Dienstag, 30. November 2021

"A la carte - Freiheit geht durch den Magen" / "Delicious" (2021)

 Wie zufällig bin ich darauf aufmerksam geworden, dass derzeit ein neuer Film in die Kinos kommt, der 1789 spielen soll. Das Thema, dass die französische Institution des Restaurants im Jahr des Bastillesturms gegründet worden sein soll, machte mich erstmal stutzig. Aber mir war auch bewusst, dass in letzter Zeit einige französische Kinofilme erschienen waren, die sich gelohnt hatten und im 18. Jahrhundert spielten (wie "L'echange des princesses" (2017) oder "Mademoiselle de la Joncquières" (2018)). Doch erst einmal zur Handlung.

Am Beginn des Films, der 1788 einsteigen soll, begegnen wir dem Koch Manceron (Grégory Gadebois), der für den Duc de Chamfort (Benjamin Lavernhe) die Schlossküche führt. Als er sich aber über die Anordnung des Herzogs hinwegsetzt und eine neue Kreation mit Kartoffeln und Trüffeln, genannt Délicieux [1], auf die Tafel des Herzogs bringen lässt, wird der Herzog zum Spott der Höflinge, deren Gunst der Herzog zu benötigen scheint um in Versailles Einfluss zu bekommen. Statt sich für seine Tat vor dem Herzog zu entschuldigen, verlässt der vollbärtige Sonderling das Schloss zusammen mit seinem Sohn Benjamin (Lorenzo Lefèbvre) und wanderte zu seinem Vaterhaus von wo er vor Jahren aufgebrochen war. Bald findet sich Louise (Isabelle Carré) ein, welche trotz ihres Alters bei Manceron in die Lehre gehen will. Nachdem sich Manceron nicht nur vom Herzog genarrt fühlt, stellt er sein Wirtshaus so um, dass es à la carte Gerichte anbietet und eher wie ein modernes Restaurant geführt wird. Es ist nun 1789 und viele Menschen sind nun bereit für das neue Konzept. Auch werden die Armen aus der Gegend schon als ein Linienbataillon am Wirtshaus Station macht, eingestellt. Louise hat allerdings noch eine Rechnung mit dem Duc zu begleichen, der Manceron als "Steuern" große Teile seiner Einnahmen durch seinen Intendanten (Guillaume de Tonquédec) einsacken lässt [2]. Als Manceron alle Geheimnisse seines weiblichen Lehrlings kennt und begreift, dass ihn der Duc immer wieder hintergangen hat, begreift er wie er sich und Louise an ihm würdevoll rächen kann. Wenige Tage später fällt die Bastille ...

As if by chance, I became aware of the fact that a new film is currently coming into the cinemas, which is supposed to play in 1789. The topic that the French institution of the restaurant should have been founded in the year of the Bastille storm first made me puzzled. But I was also aware that there had been a few French movies recently that had paid off and were set in the 18th century (such as "L'echange des princesses" (2017) or "Mademoiselle de la Joncquières" (2018)). But first to the plot. 

At the beginning of the film, which should start in 1788, we meet the cook Manceron (Grégory Gadebois), who runs the castle kitchen for the Duc de Chamfort (Benjamin Lavernhe). But when he disregards the Duke's order and has a new creation with potatoes and truffles, called Délicieux [1], put on the Duke's table, the Duke becomes the mockery of the courtiers, whose favor the Duke seems to need to in Get Versailles Influence. Instead of apologizing to the duke for what he did, the bearded nerd leaves the castle with his son Benjamin (Lorenzo Lefèbvre) and wandered to his father's house from where he left years ago. Louise (Isabelle Carré) soon turns up and, despite her age, wants to do an apprenticeship at Manceron. After Manceron felt fooled not only by the Duke, he converted his inn so that it offered à la carte dishes and was run more like a modern restaurant. It is now 1789 and many people are now ready for the new concept. The poor from the area are also hired when a line battalion stops at the inn. Louise, however, still has a bill to settle with the Duc, who lets Manceron sack large parts of his income as "taxes" through his director (Guillaume de Tonquédec) [2]. When Manceron knows all the secrets of his female apprentice and understands that the Duc has betrayed him again and again, he understands how he and Louise can take revenge on him with dignity. A few days later the Bastille falls ...


Filmplakat - man sieht Manceron wie im Großteil des Films hemdsärmelig mit seinen kurzen Haaren und Vollbart hier in seinem "Restaurant". - Movie poster - you can see Maceron as he is looking for most parts of the film with the sleeves of his shirt visible and his short hair and beard in his "restaurant".

