Montag, 15. Januar 2024

Schwäbisch Hall im Krieg / in war 1734 P 2

Diesmal soll es um das große Lazarett in der Reichsstadt Schwäbisch Hall gehen, das im Zuge des Polnischen Thronfolgekrieges eingerichtet wurde.

This time it will be about the large military hospital in the imperial city of Schwäbisch Hall, which was set up in the course of the War of the Polish Succession.

 

Von der großen in Heibronn lagernden Armee wurden zahlreiche Kranke im September 1734 nach Hall geschafft. Doch wie kam es dazu? Die Tage vor der Ankunft der Kranken waren durch emsige Betriebsamkeit im Rat gekennzeichnet. Nachdem man von dem Vorhaben erfahren hatte das "Oppenauer Feld-Hospithal" nach Hall zu verlegen, wurde der Amtmann Bötzen dem Kriegskomissar Leitzen entgegen geschickt um diesen daran zu hindern sogleich den Transport der Kranken zu veranlassen. Stattdessen sollte Leitzen zuerst die in Frage kommenden Gebäude in Augenschein nehmen. Der Magistrat der Reichsstadt bestimmte eine Komission, welche sich die beiden Armenhäuser, die Kaserne und andere Häuser untersuchen sollte. Fachliches Urteil konnte man von den beiden Baudeputierten und dem Spitalpfleger erwarten. Prinz Eugen hatte neben einigen Schreiben auch einen Juden namens Le Badro geschickt, der für das Brot der Kranken sorgen sollte [1]. Die Absicht des Haller Magistrats wurde allerdings vereitelt, da bereits der Transport bestellt gewesen sei wie Bötzen im Gespräch mit Leitzen in Heilbronn erfuhr. Die erste Etappe sollte von der Kurpfalz, die zweite von der Ritterschaft und die letzte von den Hohenlohern und Hall selbst bewerkstelligt werden. Hall sollte 50 Ochsen als Zugtiere stellen. Dies konnte Bötzen gegen Zahlung von 600 Gulden abwenden. Man kann hier vermuten, dass für die Stadt organisatorisch unmöglich war 50 Ochsen aufzutreiben, da im Jahr 1732 eine Viehseuche auf dem Land grassiert hatte [2]. Der erste Transport bestand in nicht weniger als 195 "Wägen". Bötzen schätzte in seinem Schreiben aus Heilbronn die Zahl der kranken Personen sogar auf 2.200(!) [3]. Die von Bötzen berichteten Schanzarbeiten in Heilbronn von 1734 sind in den letzten Jahren auch archäologisch untersucht worden [4].

Numerous sick people from the large army camped in Heibronn were brought to Hall in September 1734. But how did it happen? The days before the arrival of the sick were marked by busy activity in the council. After learning of the plan to move the "Oppenauer Feld-Hospital" (Oppenau field hospital) to Hall, bailiff Bötzen was sent to meet War Commissioner Leitzen in order to prevent him from immediately arranging for the patients to be transported. Instead, Leitzen should first examine the buildings in question. The magistrate of the imperial city appointed a commission to examine the two almshouses, the barracks and other houses. One could expect professional judgment from the two construction deputies and the hospital nurse. In addition to a few letters, Prince Eugene had also sent a Jew named Le Badro to provide bread for the sick [1]. However, the Hall magistrate's intention was thwarted because the transport had already been ordered, as Bötzen learned in a conversation with Leitzen in Heilbronn. The first stage was to be accomplished by the Electoral Palatinate, the second by the knighthood and the last by Hall himself. Hall was supposed to provide 50 oxen as draft animals. Bötzen was able to avert this by paying 600 guilders. One can assume that it was organizationally impossible for the city to find 50 oxen because a cattle epidemic was rampant in the countryside in 1732 [2]. The first transport consisted of no fewer than 195 “wagons”. In his letter from Heilbronn, Bötzen even estimated the number of sick people at 2,200(!) [3]. The entrenchments in Heilbronn from 1734 reported by Bötzen have also been archaeologically examined in recent years [4].


