Heute habe ich das Vergnügen den Historiker Dr. Oliver Heyn vorzustellen, dessen Arbeit mir schon für die Vorbereitung einer Veranstaltung sehr nützlich war. Außerdem haben wir zusammen einen Fachartikel veröffentlicht. Hier aber gleich das Interview:
Today I have the pleasure of intoducing the historian D. Oliver Heyn, whose work was very useful to me when preparing for an event. We also published a specialist article together [1]. But here is the interview:
Hallo Herr Dr. Heyn, da ich Sie ja als erster
meiner Interviewpartner noch nie persönlich getroffen habe, würde ich Sie gerne
fragen, ob Sie sich hinsichtlich Ihrer Arbeit kurz vorstellen würden.
OLIVER HEYN: Ich studierte Mittelalterliche Geschichte, Neuere Geschichte sowie Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit an den Universitäten Freiburg i. Br. und Bamberg. Nach dem Abschluss als Magister Artium entschloss ich mich zu einem Promotionsprojekt im Fach Neuere Geschichte, das ich 2014 abschloss. Bereits seit meiner letzten Studienphase war ich als freiberuflicher Historiker tätig, später aber an Museen in Bayern und Sachsen. Ich habe den Museumsdienst dann 2019 nach mehreren Jahren aus freien Stücken verlassen, weil ich vorerst keinen Sinn mehr in dieser Arbeit erkannt habe. Lassen Sie mich dazu einige Worte sagen: Fast alle Museen verzeichnen massiv rückläufige Besucherzahlen, aber die wenigsten Häuser setzen sich wirklich kritisch mit den Gründen dafür auseinander. Meiner Ansicht nach läuft die Institution des Museums in Deutschland derzeit auf einen toten Punkt zu. Solange man nämlich glaubt, Museen im Stile einer Wunderkammer des 18. Jahrhunderts aufzustellen, wird man keine neuen Besucher anlocken. Der moderne, multimediale Mensch möchte keine altbackenen Frontalausstellungen mit ellenlangen Objekttexten. Er fordert vielmehr neue Methoden der Wissensvermittlung und das Nachdenken darüber verlangt den Museen eine allzu unbequeme Selbstkritik ab. Ich habe daher fast überall Innovationsresistenz, Starrheit und Unwillen oder Unvermögen zur Rezeption moderner museologischer Erkenntnisse angetroffen. Im anglo-amerikanischen Raum ist man da bereits viel weiter, während es hier noch daran hapert, sich einmal in die Perspektive des Besuchers zu versetzen und zu überlegen: Ist das wirklich sinnvoll, wie wir das hier machen? Aus diesem Grund bin ich auch von Ihrem Engagement in Wackershofen und der Zusammenarbeit mit dem dortigen Freilichtmuseum sehr beeindruckt. Ich glaube, dass das, was Sie dort im Rahmen öffentlicher Veranstaltungen tun, einer von vielen Ansätzen in die richtige Richtung ist, um Museen wieder zu beleben, Menschen anzulocken und Geschichte seriös greifbar zu machen. Aber mit Innovation stößt man, wie gesagt, leider vielerorts nach wie vor auf taube Ohren. Aus diesem Grund bin ich bis auf weiteres wieder in die Freiberuflichkeit zurückgekehrt und mit Archivrecherchen, Lektoraten und meiner eigenen Schreibarbeit befasst. Eine sehr sinnvolle Tätigkeit!
Dr. Oliver Heyn. |
Hello D. Heyn, since I am the first of my interviewees to have never met you in person, I would like to ask you if you would like to introduce yourself briefly regarding your work.
OLIVER HEYN: I studied Medieval History, Modern History and Medieval and Modern Archeology at the Universities of Freiburg i. Br. and Bamberg. After graduating with a Magister Artium, I decided to do a doctoral project in modern history, which I completed in 2014. I have been working as a freelance historian since the last phase of my studies, but later at museums in Bavaria and Saxony. In 2019, after several years, I left the museum service of my own free will because I no longer saw any point in this work. Allow me to say a few words about this: Almost all museums are registering massive declines in visitor numbers, but very few museums are really critical about the reasons for this. In my opinion, the institution of the museum in Germany is currently coming to a dead end. As long as you think you are setting up museums in the style of an 18th-century cabinet of curiosities, you will not attract new visitors. The modern, multi-media person doesn't want stale frontal exhibitions with lengthy object texts. Rather, it calls for new methods of knowledge transfer, and thinking about it requires museums to engage in all too uncomfortable self-criticism. I have therefore encountered resistance to innovation, rigidity and unwillingness or inability to accept modern museological findings almost everywhere. In the Anglo-American world, people are already a lot further, while here it is still difficult to put yourself in the perspective of the visitor and to think: does it really make sense how we do it here? For this reason, I am also very impressed by your commitment in Wackershofen and the cooperation with the open-air museum there. I believe that what you are doing there in the context of public events is one of many approaches in the right direction to revive museums, to attract people and to make history seriously tangible. But, as I said, innovation still falls on deaf ears in many places. For this reason, I have returned to freelance work for the time being and dealt with archival research, editing and my own paperwork. A very worthwhile activity!
