Dienstag, 9. Juni 2020

Hochbau im 18. Jahrhundert / Building construction in the 18th century


Das Thema Hochbau im 18. Jahrhundert ist ein derart facettenreiches, dass ich in unserem Blog ähnlich wie zum Straßenbau gewissermaßen nur an der Oberfläche kratzen kann. Ich selbst bin im Rahmen des Freiwilligen Jahres in der Denkmalpflege an verschiedenen Ausbildungsstätten wie im Kloster Johannesberg bei Fulda oder der Denkmalakademie Görlitz mit historischen Bautechniken in Berührung gekommen.


The topic of the construction of buildings is such a multifaceted, that I will only scratch on the surface as I did in my posting about the road building process. I myself became contacted with historical building technics during my “Freiwilliges Jahr in der Denkmalpflege” (Voluntary year in the preservation of monuments) in different training centers such as the Johannesberg monastery near Fulda and the Denkmalakademie Gorlitz.


Für unser konkretes Beispiel, das Steigengasthaus an der Roten Steige ist vor allem das Thema Fachwerk interessant. Es gibt zur Konstruktion und dem Bau selbst zahlreiche Bücher[1][2][3].

Man muss sich vor Augen führen, dass das Gebäude, das wir heute im Freilandmuseum Wackershofen sehen nicht gänzlich mit dem übereinstimmt wie es 1749 errichtet wurde. Der Tanzsaal von um 1800 ist eine für diese Zeit typische Ergänzung. Auf einem Schlussstein über der Eingangstür des Hauses prangt die Jahreszahl 1800.


For our special example, the tavern at the red steep road the topic of half-timbering buildings is interesting. There are many books about the construction and building process [1][2][3].
It’s important to notice that the building, as it is today in the open air museum Wackershofen, is not completely the same as it was built in 1749. The dancing hall from 1800 is a complement, which is rather typical for the period. On a keystone over the main entrance we can read the date 1800.


Wichtig für uns ist aber, dass auch die zahlreichen Beweisstücke des von mir intensiv untersuchten Prozesses zwischen Schwäbisch Hall und dem Erzbistum Würzburg wiederholt von einem völligen Neubau sprechen[4]. Die finanzielle Grundlage für den Neubau muss der florierende Wirtshausbetrieb[5] und eventuell weiteren Einnahmequellen gebildet haben.

Ich will kurz auf die verschiedene Aspekte anhand des Aussehens des Hauses selbst eingehen.

Das Steigengasthaus heute, Aufnahme 2011 (Foto: Michael Paulick)



It’s important for us, that in the trial between the archbishop of Wurzburg and Schwäbisch Hall, which I researched intensively, many documents are speaking about a completely new building [4]. The financial foundation for the building was constituted by the prosperous tavern [5] and maybe more sources of income.

I want to dive in more depth according to the several aspects of the look of the house itself.



Johann Conrad Körner: "Hall in Schwaben MDCCLV", Lavierte Tuschzeichnung. Der Ausschnitt zeigt Arbeiter im Steinbruch auf der westlichen Kocherseite. Archiv. (Foto: André Hanselmann)



Das Wirtshaus ist nur zu einem geringen Teil unterkellert. Im Keller lagerte im 18. Jh. der Wein. Ob auch andere Getränke damals dort eingelagert wurden, ist mindestens fraglich. Denn während des Übergriffs auf das Wirtshaus ist nur von Wein die Rede und auch die Umgeldrechnungen verzeichnen nichts anderes. Das Erdgeschoss ist aus Naturstein gemauert. Dieser musste wohl nicht von weit herangeschafft werden, denn die Stadt verfügte über einen Steinbruch auf der Michelfeld zugewandten Stadtseite, den man auch auf der detaillierten Stadtansicht von 1755 erkennen kann. Der Bau solcher Stockwerke aus Naturstein und das Behauen desselben erreichte eine qualitative und ästhetische Meisterschaft im 18. Jahrhundert. Dies war selbst auf den Dörfern augenscheinlich wie etwa am Kleinbauernhaus aus Zirndorf im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim mit einem schönen Giebel von 1803 erkennbar ist[6].


The tavern has only a partly cellar. The wine was lying in the cellar during the 18th century. It’s at least questionable if other drinks were stored. During the raid on the tavern only wine was mentioned and the tax accounts are listing wine only too. The ground floor was bricked with natural stones. These stones didn’t had a long way, as the town had a quarry on the side of the town, which is facing Michelfeld. The quarry is visible on a highly detailed picture of the town from 1755. The building of such a floor out of natural stones and the process of carving these stones reached a qualitative and esthetic mastery during the 18th century. This fact was noticeable even in a village. The small farmhouse from Zirndorf at the Franconian open air museum Bad Windsheim with its beautiful gable from 1803 is a very nice example for that [6].