 

1789 ist ein Epochenjahr, welches gerne in Frankreich als Handlungszeit großer Kinofilme diente ("Le chevalier à la rose rouge" (1966), "Les adieus à la reine" (2012)). Hier dient das Jahr als eine Art Folie für einen Koch-Feel-Good-Movie.

Sonntag, 21. November 2021

Dienstboten im 18. Jahrhundert T. 5 / servants during the 18th century p. 5

Ich als Hausherr

Ich will nun auch einmal aus meiner Perspektive als "Herrschaft" berichten. Ich muss sagen, dass ich den Eindruck habe, dass mir als "Herrschafts"-Darsteller unbedingt hilft, auch die andere Perspektive kennen gelernt zu haben um einzuschätzen, was man "Dienstboten" zumuten kann und wie man ein gutes Zusammenspiel hinbekommt. 

Myself as the "master"

I now want to report from my perspective as "the master of a household". I have to say that I have the impression that, when reenacting a master, it definitely helps to know the other perspective to assess what one can expect from the "servants" and how to achieve a good teamwork.

Wie kam ich überhaupt dazu?

Neben den Veranstaltungen in den Museen von Kommern, Bad Windsheim, Roscheider Hof, Kiekeberg und Wackershofen hat es immer wieder auch rein private Veranstaltungen gegeben. Das heißt, dass dabei ein Schlosshotel gemietet oder einfach ein Ausflug in einen Park in "historischer Gewandung" unternommen wurde. Wir haben auch organisiert von verschiedenen Hobbyisten Opernbesuche vor allem in Bayreuth gehabt. Irgendwann vor nunmehr 15 Jahren kamen wir dazu selber als Organisatoren solcher privater Treffen zu fungieren. Dabei realisierte ich rasch, dass es keinen Sinn ergab oder vielmehr schwierig realisierbar ist gleichzeitig als "Diener" aufzutreten und zugleich die Veranstaltung zu managen. Da ergab dann die Rolle des Hausherrn einfach mehr Sinn. Mit den Jahren kamen mehr und mehr Darsteller hinzu, welche Gefallen darin fanden als Dienstboten zu fungieren und es erwies sich für mich, dass diese zum Gelingen der Treffen weit wichtiger waren als die Herrschaftsdarsteller. Sprich wenn jemand, der sich für ein privates Treffen angemeldet hatte und das Geld für Übernachtung und Speisen beispielsweise überwiesen hatte, dann nicht kam, war das weniger tragisch als wenn ein erfahrener "Dienstbote" verhindert war. Denn diese Dienstboten-Darsteller gewannen ja über die Jahre in unseren "Diensten" zusehends mehr Einblicke und Wissen darum wie man einen Tisch deckt oder wie das Zusammenspiel innerhalb des "Gesindes" funktioniert.

Ich mit einem meiner ersten Dienstboten. Mein Diener Jakob berät mich, während ich einen Brief aufsetze. Eine typische Szene auf Schloss Zeilitzheim an einem Freitag, als unser Treffen erst anfing. Da hat man noch mehr Zeit für sowas. Die Veranstaltung spielte in den 1750ern. - Myself with one of my first servants ever. My valet Jakob talks to me while I'm writing a letter. That's a typical scene at the Zeilitzheim castle on a Friday, when the event is beginning and we had more time for something like that. The event was situated in the 1750s. (Foto: Cecilia Hanselmann, 2008)

How did I get there in the first place?

In addition to the events in the museums of Kommern, Bad Windsheim, Roscheider Hof, Kiekeberg and Wackershofen, there have always been purely private events. This means that a castle hotel was rented or simply a trip to a park in "historical clothing" was undertaken. We have also had opera visits organized by various hobbyists, especially in Bayreuth. Sometime 15 years ago we came to act as organizers of such private meetings ourselves. In doing so, I quickly realized that it made no sense, or would be rather difficult to implement, to act as a "servant" and manage the event at the same time. Then the role of host just made more sense. Over the years, more and more actors were added, who found pleasure in acting as servants and it turned out to me that they were far more important than the dominant actors (gentry or rich bourgeois) for the success of the meeting. In other words, if someone who had registered for a private meeting and had transferred the money for accommodation and food, for example, did not come, it was less tragic than if an experienced "servant" was prevented. Because over the years these servant actors gained noticeably more insights and knowledge about how to set a table or how the interplay within the "servants" works in our "services".
 