Die Comburg heute. 1734 Sitz eines Adeligen Riterstifts. - The Comburg today. In 1734 it was the residence of a noble Ritterstift. (photo: Michael Leyendecker)


Bemerkenswert ist eine Episode vom 6. September 1734. Als der Kriegskomissar die Stadt geführt von einer Ratsdeputation besichtigte um die Tauglichkeit der Bauwerke für die Unterbringung der Kranken zu bewerten, ging er auch nach Comburg. Dort fragte er an, ob er nicht das Spital des Ritterstifts besichtigen durfte. Aber ein Vertreter des Stiftes entgegnete zu Leitzen, ob er dazu irgendeine Ordre von seinem Vorgesetzten habe, die Leitzen aber nicht vorweisen konnte, weshalb ihm die Bitte recht unhöflich abgeschlagen wurde. Leitzen wurde davon überzeugt, dass man einen Teil der Kranken auch auf den Dörfern zwischen Übrigshausen [5] und Münkheim verteilen könnte, wenn die vorgesehenen Gebäude in Hall nicht ausreichten [6]. Seltsamerweise wurde im Rat mehrfach debattiert in welche Häuser man die Offiziere und Unteroffiziere legen würde - wohl da man sie mit den gewöhnlichen Soldaten nicht zusammen einquartieren konnte [7]. Viel schlimmer war aber scheinbar die Situation am 7. September, als der 2. Transport bereits ankam und die Hälfte der Kranken unter freiem Himmel in Unterlimpurg "liegen geblieben". Diese Kranken sollten mit einer "Diät" von "Brodt u[nd] Fleischbruch" versehen werden. Die Offiziere rieten dazu diese Kranken nicht über eine Stunde Weges von Hall entfernt auf dem Land unterzubringen. Ein Problem war der Mangel an Stroh auf welche man die armen Kranken betten musste. Vom Hospital-Pfleger Ludwig wurden 200 "Büschel" Stroh aus dem Teuershof angeboten. Der Rat beschloss 1.000 Büschel Stroh und 50 Zentner Heu ins Amt Schlicht zu liefern. Den Bauern sollte befohlen werden in allen Ämtern das Getreide zu dreschen um Stroh zu gewinnen. Das Problem mit den nicht einquartierten Kranken sollte rasch behoben werden wozu man die Werkhäuser, Ziegelhütte und weitere Gebäude herrichten wollte. Die Verteilung der übrigen Kranken ins Amt in der Schlicht sollte von Amtmann Bötzen übernommen werden. Von den Offizieren und Chirurgen für das Lazarett begehrte man vom berühmten Prinz Eugen, dem "General Nesselrod" [8] und dem Herzog von Württemberg sowie Bevern [9] Attestate. Einen Ratsherr Schaffner, den Ratsconsulent Dr. Arnold und den Amtmann Wibel, so Arnold unabkömmlich sein sollte, wollte man zum Oberkommando schicken um mit diesem über das Lazarett zu verhandeln. Die Stadt hat mit einem Juden namens Lemle am 8. September wegen 1.000 Scheffel Hafer gesprochen. Doch hielt man 2 Gulden (wohl pro Scheffel) für recht teuer und wollte sich in der "Nachbarschafft" erkundigen, ob man woanders her nicht günstiger versorgt werden konnte. Passenderweise und als ob der Probleme nicht genug waren, hat der Pfleger Herr Stier anfragen lassen, ob der Rat von Hall für das Futter der Pferde der Offiziere im Lazarett aufkommen wolle und deren Holz ebenfalls bezahlen würde. Gezwungenermaßen beschloss man auch das noch zu liefern, hoffte aber dafür vom Oberkommando der Armee entschädigt zu werden [10].


Karte der Gegend um Hall mit den Stationen der Krankentransporte: Oppenau - Bretten ("Brettig") - Kupferzell - Hall. Eingezeichnet sind auch die wesentlichen Kampfhandlungen bis zum September 1734 [11]. - Map of the region of Hall and Swabia with the stops of the transports: Oppenau - Bretten ("Brettig" in the source) - Kupferzell - Hall. The important fightings until September 1734 are included [11]. (Karte copyright: André Hanselmann)