Dorfmeister Gunkel auf einem Baumstamm auf unsere Veranstaltung "Anno Domini 1761 - Jauner, Streifen und Gasthäuser" 2011 (Foto: Michael Paulick)

Die Handwerker rechneten in der Frühen Neuzeit prinzipiell nach Gewerk ab. So kosteten in Linz 1624 beispielsweise 3 Fenster bei einem Steinmetz 33 fl[7]. Die Arbeiter an einer Baustelle setzten sich aus Handwerkern und den Tagelöhnern zusammen. Ein Tagelöhner bekam pro Tag im 17.Jh. beispielsweise 40 Pfennige[8]. Einen Architekt gab es für solche Bauten noch nicht. Selbst bedeutende Baumeister wie Johannes Seiz (1717-1779) stammten aus dem Handwerk. Seiz Vater beispielsweise war Maurer[9]. Maurer und Zimmerleute waren nachweislich im Amt Rosengarten ansässig. So gab es Mitte des 18. Jh. mindestens einen Zimmerermeister und vier weitere Zimmerleute sowie 3 Maurer. Die Zimmermänner waren oftmals nur Hausgenossen wie Johann Sprendel aus Rollhof[10]. Obwohl es heimische Bauhandwerker gab, wollte man ausdrücklich den Tiroler Zimmerleuten und Maurern „die Arbeit im Land nicht verwehren“, wenn sie dazu eine vom „Haubtmann“ „des Handtwercks“ „glaubhafften Schein“ vorweisen konnten, also die Genehmigung durch die städtische Zunft bekommen hatten[11]. Das Zunftwesen war in Hall präzise geregelt und die jeweiligen Zünfte wurden durch vom Magistrat gestellte Zunfthauptmänner überwacht[12]. Ein paar Handwerker am Steigengasthaus kennen wir namentlich: den Tiroler Maurermeister Antonis Wößmer, den Leoweiler Zimmerer Johannes Sandel und den Michelfelder Schreinergesellen Georg Michel Kettmann. Es waren aber wohl noch einige mehr auf der Baustelle wie eine Aussage Wößmers hervorgeht[13]. Es scheint, dass die Tiroler Bauhandwerker in einem besonders guten Ruf gestanden haben, weil sie mehrfach in Quellen auftauchen. Es ist interessant, dass der Bauherr Kircher selber beim Bau scheinbar nicht Hand angelegt hat. Jedenfalls taucht er in den zahlreichen Aussagen nicht als mitbauend auf. Es wäre interessant, ob es eine Art Bauleiter gab. Am ehesten käme dafür bislang der Tiroler Handwerksmeister Wößmer infrage.

Ein Baumstamm wird zugesägt auf der Veranstaltung Anno Domini 1761 (Foto: Michael Paulick)



The craftsmen settled up during the early modern period per product (Gewerk in German). Three windows made by a stonemason costed 33 florins in Linz 1624 [7].  Usually the group of workers was composed of craftsmen and day labourers.  A day labourer got 40 “Pfennige” per day in Linz during the 17th century [8]. An architect was not there already for such buildings. Even important builders like Johannes Seiz (1717-1779) were coming from the craft. Seiz’ father was a bricklayer for example [9]. Bricklayers and carpenters were resident in the Rosengarten district. There were at least one master carpenter, four carpenters and three bricklayers during the mid-eighteenth century. The carpenters often were “Hausgenossen” (housemates ?)  only like a Johann Sprendel in Rollhof [10]. Although there were these construction native workers, the administration didn’t banned “the work within the land” for Tirolian carpenters and bricklayers, if they could show a “believable certificate” by the “captains” “of the craft” [11]. That means that they had to have the permission by the town’s guild of their craft. The guild system was precisely regulated in Hall and the different guilds were supervised by special guild’s captains, which were posed by the Magistrate [12]. Some of the craftsmen at the tavern at the steep road we know by their names such as: the Tirolian master of bricklayers Antonis Wößmer, the carpenter Johannes Sandel from Leoweiler and the joiner Georg Michel Kettmann from Michelfeld. But there were more workers at the building area, as it is implicated by the testimony by Wößmer [13]. It seems that Tirolian building workers had a particularly good reputation, because they plop up repeatedly in the sources. It’s interesting that it seems that the client Kircher didn’t worked on the building site, as he is not mentioned working in the testimonies. It would be interesting, if there was a construction manager. Most likely the Tirolian master Wößmer comes into question.

