Dienstag, 26. Januar 2021

Der Frau Amtmännin Inventarium

Heute möchte ich mit den textilen Hinterlassenschaften einer weiteren Frau der Oberschicht der Freien Reichstadt Schwäbisch Hall fortfahren.

Marktszene in Schwäbisch Hall an der Michaeliskirche auf einer Stadtansicht von um 1750 (Detail). Man beachte auch verschiedenen einfache Kleidung der Staffagefiguren. (Beilage in Schauffele Chronik, SHA Stadtarchiv Sig. HV HS 89)

Sonntag, 24. Januar 2021

Frau Müllers schöne Kleider

 (English translation on demand)

Eine meiner liebsten Quellen für die Rechere der Kleidung sind Inventare. Sie geben anders als Abbildungen kein idealisiertes Bild ab und zeigen uns eine realistische Momentaufnahme der Besitztümer einer bestimmten Person, die recht klar zugeordnet werden können.

Ich beginne hier mit dem reichsten Inventar das ich im Stadtarchiv in Schwäbisch Hall gefunden habe[1]. Ironischerweise gehört es der Gemahlin des Herrn Müller[2], dem Vordenker der pietistischen Bewegung in Hall, der regelmäßig gegen Luxus und Prunk predigte. Er hatte auch maßgeblichen Anteil bei der Aufstellung der Kleiderordnungen vor allem ab dem Stadtbrand von 1728[3]. Seine Frau schien anderer Meinung als er zu sein. Während der Rat der Reichsstadt mit Dekreten und Kleiderordnungen vor allem aus ökonomischen Gründen[4] gegen den Import von Testilien vorging, kleidete sich Frau Müller auch im Vergleich zu anderen Hallerinnen  [5] auffällig in französischem Stil [6]. Sie war offenbar ungemein reich, erbte 1724 das Haus ihrer Eltern in der Unteren Herrengasse in Hall. Ein wenig schmeichelhaftes Zeugnis wurde über sie im Sterberegister hinterlassen: "Ihr xstenthum betreffend so kam sie gern ins Hauß Gottes, wie auch zu beicht und Heil. abendmahl, erkannte anbey ihre Fehler und sünden und hitzige Übereilungen. Gott suchte auch ihre Demüthigung in verschiedenen leiden und kranckheiten."[7]

Porträt der Eleonora Bühl (1724-1771). Sie wurde mit 16 Jahren mit dem Lebküchner und späteren Ratsherrn Johann Bernhard Bühl vermählt. Sie trägt wohl ein "deutsches" Kleid.

Donnerstag, 14. Januar 2021

Dienstboten im 18. Jh. / Servants during the 18th century T. 1/ p. 1

 Von Anfang an in meiner Karriere in der Zivildarstellung habe ich mich mit dem Thema Dienstboten beschäftigt. Es ist ein faszinierendes Thema. Wie fühlt es sich an einem anderen Menschen oder einer Familie zu gehorchen? Ist es ein einsames Dasein? Was ist daran vielleicht angenehm? Was stört am stärksten? Über etliche Jahre war ich in verschiedenen Dienstbotenrollen für verschiedene "Herrschaften" im 18. Jahrhundert und im Empire unterwegs.

Right from the start of my career in the civilian reenactment (living history) I have dealt with the topic of servants' lifes. It's a fascinating subject. How does it feel to obey another person or family? Is it a lonely existence to be a servant? What is pleasant about it? What is the most annoying? For several years I was on the road in various servant roles for different "masters" in the 18th century and in the Empire (period of the reign of Napoléon I).

Da wir uns meistenteils dieses Jahres nur in kleinem Rahmen treffen durften,
hatten wir keine "Dienstboten" oder dergleichen. Kleine Soupers ohne Domestiken 
tauchen aber in den Quellen immer wieder auf und erfreuten sich großer Beliebtheit. 
Unsere Kleidung passt in die 1780er Jahre. 
As we could not meet with more people for most of the year we never had "servants". Small soupers however were very much popular during the period as we know from several sources. Our clothes are typical for the 1780s.

Quellensuche / Research for sources

Von Anfang an standen wir der Problematik gegenüber, dass wir Quellen zum Leben der Dienstboten gesucht haben. Wie war der Tagesablauf eines Lakaien oder Reitknechts? Welche Arten von Quellen gibt es?