An episode from September 6, 1734 is noteworthy. When the war commissioner visited the city led by a council deputation to assess the suitability of the buildings for housing the sick, he also went to Comburg. There he asked if he could visit the knight's monastery hospital. But a representative of the monastery asked Leitzen whether he had any orders from his superior, but Leitzen couldn't show them, which is why his request was rudely refused. Leitzen was convinced that some of the sick could also be distributed to the villages between Übrigshausen [5] and Münkheim if the planned buildings in Hall were not sufficient [6]. Strangely enough, the council debated several times in which houses the officers and non-commissioned officers would be placed - probably because they could not be quartered with the ordinary soldiers [7]. But the situation was apparently much worse on September 7th, when the second transport had already arrived and half of the patients were left lying in the open air in Unterlimpurg. These patients should be provided with a “diet” from “Brodt und Fleischbruch” (bread and pieces of meat). The officers advised that these patients should not be accommodated in the countryside more than an hour away from Hall. One problem was the lack of straw on which the poor sick people had to be bedded. Hospital-Pfleger Ludwig offered 200 “tufts” of straw from the Teuershof. The council decided to deliver 1,000 bushels of straw and 50 hundredweight of hay to the Schlicht district. The farmers should be ordered to thresh the grain in all districts to obtain straw. The problem with the unaccommodated sick people was to be resolved quickly, and the workhouses, brickworks and other buildings were to be prepared for this purpose. The distribution of the remaining sick people to the "In der Schlicht"-district should be taken over by bailiff Bötzen. Of the officers and surgeons for the hospital, certificates were requested from the famous Prince Eugen, "General Nesselrod" [8] and the Duke of Württemberg as well as Bevern [9]. A councilor conductor, the council consultant Dr. Arnold and the bailiff Wibel, as Arnold was indispensable, were to be sent to the high command to negotiate with them about the hospital. The city spoke to a Jew named Lemle on September 8th for 1,000 bushels of oats. But they thought 2 guilders (probably per bushel) were quite expensive and wanted to ask the "neighborhood" whether they could get supplies cheaper elsewhere. Fittingly, and as if the problems weren't enough, the orderly asked Mr. Stier whether the Hall Council would pay for the food for the officers' horses in the hospital and also pay for their wood. Out of necessity, they decided to deliver that too, but hoped to be compensated for it by the army high command [10].

Österreichischer Husar in einer Uniform nach Gudenus (1734). Auf unserer Anno Domini 1743 Veranstaltung. - An Austrian hussar following a picture by Gudenus (1734) on our Anno Domini 1743-event. (photo: Janine Krämer, 2018)


In der Bürger-Schießhütte vor dem Riedener Tor, in den beiden Werkhäusern, in der (leer stehenden) Kaserne und in anderen Häusern in Unterlimpurg wurden die Kranken untergebracht. Die meisten von ihnen waren Konstable, Stückknechte, Husaren und andere Reiter. Eine Chronik berichtet von 600 Toten von 1.000 Kranken. Die Leichen wurden zu 8-10 Tote in einem Loch an verschiedenen Stellen rund um die Stadt verscharrt [12]. Die kranken Soldaten machten offenbar auch ihrerseits dem Haller Rat einige Sorgen. So wurde den Bürgern und Untertanen verboten den kranken Soldaten Geld zu borgen, ihnen ohne Wissen des in Unterlimpurg befindlichen Hauptmann "Döschen" Monturteile abzukaufen oder zuzulassen, dass sie bis nach 8 Uhr Abends in den Gasthäusern blieben. Das Entwenden von Obst und Gewächsen aus den Kräutergärten durch die Soldaten sollte unverzüglich dem Hauptmann angezeigt werden - war also wohl üblich [13]. Wenn man bedenkt wie schlecht manche Soldaten versorgt waren, überrascht der Obstdiebstahl nicht wirklich.

The sick were accommodated in the citizens' shooting hut in front of the Riedener Tor, in the two workhouses, in the (empty) barracks and in other houses in Unterlimpurg. Most of them were constables, hired men, hussars and other horsemen. One chronicle reports 600 deaths out of 1,000 sick people. The bodies were buried in groups of 8-10 in a hole in various places around the city [12]. The sick soldiers apparently also worried the Hall council. Citizens and subjects were forbidden to lend money to the sick soldiers, to buy military parts from them without the knowledge of Captain "Döschen" who was in Unterlimpurg, or to allow them to stay in the inns until after 8 o'clock in the evening. The removal of fruit and plants from the herb gardens by the soldiers should be reported to the captain immediately - so it was probably common practice [13]. Considering how poorly some soldiers were cared for, the fruit theft wasn't really surprising.

Ein fröhlicher Deserteur auf unserer Anno Domini 1757 Veranstaltung von 2017. - A still very happy deserter on our Anno Domini 1757 event in 2017. (photo: Janine Krämer, 2017)


Viele Flüchtlinge kamen in die Reichsstadt Schwäbisch Hall. Per Trommelschlag wurde im Mai 1734 verkündet, dass man die Kriegsflüchtlinge nicht durch überhöhte Hauszinsen belasten sollte [14]. Ebenso versuchte man mit Dekreten (wie vom 13. September 1734) der Preissteigerung in Folge der Lebensmittelknappheit durch den Krieg entgegen zu wirken [15].

Many refugees came to the imperial city of Schwäbisch Hall. In May 1734, it was loudly announced that war refugees should not be burdened with excessive house interest rates [14]. Attempts were also made to counteract the price increase as a result of the food shortage caused by the war with decrees (such as those issued on September 13, 1734) [15].

