Freitag, 19. April 2024

Landleben 1624 - Ein gutes Jahr? / a good year? P2

Am Samstagmorgen konnte ich mich schon auf etwas gefasst machen. Die Söldner, die mir am Tag zuvor noch eine Salva Guardia [1] ausgestellt hatten, wollten nun Getreide einsacken. Sie zwangen mich dazu meine Vorräte zu dreschen. Dummerweise habe ich noch einen lahmen Arm und das gestaltete sich daher recht schmerzhaft, während mein größter Knecht in der "Küche" zugange war. Unter dem Schimpfen und Pöbeln der Söldner mussten wir also in meiner schönen Scheune dreschen. Ich war aber erleichtert als unsere liebe Wirtin den Knecht Johann herbei führte. 

Der Wirt ist in Nöten und wird vom Offizier zum Dreschen für die Fourage aufgefordert. - The innkeeper is in trouble and forced by the officer to thresh for fourage. (photo: M. Leyendecker)


On Saturday morning I was able to prepare myself for something. The mercenaries who had issued me a Salva Guardia [1] the day before now wanted to bag grain. They forced me to thresh my supplies. Unfortunately, I still have a lame arm and it was quite painful while my biggest servant was busy in the "kitchen". So we had to thresh in my beautiful barn under the insults and abuse of the mercenaries. But I was relieved when our dear landlady brought the servant Johann over.

Meine Knechte arbeiten in der Scheune und dreschen. - My servants are working in the barn and have to thresh. (photo: M. Leyendecker)


Der Fähndrich des bayerischen Fußvolks und sein Sergeant bestimmten, dass uns die Spießer beaufsichtigen und ein Auge auf das Getreide werfen sollten. Doch statt ihr Getreide und Stroh zu bewachen, stellten sie die Säcke einfach in meine Schankstube. Ich Narr hätte einfach einen Knecht oder eine Magd die Dinge beiseite schaffen lassen können. Aber damit wäre der schöne Plan meines Sohnes Essig gewesen und ich hatte mich ja Tags zuvor mit den anderen Gemeinsleuten am Riegel verabredet um dort einen Hinterhalt zu legen. So marschierten wir getarnt als Bautrupp zu viert mit Schubkarre und Werkzeug ab. Der Schlagbaum wurde aus der unweit gelegenen Kelter abgeholt. Die im Straßengraben liegenden Pfosten ließen sich auch mit viel Mühe nicht wieder in den Boden hinein treiben. Deswegen hatten wir nur einen sehr provisorisch anmutenden Riegel dieses Mal. Wir verkleideten uns mit Strohhalmen [2] als mansfeldisches Kriegsvolk - wie auch immer dieses unterdessen nach Schwaben eingedrungen sein soll [3]. Die Lunte an meiner Akebuse glomm aber verflixt schnell und aus "Leoweiler" kam nur der Landmann Jäger herbei, da die anderen Gemeinsleute ihren Kram am Wirtshaus verkaufen wollten. Zufälligerweise vertrödelten die Bayern aber die Zeit dermaßen, dass vor ihrem Aufbruch meine Nachbarn den Hohlweg auf ihrem Rückweg passierten und beschlossen sich mit ihren Stangenwaffen unserem Hinterhalt anzuschließen. 

Ein Teil unserer Nachbarn war mit ihren Waren unterwegs. - Some of our neighbours were on the road with their goods. (photo: S. Brandus)


The Bavarian infantry ensign and his sergeant decided that the Pikemen should supervise us and keep an eye on the grain. But instead of guarding their grain and straw, they simply put the sacks in my bar. I fool could have just had a manservant or maid take care of things. But that would have been my son Essig's nice plan and I had arranged to meet the other community members at the Rial the day before to set up an ambush there. So four of us marched off disguised as a construction crew with a wheelbarrow and tools. The barrier was picked up from the nearby wine press. Even with a lot of effort, the posts lying in the ditch could not be driven back into the ground. That's why we only had a very temporary bar this time. We disguised ourselves with straws [2] as Mansfeld warriors - however they are said to have penetrated into Swabia in the meantime [3]. The fuse on my acebus lit up extremely quickly and only the farmer Jäger came from "Leoweiler" because the other community people wanted to sell their stuff at the inn. As it happened, the Bavarians wasted their time so much that before they left, my neighbors passed the ravine on their way back and decided to join our ambush with their polearms.

