Brenz in a production by the director Peter Prestel.

How would the Swiss production manage to reflect the life of the important theologian Huldrych Zwingli (1484-1531)?
 


The plot extends from Zwingli’s (Max Simonieschek) arrive in Zurich 1519 until shortly after his death in the battle of Kappel at the Albis in 1531. From the beginning Zwingli is confronted with a lot of skepticism of many of the Zurich, because he wants to read the bible not only in German but explain the book. He immediately meets Anna Reinhart (Sarah Sophia Meyer). She got more confidence in him, when all other priests leave Zurich during the plague and he stays to administer consolation to the people. The Affair of Sausages at Froschauer’s home became a crucial event, when the magistrate, led by mayor Röist (Stefan Kurt), refuses to act against Zwingli. The disputation of Zwingli and his followers on one side and Johann Faber (Oscar Bingisser) and the catholic canons around Hofmann (Andrea Zogg) on the other develops in Zwingli’s success. The magistrate decides in favor of Zwingli. The focus of the film clearly is on Zwingli’s relations with Anna Reinhart, who get problems when she becomes pregnant. Meanwhile Zwingli still wants to negotiate with the bishop of Constance hoping for the right to marry her. But that bishop (Ueli Jäggi) soon becomes Zwingli’s major opponent. On top of that Zwingli has his problems with the more radical Anabaptist Manz (Michael Finger), which becomes drowned by the town’s guards. When the bishop gathers allies around him for war against Zurich, Zwingli tries to achieve a collation with Luther and by the way wants to win German towns and negotiates with Swiss federal towns like Bern and Basel too. But finally the Zurich troops have to march alone into battle, which Zwingli and Anna’s oldest son should not survive.

 Does “Zwingli – Der Reformator” work as a film? Yes, I think so. Even without any international stars the film is on eye level with “Luther” (2003), which could rely on famous actors like Joseph Fiennes, Alfred Molina and Peter Ustinov.

The main problem of such a biography, that the plot doesn’t die in endless theological debates. Maybe the disputation of Zwingli with Manz was abandoned because of such reasons or reduced to a personal talk.

I had the impression that the outlay for such a historical film was too large for a Swiss production. The viewer can’t see any scenes of splendor or eye candy. A PC-animation of one side of Zurich is all, which the viewer gets. Narrow alleys the church and rooms are the places, where nearly all of the actions are. Especially at the end of the film, when a campaign is mentioned, the viewer doesn’t get an impression of the enterprise. You see a small group of marching men and that’s it.
The equipment is really meh. The costumes of many figures are created from a mixture of leather and wool. Aaah! Different experts on the internet frequently mentioned the problem, if garments or armory just doesn’t make any sense. Such as some garments on people in the streets of Zurich, which are attached together with strings of hemp or something similar. Why nearly all characters have clothes in different shades of brown and grey? Nobody recognized the contemporary love for colourful clothes? They are talking about mercenaries. But why you can’t see any? Nobody of the soldiers in this film is looking like a Swiss “Reisläufer” (mercenary). Why Zwingli’s wife has one “robe” only? Why many are walking around showing the sleeves of their shirts even in winter? However I don’t want to go in too much detail, criticizing all the wrong equipment. I suggest that the look of the film would have been much better, if the producers would have asked reenactors, as several German documentaries did. Not to speak about the factor, that the garments would look more authentic.

But what made me especially mad was, when the characters frequently said “Hallo!”. Naturally the contemporary language is maybe not to everybody’s taste. But even if you don’t use it, you could prevent to let say everybody “Hallo!”, which just sounds too wrong and anachronistic. 

Nevertheless I want do the film some credit for the actors. Max Simonieschek did his job well and Sarah Sophia Meyer managed to satisfy in her role by her careful acting. Only the opponents were too faint, which was however caused by their boring scenes. We had sawn it maybe for a hundred times before, that the villain are eating and boozing, while they are planning their next steps. You just don’t get the impression that the bishop and Faber would realize the danger, which they will have to face.
In total “Zwingli – Der Reformator” is a solid work, without offering intimate views into the conflict. The moments of doubts are rare. There are too few inner conflicts and evolution of the characters. Therefore the whole plot isn’t exciting. The relation of Zwingli and Anna is just not enough for a good tension. In Germany the film would maybe have served as a TV-production. In Switzerland the film was noted as one of the 20 most successful films for the last 40 years. You can watch it. Especially if you have no idea about the Swiss reformation, you maybe will get the impulse to read about Zwingli and his followers.


 

Text: André Hanselmann

Fotos: André Hanselmann

    



[1] Siehe Krüger, Eduard: "Schwäbisch Hall - Ein Gang durch Geschichte und Kunst" Eppinger Verlag, Schwäbisch Hall, 1967, S. 57
[2] Vgl.: Douglas Miller / John Richards: „Landsknechte 1485-1560“ Siegler, 2013 (eine Übersetzung von zwei Bänden des Osprey-Verlages)
[3] Quelle: Filmdatenbank ProCinema 8. August 2019

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