Insgesamt ist es interessant wie der Haller Rat wohl auch unter dem Einfluss des großen Stadtbrandes in Verlegenheit war, als das kaiserliche Oberkommando wegen der Einrichtung des Lazaretts anfragte. Die übliche Vorgehensweise des Magistrats die Gegenseite zu vertrösten und dadurch die Ereignisse zu verzögern konnte im Angesicht der Notwendigkeiten eines Krieges nicht gelingen. Unter dem Resultat des Hinauszögerns von Seiten des Rates mussten die armen Kranken leiden.

Overall, it is interesting how the Hall council was probably embarrassed, even under the influence of the great city fire, when the imperial high command asked about setting up the hospital. The magistrate's usual approach of putting off the opposing side and thereby delaying events could not succeed in the face of the necessities of war. The poor sick people had to suffer as a result of the Council's delay.

Vielen Dank für die rasch von Michael Leyendecker zur Verfügung gestellten Bilder der Comburg und Gelbinger Gasse 91 für diesen und einen weiteren Blogeintrag.

Many thanks for the pictures of the Comburg and Gelbinger Gasse 91 which were send to us very fast for that and more blog postings.


Text: André Hanselmann

Fotos: Janine Krämer, Michael Leyendecker

Karte: André Hanselmann


PS: Ich hatte wahrscheinlich eine Kritik des 2. Teils von dem Musketier-2-Teiler angekündigt. Constantin Film hat, wie ich jetzt gelesen habe, diesen im Dezember 23 gestrichen. Vielleicht waren die Einspielergebnisse in Deutschland anders als in Frankreich zu schlecht. Der Film soll direkt ins "Heimkino" kommen, was immer das auch heißt. Kein großer Verlust zumindest wenn man die angebliche Vorlage von Dumas mag.

PS: I probably announced a review of the second part of the Musketeer 2-parter. As I have now read, Constantin Film canceled this in December 2023. Perhaps the box office results in Germany were too poor, unlike in France. The film should come directly to the “home cinema”, whatever that means. Not a big loss, at least if you like Dumas' work which should be inspiring.


Notizen / Notes:

1) Ratsprotokoll 1734, hier 1. September, Stadtarchiv Schwäbisch Hall, Sig. 4/0343, S. 305f-306

2) Viehseuchen und Viehkrankheiten, 1732-1798, Stadtarchiv SHA, Sig. 5/1653, o. S.

3) Ratsprotokoll 1734, hier 3. September, S. 309f-310

4) Olaf Goldstein und Peter Wanner: "Heilbronn 1734/35 - ein spektakulärer Fund und sein historischer Hintergrund" in: Jenisch/Haasis-Berner/ Regnath/Konold (Hrsg.): "Im Krieg ist weder Glück noch Stern" Thorbecke, Ostfildern, 2021, S. 49-55

5) Nördlich von Hall. - North of Hall.

6) Ratsprotokoll 1734, 6. September, S. 311 f. – 312 f.

7) Ebenda S. 314 

8) Wohl der kaiserliche Generalfeldmarschall Johann Herrmann von Nesselrode (1671-1751). 

9) Wohl Feldmarschall Ferdinand Albrecht II. von Braunschweig-Bevern (1680-1735).

10) Ratsprotokoll 1734, 8. September, S. 315-317

11) Der Durchbruch durch die Ettlinger Linie fand am 4. Mai statt. Die Linie war zu dünn besetzt und wurde bei Schönbronn durch Hérouville durch etwa 15.000 Mann angegriffen. Schon am folgenden Tag räumte Prinz Eugen die Linie. - The breakthrough trough the lines of Ettlingen was on May 4th. The line was occupied poorly and was attacked by Hérouville with 15.000 troops. On the next day Prince Eugen ordered to evacuate the line. Gerba, S. 185-186

12) Schüler'sche Chronik, Stadtarchiv Schwäbisch Hall, Sig. HVHS90 S. 157 

13) Das hiesige Lazarett betreffend. In:  Sammlung von Statuten und Ratsdekreten (Tomus XII) Stadtarchiv Schwäbisch Hall, Sig. 4/0501, S.6-8

14) Sammlung von Statuten und Ratsdekreten (Tomus XII) Stadtarchiv Schwäbisch Hall, Sig. 4/0501, S. 1-2

15) "Die Aufkauffung Schmalzes Butter, Eyer seind deren Steigerung betr[effend]" in: ebenda S. 8-10

2 Kommentare:

  1. Fascinating stuff there Andre:). The Comburg looks wonderful from the photo. So much wonderul architecture and places to visit in Europe!

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    1. I'm so happy that Mr. Leyendecker send us this photo of Comburg castle. Nice to read your comment.

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