Eine Marketenderin und die Wirtin waschen die Wäsche. - The sutler and my wife are making the laundry. (photo: Ulf Dahm)


Dummerweise roch der bayerische Sergeant aber Lunte und hatte nicht nur alle Söldner für den Transport der Fourage zusammen getrommelt sondern umging obendrein den Hohlweg, obwohl der Fuhrmann mit den Packpferden diese Straße vorschlug. So sahen wir uns doppelt getäuscht, als unsere Vorposten die Umgehung der Söldnerkolonne meldeten. Es hätte so schön werden können als Szene wie bei Vrancx [4]. Dummerweise entschlossen sich dann einige von uns die Söldner doch an einem anderen Ortseingang von "Leoweiler" aufzuhalten, wo wir gegen die Übermacht keine Chance hatten. Mein Ruf "Für Mansfeld oder tot!" taugte auch wenig. Ich floh mit einigen anderen durch den Hohlweg dem Wirtshaus zu, während des Sergeanten Muskete durch die Engstelle knallte.

Die Söldner mit einer Handmühle zum mahlen unseres Getreides. - The mercenaries with their small mill for grinding our grain. (photo: Ulf Dahm)

 


Unfortunately, the Bavarian sergeant smelled a match and not only got all the mercenaries together to transport the forage, but also bypassed the ravine, even though the teamster with the pack horses suggested this road. So we were doubly deceived when our outposts reported that the mercenary column had been bypassed. It could have been as beautiful a scene as Vrancx [4]. Unfortunately, some of us decided to stop the mercenaries at another entrance to "Leoweiler", where we had no chance against the overwhelming force. My cry "For Mansfeld or dead!" was also of little use. I fled with a few others through the defile towards the inn, while the sergeant's musket cracked through the narrow passage.

Einer der Bayern schoss uns hinterher als wir auf der Flucht waren. - One of the Bavarians shot when we were routed. (photo: S. Brandus)


Die leicht gerüsteten bayerischen Pikeniere bereit zum Marsch zum Wirtshaus. - The lightly equiped Bavarian pikemen ready for the march to the tavern. (photo: Ulf Dahm)

Unterdessen wurde die schmutzige Wäsche der Söldner in "Leoweiler" gewaschen. Dies lenkte möglicherweise diese Halunken dermaßen ab, dass einer meiner Knechte das abgeladene Getreide entführen konnte. Dummerweise fiel dem Knecht aber nichts besseres ein als dieses in meine Schankstube zu stellen, wo sich just in dem Moment wieder die Maketenderin aufhielt. Nun war guter Rat teuer und nicht nur das sondern auch die aufgebrachten Bayern unter ihrem Fähndrich waren im Anmarsch. Ich versuchte noch die Schankstube zu verbarikadieren [5]. Doch sie waren zu zahlreich und brachen herein, um mich in den Hof zu zerren. Hier warfen sie mir vor, ich hätte sie angegriffen um das Getreide zu erbeuten. Ich aber erwiderte, dass mich die Salva Guardia ja offenbar nicht vor den Mansfeldern beschützen könne, die ich gesehen habe. Außerdem irrten sie ganz gewaltig, da sie mir sagten, das Getreide sei oben in "Leoweiler". Denn ich sagte, dass das Getreide bei mir in der Schankstube bei ihrer eigenen Marketenderin stünde und wenn das falsch sei, möchten sich die Herren Ober- und Unteroffiziere vielleicht auch mit dem angeblichen Überfall getäuscht haben. Dadurch waren alle Beweise des Fähndrichs dahin und er ließ sich mit Freibier für sich und alle seine Männer beschwichtigen.

Die Söldner fragen mich aus wegen dem Scharmützel. - The mercenaries are asking myself because of the small assault. (photo: Stefan Winter, 2024)


Meanwhile, the mercenaries' dirty laundry was washed in "Leoweiler". This possibly distracted these scoundrels to such an extent that one of my servants was able to steal the unloaded grain. Unfortunately, the servant couldn't think of anything better than to put it in my bar, where the maketender was at that very moment. Now good advice was expensive and not only that, but also the angry Bavarians under their ensign were on the march. I tried to barricade the bar [5]. But they were too numerous and burst in to drag me into the courtyard. Here they accused me of attacking them to steal the grain. But I replied that the Salva Guardia obviously couldn't protect me from the Mansfeld fields that I had seen. Furthermore, they were very wrong because they told me that the grain was up in "Leoweiler". Because I said that the grain was in my bar with her own sutler and if that was wrong, the senior and non-commissioned officers might also have been mistaken about the alleged attack. As a result, all of the ensign's evidence was gone and he was appeased with free beer for himself and all his men.