Ich bin als Hausherr "1781" im Gespräch mit meinem Diener Niedrighusen und der Haushälterin. - Myself as the master discussing in "1781" with my servant Niedrighusen and my housekeeper. (Foto: Cecilia Hanselmann, in Schloss Zeilitzheim, 2011)

 

Der Haushalt

Über die Jahre lernt man dazu, welche Darsteller für welche Rollen prädestiniert sind. Man erfährt auch, welche Rollen man für ein privates Treffen braucht. Als Beispiel: ich brauche keinen Kutscher, wenn man keine Pferde auftreiben kann und das Schloss, in welchem die Veranstaltung stattfindet weder Remise noch Stallungen hat. Ich brauche keine Köchin, wenn man nur mit Speisen arbeiten muss, welche vom Schlosshotel gestellt werden usw.. 

Die weiblichen Dienstboten decken den Tisch im Schönbornsaal von Schloss Zeilitzheim. - The female servants are preparing the table in the Schönbornsaal at the Zeilitzheim castle. (Foto von Michael Paulick, 2011)

 

Wir alle haben unsere Stärken und Schwächen. Ich selbst habe bis jetzt nicht gelernt wie man einen Herrn rasiert. Deswegen führe ich das nicht vor und stelle eben keinen Diener dar, der das "beamtendeutsch ausgedrückt" im "Tätigkeitsprofil" hat. Manch einer kann wunderschön einen Tisch decken, aber er mag es einfach nicht einen so nahen körperlichen Kontakt zu haben, den man als Kammerdiener einfach haben muss, wenn man seinen Herrn beispielsweise ankleidet. 

Unsere ausgezeichneten Dienstboten "1781". Ich glaube, dass das unsere erste Veranstaltung mit einer größeren Anzahl an Dienstboten war. Es war großartig. - Our excellent servants "in 1781". I think that it maybe was our first time with a larger number of servants in our household. It was a great experience. (Foto: Michael Paulick 2011)

 

Über die Jahre haben sich einige Rollen für "unseren Haushalt" rauskristallisiert, die man praktisch fast immer braucht: 

A: einen leitenden Dienstboten - nach damaligen Gepflogenheiten gleichzusetzen mit einem Kellermeister oder einer Haushofmeisterin [1] 

B: eine Anzahl von Lakaien

C: eine Anzahl von Mägden für die Küche oder ähnliche vorbereitende Tätigkeiten

D: eventuell je nach Schwerpunkt auch Jäger, Musiker oder andere speziellere Dienstboten

Manche Darsteller haben sich als gewissermaßen Konstanten erwiesen - verlässliche Teilnehmer, die immer wieder in die gleiche Rolle geschlüpft sind und mit denen man kaum noch Allgemeines bereden brauchte. 

Ich zahle unser Gesinde bei einem Treffen auf Schloss Zeilitzheim aus. - I'm paying the wages for my servants at an event in the Zeilitzheim castle. (Foto: Michael Paulick, 2013)

The household

Over the years you learn which actors are predestined for which roles. You also learn which roles you need for a private meeting. For example: I don't need a coachman if you can't get horses and the castle in which the event takes place has neither a coach house nor stables. I don't need a cook if you only have to work with dishes that are provided by the castle hotel, etc.

We all have our strengths and weaknesses. I have not yet learned how to shave a man myself. That is why I am not demonstrating this and I am not representing a servant who has these abilities "in officialese" in his "job profile". Some people can set a table beautifully, but they just don't like the close physical contact that a valet has to have, for example when dressing his master.
Over the years some roles for "our household" have emerged that are always needed from a practical way of view:

A: a senior servant - according to the customs of the time, equated with a cellar master or a housekeeper [1]

B: a number of lackeys

C: a number of maids for the kitchen or similar preparatory work

D: possibly also hunters, musicians or other more specialized servants, depending on the focus

Some actors have turned out to be constants, so to speak - reliable participants who have slipped into the same role over and over again and with whom there was hardly any need to discuss general issues.

Dienstboten und "Standespersonen"

Neben den Dienstboten und der Familie des Hausherrn gab es zwangsläufig auch weitere "Standespersonen" oder dergleichen. Bei Veranstaltungen in Schlosshotels war es üblich zu gewissen Modalitäten diese "Standespersonen" auch finanziell die Veranstaltung mit tragen zu lassen. Im Gegenzug durften sie genießen "bedient zu werden".