From the start we faced the problem of looking for sources on the servant's lives. What was the daily routine of a lackey or groom? What types of sources are there?

Sehr spannend sind natürlich Quellen aus erster Hand. Es gibt ja vereinzelt Dienstboten, die später über ihr Leben als Dienstboten berichtet haben. Ulrich Bräker fungierte beispielsweise in seiner Lebenserzählung zeitweilig als Laufbursche eines preußischen Werbeoffiziers[1]. 

Fast aus erster Hand sind Memoiren von Personen, die vielleicht selbst keine Dienstboten waren, aber nebenbei Dienstboten und ihr Verhalten kommentierten. Diese nach Aussagen über Dienstboten zu durchforsten kann mühsam sein. Erquicklicher ist es, wenn man einfach Notizen nebenbei macht, während man eh Tagebücher einer Person liest. Mir war beispielsweise in den Tagebüchern des Kammerherrn Graf Lehndorff aufgefallen, dass er wiederholt erwähnte, dass er zugegen war, wenn Kinder von Dienstboten getauft wurden[2].

First-hand accounts are of course very exciting. There are a few servants who later reported on their lives as servants. Ulrich Bräker, for example, acted temporarily in his life story as an errand boy for a Prussian recruiting officer [1]. 

Almost first-hand are memoirs of people who may not have been servants themselves, but who commented on servants and their behavior on the side. Sifting through these for statements about servants can be tedious. It's more refreshing if you just take notes on the side while reading someone's diaries anyway. For example, I noticed in the diaries of the chamberlain Count Lehndorff that he repeatedly mentioned that he was present when children of servants were baptized [2].

 

Freitag, 1. Januar 2021

Eine Schanze an Festung Königsstein - A redoubt at the Königsstein fortress

Der Aufgang zur Festung Königsstein. Man erkennt auf der rechten Seite des sich am Felsen entlang führenden Weges spitz heraus springende Befestigungswerke. (Leider ist ein ganzer Teil davon von dem Zelt verdeckt, das zur Registrierung der Festungsbesucher während der Corona-Krise im Oktober 2020 dort augestellt war.) - The stairway to the Königsstein fortress. On the right side of the path along the rock you can see fortifications jutting out to a point. (Unfortunately a lot is covered from you by the tent due to registrations of the visitors during the Corona-crisis in October 2020.)

 

 Man kann Schanzen nach verschiedenen Gesichtspunkten kategorisieren. Da wäre beispielsweise die Form - wie Stern- oder Rechteckschanzen - oder die Größe. Man kann aber auch ihre Funktion vergleichen. Die Franzosenschanze bei Freiburg gehört beispielsweise zu den nur für eine begrenzte Zeit konzipierten Feldbefestigungen. Solche Erdwerke spielten in der Frühen Neuzeit nicht nur innerhalb von Belagerungen sondern auch im Zuge von Feldschlachten eine große Rolle. Man denke beispielsweise an die zahlreichen Schlachten, die der Maréchal de Saxe vor der Schlacht bei Fontenoy anlegen ließ[1]. Daneben gab es dauerhaft konzipierte Schanzen zur Verstärkung von enorm großen Befestigungslinien wie der Lauterlinie, der Eppinger Linien oder der um 1700 besonders umfangreich betriebenen Linien auf dem Schwarzwald.





Das ist die Schanze um die es gehen soll. - The redoubt of that blog posting.

Und hier die Schanze von oben. Ein schöner Blick auf die herrliche Landschaft rundum den Königsstein im Hintergrund. - And here the redoubt looked from above. You have a nice look on the landscape around the Königsstein in the background.


You can categorize redoubts regarding different aspects. For example there is the shape - starforts or rectangular redoubts - or the size. But you can also compare the function. The French redoubt at Freiburg for example is one of the field fortifications that were only designed for a limited time. Such earthworks played a major role during the early modern period not only during sieges but also in the course of field battles. You should remember the large number of earthworks which were placed by the Maréchal de Saxe before the battle of Fontenoy [1]. In addition there were permanently designed redoubts to reinforce enormously large fortification lines such as the Lauter line, the Ettlinger line, the Epplinger line or the extensive lines on the Black Forest which were built around 1700.


Ein flüchtiger Blick auf das prächtige Wappen von Polen-Sachsen oberhalb von einem der Festungstore. - A short view on the impressive coats-of-arms of Poland-Saxony over one of the gates of the fortress.