 

Einer der angeblich in dem anderen Weiler befindlichen Säcke. Gleich werde ich mich mit Bier freikaufen. - I had one of the sacks which should be in the other hamlet. Soon I will get free by serving beer. (A.-K. Kemmer)

 

Ich schenke Bier aus. Damit bessert sich die Stimmung der Bayern mir gegenüber. - I serve beer. This improves the Bavarian mood towards me. (photo: A.-K. Kemmer)


Nachdem alles erledigt war für den Tag und auch der Backofen der Söldner soweit fertig, dass man kleine Brotlaibe darin backen konnte, fanden sich viele Leute in meinem Wirtshaus ein. Die Söldner und der feine Maler aus Köln ließen sich mein Bier und Wurst schmecken bis die Spätzle mit Kohl fertig waren. Man schmauste, trank und tanzte zur Flöte. Als die Stimmung schon auf dem Höhepunkt war, stürzte jemand aus meinem Haushalt die Treppe hinauf und deutete nach draußen. Dort hatte sich offenbar ein wütender Mob mit Fackeln versammelt. Ich rannte nach unten und griff zu meinem bewährten Mittel und schenkte auf Kosten meines Nachbars aus "Leoweiler" allen Bier in die Krüge. Danach ging es hinauf in den Schankraum, wo der Abend mit Würfelspiel und Musik beschlossen wurde. "Wir zogen in das Feld" bekam unzählige neue Strophen, welche die Ereignisse des Tages widerspiegelten vor allem über den Grafen Mansfeld und wie die Bauern in die Pfanne gehauen wurden.

Am Samstag konnte schon in dem kleinen Ofen gebacken werden. - On Saturday they could already bake in the small oven. (photo: Stefan Winter) 


After everything was done for the day and the mercenaries' oven was ready enough to bake small loaves of bread in, a lot of people came to my inn. The mercenaries and the fine painter from Cologne enjoyed my beer and sausage until the spaetzle with cabbage was ready. People feasted, drank and danced to the flute. When the mood was already at its peak, someone from my household rushed up the stairs and pointed outside. Apparently an angry mob with torches had gathered there. I ran downstairs and resorted to my tried and tested method and poured beer into everyone's mugs at the expense of my neighbor from "Leoweiler". Afterwards we went up to the taproom, where the evening ended with a game of dice and music. "We went into the field" got countless new verses that reflected the events of the day, especially about Count Mansfeld and how the farmers were put in the pan.


Ein Dragoner - ein auf das Pferd gesetzter Musketier. - The dragoon - a musketeer on a horse. (photo: S. Brandus)

Es war ein schöner Tag. Die Ereignisse rund um das Getreide demonstrierten für mich wie schwierig es für einen Kommandeur war seine Männer im Griff zu behalten, wenn sie über mehrere Häuser verteilt waren. Kein Wunder, dass es im Großen Krieg immer wieder verlockend erschienen war einen Feind anzugreifen, während er in den Winterquartieren auf verschiedene Orten verstreut war.


Abendliche Szene in der Wirtsstube. - In the evening in my tavern. (photo: H. Bemmann)


It was a beautiful day. The events surrounding the grain demonstrated to me how difficult it was for a commander to keep his men under control when they were spread across several houses. No wonder that during the Great War it was always tempting to attack an enemy while he was scattered in winter quarters in various places.



Text: André Hanselmann

Fotos: Stefan Winter, S. Brandus, A.-K. Kemmer, H. Bemmann, U. Dahm, M. Leyendecker


Notizen / Notes:

1) Ein Dokument, das uns vor Übergriffen anderer Truppen schützen sollte. - A document to protect us from violence by other troops.

2) Es gab oft im Dreißigjährigen Krieg improvisierte Feldzeichen. Die Schweden hatten beispielsweise 1631 bei Breitenfeld grüne Zweige an den Hüten und Helmen, bei Breitenfeld 1642 aber Stroh an Arm und Hut. - There were several field signs during the TYW. The Swedes for example had green twigs at their hats and helmets at the battle of Breitenfeld in 1631 and straw at their arms and hats at Breitenfeld in 1642. Vgl.: Richard Brzezinski: "Die Armee Gustav Adolfs - Infanterie und Kavallerie" Siegler, Königswinter, 2006, S. 71

3) Ernst von Mansfeld befand sich 1624 auf der Suche nach Geldgebern um ein neues Heer aufzustellen. Anfang 1624 hatte er sein Kriegsvolk in Friesland entlassen müssen. - In Spring 1624 Ernst of Mansfeld had to look for funders in England and France and in early 1624 he had to dismiss his troops in Friesland. Vgl.: Peter Milger: 

4) Man denke an Gemälde von Bauern, die sich auf die marodierenden Söldner stürzen wie Sebastian Vrancx (Studio): "A landscape with travellers ambushed outside a small town" (wikipedia, abgerufen 04.04.2024)

5) Bei einem Gemälde "Soldaten plündern einen Bauernhof" von S. Vrancx (um 1620) erkennt man sogar Gänse wie bei unserem Wirtshaus in dem Gehege. - On the painting "Soldiers plundering a farm" by S. Vrancx (from around 1620) you can even see goose as we had some in the enclosure in front of our tavern.

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