Unsere sehr guten Mägde bereiten zusammen mit der Hausherrin (mit Dreispitz) alles für die abendliche Soirée nach dem Souper vor. - Our excellent maids are preparing everything together with the landlady (with tricorn) for the soirée after the souper. (Zeilitzheim 2014)


 

Mittwoch, 3. November 2021

„Anno Domini 1771 – Bauen im 18. Jahrhundert“ - "Anno Domini -1771 - Building in the 18th c." 20.-22.08.2021 p. 3

Teil 3 / Part 3

Aus der Bibel wurde auch passend zu den Ereignissen 1771 vorgelesen. Leider war ja meine weitaus würdigere Sonntagskleidung am Vortag völlig durchnässt worden. - I started reading from the bible parts which were perfect for the events in 1771. Unfortunately my more worthy sunday's clothing got soaked completely at the day before.


Wir wussten schon im Vorhinein, dass am Sonntag das Wetter nicht so besonders gut werden würde. Deswegen trommelte ich so rasch ich konnte alle Leute aus meinem Haushalt zusammen um diesmal eine unserer Mägde im Katechismus zu examinieren [1] [2]. Natürlich ist das eher eine Aufgabe für einen Pfarrer. Aber generell waren Andachten im häuslichen Rahmen hingegen etwas absolut typisches, auch wenn sie pietistisch geprägt waren, es vorkommen konnte, dass der Haller Rat solche eher kritisch betrachtete. Ich las aus der Bibel vor, hörte den Katechismus ab und wir sangen das alte reformationszeitliche Lied „Wach auf, wach auf, du deutsches Land“ [3]. Insbesondere durch die Missernte von 1770/71 zeigten sich Anzeichen von intensiver Frömmigkeit in Hall durch die Abhaltung von besonderen Bettagen und mehr.

We knew in advance that the weather wasn't going to be that good on Sunday. That's why I drummed up all the people in my household as quickly as I could, this time to examine one of our maids in the catechism [1] [2]. Of course this is more of a job for a pastor. But in general, devotions in a domestic setting were something absolutely typical, even if they were pietistic, it could happen that the council of Hall viewed them rather critically. I read from the Bible, listened to the catechism and we sang the old Reformation time song "Wach auf, wach auf, du deutsches Land" [3]. In particular, the poor harvest of 1770/71 showed signs of intense piety in Hall, special prayer days were celebrated and more.

Die Magd trat vor um ihre Kenntnisse kund zu tun. - The maid stepped forward to show what she knew. (photo: Franziska Stanger)


Nach dem Mittagsmahl haben wir wegen des Regens im Tanzsaal des Steigengasthauses getanzt. Das hat diesmal ganz vorzüglich geklappt.  

After lunch we danced because of the rain in the dance hall of the Steigengasthaus. That worked out very well this time.

 

Im Wirtshaus wurde getanzt. - We danced in the inn. (photo: Stefan Winter)


Die besonders schmuck, sonntäglich gekleidete Frau des Pfarrers lauschte besonders aufmerksam dem Schultheiß Gunkel, der begeistert von seiner Magd berichtete. - The very nice looking and finely dressed wife of the parson listened attentively when the "Schultheiß" Gunkel reported enthusiastic about his maid. (photo: Stefan Winter)

Ich begab mich zur Frau Pfarrerin und bat sie ihrem Gemahl zu schreiben, welche Fortschritte die Kenntnis des Katechismus in unserem Haus machte. Leider war der Nachmittag von einem Wechsel von Regen und kurzen trockenen Phasen geprägt. Mein Knecht und ich versuchten den Graben unweit dem Grenzstein von 1576 wieder ein bisschen auszubessern. Leider ist der Boden insbesondere durch den Kies der immer wieder in den Graben abgerutscht ist, sehr schwer zu bearbeiten. Die Ausbesserung der Gräben und das Entfernen des Straßenmorasts wurden im 18. Jahrhundert als besonders wichtig erkannt. Natürlich ist unsere „Straße“ beileibe keine Chaussee, schon allein von der Breite her [4]. 

I went to the pastor's wife and asked her to write to her husband about the progress that our knowledge of the catechism was making in our house. Unfortunately, the afternoon was characterized by an alternation of rain and short dry phases. My farmhand and I tried to repair the trench a little not far from the boundary stone from 1576. Unfortunately, the soil is very difficult to work, especially due to the gravel that has repeatedly slipped into the ditch. The repair of the ditches and the removal of the street mud were recognized as particularly important in the 18th century. Of course, our “street” is by no means a road, if only in terms of its width [4].


Der Grabenreiter arbeitet als Fuhrmann und brachte mich und die Frau des Pfarrers zum Steigengasthaus. - The trench rider worked as a coachman and brought myself and the wife of the pastor to the steep track inn. (Foto: Stefan Winter)






Unsere Wäsche mussten wir in unserer Scheune in Sicherheit bringen zum Trocknen. - Our laundry had to be brought into the barn in safety to stay to be dry. (photo: Franziska Stanger)