Das Herstellen von Dachschindeln. Dachschindeln sind essentiell für das Decken der Dächer im 18. Jh.. Hier der erste Schritt. Aus einem Holzblock werden mit einem Beil schmale Brettchen heraus geschlagen. Hier der Wirt Gunkel auf unserer Veranstaltung "Anno Domini 1743 - Freud und Leid" (Foto: Michael Paulick)




Das Erdgeschoss verfügt heute über Stall, Remise und einen Eingangsbereich mit einer großen Luke, die zur Verbringung der Weinfässer in den Keller diente. Außerdem gibt es eine enge Treppe, die hinauf in eine große Kammer im Obergeschoss führte und die Schlafkammer mit dem Weinkeller direkt verbunden haben mochte. Eine breitere Treppe führte die Wirtshausgäste hinauf zur Schankstube. Das erste Obergeschoss und das Dachgeschoss sind in Fachwerk ausgeführt. Hier befanden sich Schankräume sowie eine große Küche. Nahe der Küche liegt ein kleiner Abort an der Rückseite des Hauses. Der Rauch zog durch einen gemauerten Schornstein ab. Typisch für Schankräume sind die zahlreichen großen Fenster, die schon damals verglast waren. Im Dachgeschoss befinden sich weitere kleinere Kammern sowie ein größerer Raum.

Im Juni 1749 waren die Handwerker auf jeden Fall schon mit dem Decken des Daches beschäftigt.

Das Material stellte einen wesentlichen Kostenfaktor dar. 2000 Mauerziegel kosteten in Linz 1624 16 fl, 2.500 Dachziegel 25 fl, 67 Fuder Sand 16 fl, 2 „Muth“ Kalk aus Enns samt Fuhrlohn 25 fl[14]. Johann Martin Kircher hat dem Amt Rosengarten 1749 50 fl für das Bauholz bezahlt[15].

Nicht nur durch den Einfluss auf die Zünfte überwachte der Haller Rat das Bauwesen. Es gab zahlreiche Dekrete, welche insbesondere die Brandgefahr reduzieren sollten. Die Polizeiordnung von 1703 enthielt eine umfangreiche Bauordnung. Diese enthält auch einen Passus welcher die Weitergabe der Arbeit eines beauftragten Handwerkers an Dritte – heute würden wir sagen Subunternehmer – untersagte[16]. Für das Bauwesen auf dem Land wurden ebenfalls Vorschriften erlassen. Während die älteren Dorfordnungen noch wenig umfangreich waren, umfasste die Anfang des 18. Jh. zahlreiche Artikel so auch zum Brandschutz und zum Bauen[17]. Bislang habe ich allerdings bei all der Regulierung durch den Rat eigentlich erstaunlich, noch keine Art Festpreise für bestimmte Bauleistungen gefunden.

Aus meiner Sicht, endlich mal wieder ein Beitrag, der ganz explizit mit diesem Blog zusammenhängt. Vielen Dank fürs Lesen und Teilen.

Die Brettchen werden auf Ziehböcken angeschliffen, dass sie in der endgültigen Form sind. Hier der Schultheiß Gunkel und sein Knecht Tillmann auf der Anno Domini 1743 Veranstaltung (Foto: Michael Paulick)



The ground floor includes today a stable, a „Remise“ (garage for coaches) and an entrance room with a large hatchway leading to the cellar, to bring the barrels of wine into the cellar. Besides there is a very narrow staircase leading to large chamber upstairs, maybe to connect the sleeping chamber of the innkeeper with the wine cellar. A wider staircase was built for the guests to reach the barroom upstairs. Upstairs and the attic were built in timbering. There were the barrooms and the kitchen upstairs. The lavatory is situated next to the kitchen at the backside of the house. The smoke runs through a chimney built of bricks. The large windows are typical for barrooms from the period and already had glass. There are smaller chambers and a bigger room in the attic.

In June 1749 the craftsmen were busy with covering the roof.

Material was a substantial factor of the costs. 2000 building bricks costed 16 florins at Linz in 1624, 2500 roof tiles 25 florins, 67 “Fuder” sand 16 florins and 2 “Muth” of lime from Enns 25 florins including the costs for transport [14]. Johann Michael Kircher payed 50 florins in 1749 for the building timber to the Rosengarten district [15].  