 Einige Schanzen sind auch noch bis heute gut erhalten, wenn sie Teil einer größeren Festung waren, die als Baudenkmal irgendwann für bedeutend anerkannt wurde. So verhält es sich mit der Redoute, die den Eingangsweg zur Festung deckt und mir im Oktober an der Festung Königsstein in Sachsen ins Auge gefallen ist. Diese Schanze ist im Rahmen der Festungsgeschichte eher spät entstanden und war zu Lebzeiten August des Starken noch nicht vorhanden[2]. Auf dem Gemälde von Bernardo Bellotto "Ansicht der Festung Königsstein"  von 1756/58 [3] hingegen erkennt man deutlich eine eindrucksvolle Baustelle in der Bildmitte samt Baugerüsten und Bauarbeiten. Das Bild gibt wohl den Zustand wider, den Bellotto kurz vor Ausbruch des Siebenjährigen Krieges in Zeichnungen festgehalten hat. Man erkennt den enormen Aufwand zur Errichtung dieser Redoute, die sich heute harmonisch in die Landschaft einfügt, als sei sie in diese hineingebaut und nicht künstlich errichtet worden. Solche deckende Schanzen an besonders wichtigen Zugängen und ähnlichem waren im 18. Jahrhundert obligatorisch geworden. Ein schöner Vergleich bietet sich an der älteren und ungleich kleineren Hochburg an.

 

Das Gefecht bei Weißenburg 1744 (gespielt und fotographiert am 27. 12.2020). Vor der Straße auf dem gegenüberliegenden Ufer der Lauter hätte sich hin auf einen Höhenzug hinter Weißenburg die Lauter-Linie erstreckt. Die Befestigungslinie hat allerdings in dem Gefecht zwischen Seckendorff und Coigny gegen FML Nadásdy kaum eine Rolle gespielt, was den mittlerweile geringen Wert der Anlage unterstreichen mag. - The combat at Weißenburg in 1744 (played ant photographed on Dec. 27 2020). In front of the road on the opposit banks of the Lauter river would be the Lauter line running up onto some heights behind Weißenburg. The line of entrenchments didn't played a significant role in the fighting of Seckendorff and Coigny against FML Nadásdy which underlines the fact that it maybe had not much of worth.

 Some of these redoubts are still in a good condition to this day if they were part of a larger fortress that was recognized as a monument at some point in its history. So it is with the redoubt which covers the entrance way to the fortress and which caught my eye in October 2020 at the Königsstein fortress in Saxony. That structure was built rather late in the history of the whole fortress and did not exist during the lifetime of August the Strong [2]. In the painting by Bernardo Bellotto "View of the Königsstein fortress" from 1756/58 [3] however one can clearly see an impressive building site in the center of the picture including scaffolding and construction workers. The picture probably reflects the condition that Bellotto recorded in drawings shortly before the outbreak of the Seven Years War[4]. You can see the enormous effort involved in building this redoubt which today blends harmoniously into the landscape as if it had been built into it and was not artificially built. Such covering entrenchments at particiulary importante entrances and other points like that had become mandatory during the 18th century. A nice comparison is offered by the older and smaller smaller stronghold of the Hochburg.

Die Hochburg von Sexau kommend. Die unteren Mauern gehören zur Bastion Badenweiler und zur Bastion Baden. Links steigt das Gelände wieder an zum Hornwald. - A view at the Hochburg coming from Sexau. The lower walls are from the Badenweiler bastion and the Baden bastion. At the left the terrain is sloping up towards the Hornwald.   
Innerhalb der Hochburg. Hier die Treppe zur Oberburg genannt Eselsritt. Links ein mittelalterlicher Wohnbau und rechts der Kapellenchor mit angeschlossener Abortanlage. - Within the Hochburg. Here is the stairway to the higher castle so called "donkey ride". At the left the medieval residential building and at the right the chapel's choir with the attached lavatory.

 

Blick aus einem Wohnbau der Oberburg hinab gen Sexau. Im Vordergrund links die Burgvogtei mit Keller. Rechts im Hintergrund der Hornwald. - A view from one of the residential buildings at the higher castle towards Sexau. In the foreground at the left: the "Burgvogtei" with the cellar. At the right in the background: the Hornwald.