2. Ich bin ja durch Ihr Buch "Das Militär des Fürstentums Sachsen-Hildburghausen 1680-1806" auf Sie gestoßen, als ich unsere Veranstaltung 2019 für das Hohenloher Freilandmuseum "Aus Hall in die Fremde" vorbereitet habe [2]. Wie sind Sie auf dieses Thema gekommen? Ich fand diesen Mikrokosmos mit einem kleinen Staat mit eigener Festung winzigen Militär und so weiter faszinierend.
O. HEYN: Ich bin und war schon immer ein regelmäßiger Archivgänger, der sich gerne in alte Manuskripte vergräbt und versucht, Neues zu erschließen. Teilweise durchkämme ich ganze Bestände in der Hoffnung, vielversprechende Dinge anzutreffen. Im Zuge dessen stieß ich im Jahr 2010 im Thüringischen Staatsarchiv Meiningen auf die militärischen Unterlagen des ehemaligen Fürstentums Sachsen-Hildburghausen. Diese Akten waren so gut wie unerschlossen, folgten noch der Registratur des 18. Jahrhunderts und nicht einmal die Archivmitarbeiter wussten, was sich in den Papieren verbarg. Man hatte durchweg schon den Eindruck, dass die Aktendeckel 1765 von irgendeinem Geheimen Sekretär geschlossen wurden und seitdem ungeöffnet geblieben waren. Im Rahmen meiner Durchsicht erkannte ich recht schnell, dass der Inhalt ungewöhnlich lebendige Einblicke in die militärische Lebenswelt des 18. Jahrhunderts erlaubt und zudem Bezüge zu aktuellen Forschungsfragen aufwies. Für jemanden wie mich, der an Militärgeschichte sowie an Sozial- und Alltagsgeschichte interessiert ist, war das ein Hauptgewinn. Ich ermittelte dann den Umfang des Materials und stellte fest, dass es für mich als Einzelperson durchaus möglich sein sollte, die Dutzenden von Akten durchzuarbeiten und auszuwerten. Das tat ich dann über etwa vier Jahre hinweg im Zuge meines Promotionsprojektes. Neben diesem Glücksfund gab es aber auch widrige Umstände: So war es damals in den Thüringischen Staatsarchiven noch verboten, Fotoaufnahmen mit eigener Digitalkamera anzufertigen. Das hat meine Arbeit etwas verzögert, da ich einen großen Teil der Zeit mit der Anfertigung von Abschriften aus dem Material befasst war. Von extrem wichtigen Dokumenten wie kriegsgerichtlichen Verhörprotokollen, Musterungslisten (für die statistische Auswertung) und besonderen Korrespondenzen ließ ich Kopien anfertigen, um diese zuhause in Ruhe auszuwerten. In Ruhe, sage ich, denn über dem Lesesaal des Archivs befand sich eine Musikschule. Kein Witz!
2. I came across you through your book "The military of the Principality of Saxony-Hildburghausen 1680-1806" when I was preparing our 2019 event for the Hohenlohe open-air museum "From Hall to Foreign Countries" [2]. How did you come up with this topic? I found this microcosm fascinating with a small state with its own fortress, tiny military and so on.
O. HEYN: I am, and always have been, a regular archivist who enjoys digging into old manuscripts and trying to discover new things. Sometimes I comb through entire stocks in the hope of finding promising things. In the course of this, in 2010, I came across the military documents of the former Principality of Sachsen-Hildburghausen in the Thuringian State Archive in Meiningen. These files were as good as untapped, still followed the 18th century registry and not even the archive staff knew what was hidden in the papers. One had the impression throughout that the files were closed by some secret secretary in 1765 and had remained unopened ever since. As part of my review, I quickly realized that the content provided unusually lively insights into the military world of the 18th century and also had references to current research questions. For someone like me who is interested in military history as well as social and everyday history, this was a major win. I then assessed the volume of material and found that it should be perfectly possible for me as an individual to work through and evaluate the dozens of files. I did that for about four years as part of my doctoral project. In addition to this lucky find, there were also adverse circumstances: At that time, it was still forbidden in the Thuringian State Archives to take photos with your own digital camera. This delayed my work somewhat, as I was busy making transcripts of the material for a large part of the time. I had copies made of extremely important documents such as court-martial interrogation records, draft lists (for statistical evaluation) and special correspondence so that I could evaluate them at my leisure at home. Quietly, I say, because there was a music school above the archive reading room. No joke!