The building processes were not only overseen by the magistrate by their influence on the guilds. There were many decrees which should especially reduce the risk of fire. The police regulation from 1703 included an extensive building ordinance. These rules banned for example to hand over the work by a craftsmen who had the contract to another craftsmen [16]. Today we would say that subcontractors were forbidden. There were regulations for building in the territory too. Although older village orders were not extensive at all, these included at the beginning of the 18th century many articles on building and fire protection [17]. So far I didn’t found regulations by the magistrate to regulate the prices for building contracts, which is surprisingly to me, as they regulated so much.

From my point of view, finally a new posting which is dedicated explicitly to the topic of the blog. Many thanks for reading and sharing.




Text: André Hanselmann, Hilfe bei Übersetzung: Cecilia Hanselmann

Fotos: André Hanselmann und Michael Paulick



[1] Wilhelm Fiedler: „Das Fachwerkhaus in Deutschland, Frankreich und England“ Volker Henning, 1995
[2] Manfred Gerner: „Fachwerk: Entwicklung, Instandsetzung, Neubau“ Deutsche Verlags-Anstalt, 2007
[3] Walter Weiss: „Fachwerk: Bautradition in Mitteleuropa“ Fraunhofer IRB Verlag, 2018
[4] Prozess zwischen Schwäbisch Hall und dem Bischof von Würzburg und dem Dechant von Comburg (Staatsarchiv Stuttgart Sig. C3 Bü 1627) 
[5] Dazu auch: Sibylle Frenz: “War das Steigengasthaus ein Räubernest?”  in „ Mitteilungshefte des Vereins Hohenloher Freilandmuseum“ Bd. 16, Freilandmuseum Wackershofen, Schwäbisch Hall, 1995, S. 85
[6] Siehe dazu den schönen Giebel: https://freilandmuseum.de/besuch/haeuserinformationen/baugruppen/haus?tx_decihouses_houses%5Baction%5D=show&tx_decihouses_houses%5Bcontroller%5D=House&tx_decihouses_houses%5Bhouse%5D=41&cHash=9bbd8671a79deae3bdfa0bd580194df4 (abgerufen: 08.06.2020)
[7] Ludwig Rumpl: „Preise und Löhne im 17. Und 18. Jahrhundert“ in: „Jahrbuch des Oberösterreichischen Musealvereins, 1962, S. 330
[8] Ebenda
[9] Rheinland-Pfälzische Personendatenbank https://rpb.lbz-rlp.de/cgi-bin/wwwalleg/srchrnam.pl?db=rnam&recnums=0008196  (abgerufen 08.06.2020)
[10] Amtsrechnung Amt Rosengarten 1759/60, Sig. 4/4580
[11] „Hällischer Schultheißen Instruction auf dem Land“ Johann Heinrich Müller, Schwäbisch Hall, 1756, Artikel 13
[12] Beate Iländer: „Verfassung und Verwaltung der Reichsstadt Schwäbisch Hall vom Ende des Dreißigjährigen Krieges bis zum Ende der Reichsstadtzeit (1648-1806)“ F. Steinmeier, Nördlingen, 2001, S. 158
[13] Beweisstück 4, Prozess zwischen Schwäbisch Hall und dem Bischof von Würzburg und dem Dechant von Comburg (Staatsarchiv Stuttgart Sig. C3 Bü 1627) 
[14] Ludwig Rumpl, 1962, S. 330
[15] „Rechnung über Einnahm und Außgaab Amts Roßengarten Von Georgij Anno 1749 biß 1750.“ (Stadtarchiv Schwä-bisch Hall Sig 4/4570)
[16] „Ob ein Werck-Meister aus einem verdingten Werck stehen möge oder nicht“ in „Erneuerte Policey-Ordnung Des Heil. Reichs-Stadt Schwäbisch Hall“ Georg Michael Mayer, 1703, S. 104-106
[17] Hällische Landts- und Dorffsordnung Stadtarchiv Schwäbisch Hall, Sig. HV II/18




4 Kommentare:

  1. Encore une fois de très belles photos, dignes d'un merveileux passé oublié...ou presque!

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    1. Je suis heureux que tu aime notre photos. Maintenant je veux envoyer une E-Mail à toi. Il faut que je trouver votre contact.

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  2. Wackershofen looks like a great outdoor museum. Some of those buildings are just crying out to be made for the wargaming table. I've been to a similar museum at Cloppenburg in Lower Saxony. Cheers Greg

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    1. There are some buildings made for model trains in the German H0 scale such as the house of Zaisenhausen. Busch 1501. You may find some photos with soldiers in 1:1 scale in the open air Museum too.

      I knew a lot of nice open air museums, but I never was in Cloppenburg. Many thanks for the hint.

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