Wie zufällig bin ich darauf aufmerksam geworden, dass derzeit ein neuer Film in die Kinos kommt, der 1789 spielen soll. Das Thema, dass die französische Institution des Restaurants im Jahr des Bastillesturms gegründet worden sein soll, machte mich erstmal stutzig. Aber mir war auch bewusst, dass in letzter Zeit einige französische Kinofilme erschienen waren, die sich gelohnt hatten und im 18. Jahrhundert spielten (wie "L'echange des princesses" (2017) oder "Mademoiselle de la Joncquières" (2018)). Doch erst einmal zur Handlung.
Am Beginn des Films, der 1788 einsteigen soll, begegnen wir dem Koch Manceron (Grégory Gadebois), der für den Duc de Chamfort (Benjamin Lavernhe) die Schlossküche führt. Als er sich aber über die Anordnung des Herzogs hinwegsetzt und eine neue Kreation mit Kartoffeln und Trüffeln, genannt Délicieux [1], auf die Tafel des Herzogs bringen lässt, wird der Herzog zum Spott der Höflinge, deren Gunst der Herzog zu benötigen scheint um in Versailles Einfluss zu bekommen. Statt sich für seine Tat vor dem Herzog zu entschuldigen, verlässt der vollbärtige Sonderling das Schloss zusammen mit seinem Sohn Benjamin (Lorenzo Lefèbvre) und wanderte zu seinem Vaterhaus von wo er vor Jahren aufgebrochen war. Bald findet sich Louise (Isabelle Carré) ein, welche trotz ihres Alters bei Manceron in die Lehre gehen will. Nachdem sich Manceron nicht nur vom Herzog genarrt fühlt, stellt er sein Wirtshaus so um, dass es à la carte Gerichte anbietet und eher wie ein modernes Restaurant geführt wird. Es ist nun 1789 und viele Menschen sind nun bereit für das neue Konzept. Auch werden die Armen aus der Gegend schon als ein Linienbataillon am Wirtshaus Station macht, eingestellt. Louise hat allerdings noch eine Rechnung mit dem Duc zu begleichen, der Manceron als "Steuern" große Teile seiner Einnahmen durch seinen Intendanten (Guillaume de Tonquédec) einsacken lässt [2]. Als Manceron alle Geheimnisse seines weiblichen Lehrlings kennt und begreift, dass ihn der Duc immer wieder hintergangen hat, begreift er wie er sich und Louise an ihm würdevoll rächen kann. Wenige Tage später fällt die Bastille ...
As if by chance, I became aware of the fact that a new film is currently coming into the cinemas, which is supposed to play in 1789. The topic that the French institution of the restaurant should have been founded in the year of the Bastille storm first made me puzzled. But I was also aware that there had been a few French movies recently that had paid off and were set in the 18th century (such as "L'echange des princesses" (2017) or "Mademoiselle de la Joncquières" (2018)). But first to the plot.
At the beginning of the film, which should start in 1788, we meet the cook Manceron (Grégory Gadebois), who runs the castle kitchen for the Duc de Chamfort (Benjamin Lavernhe). But when he disregards the Duke's order and has a new creation with potatoes and truffles, called Délicieux [1], put on the Duke's table, the Duke becomes the mockery of the courtiers, whose favor the Duke seems to need to in Get Versailles Influence. Instead of apologizing to the duke for what he did, the bearded nerd leaves the castle with his son Benjamin (Lorenzo Lefèbvre) and wandered to his father's house from where he left years ago. Louise (Isabelle Carré) soon turns up and, despite her age, wants to do an apprenticeship at Manceron. After Manceron felt fooled not only by the Duke, he converted his inn so that it offered à la carte dishes and was run more like a modern restaurant. It is now 1789 and many people are now ready for the new concept. The poor from the area are also hired when a line battalion stops at the inn. Louise, however, still has a bill to settle with the Duc, who lets Manceron sack large parts of his income as "taxes" through his director (Guillaume de Tonquédec) [2]. When Manceron knows all the secrets of his female apprentice and understands that the Duc has betrayed him again and again, he understands how he and Louise can take revenge on him with dignity. A few days later the Bastille falls ...
1789 ist ein Epochenjahr, welches gerne in Frankreich als Handlungszeit großer Kinofilme diente ("Le chevalier à la rose rouge" (1966), "Les adieus à la reine" (2012)). Hier dient das Jahr als eine Art Folie für einen Koch-Feel-Good-Movie.
Damit der auch funktioniert wird alles Mögliche, was es an Zeitumständen gab ignoriert. Da hat Manceron 1789 trotz der Missernte keine Probleme an Mehl zu kommen. Es ist, als ob Manceron und der Duc auf einem eigenen Planeten wohnen, der nur durchs Fernsehen - pardon die Zeitung - von dem erfährt was beispielsweise in Versailles und Paris geschieht ohne dass es sich auf sie direkt auswirkt.
Zuerst aber das Positive: da wäre vor allem der wunderschöne Bauernhof zu erwähnen, der scheinbar vor dem Tod von Mancerons Vater bereits als Wirtshaus fungierte. Der Hof könnte in seinem gepflegten Grad an Verfall aus einem Gemälde von Oudry stammen [3]. Schön sind auch die Räume im Schloss des Duc sowohl auf dem Stockwerk mit seinen repräsentativen Gemächern als auch in der Küche. Die Stimmung der nur durch Kerzen [4] und Feuer erhellten Räume wird recht schön eingefangen. Der Regisseur Éric Besnard findet es ähnlich wie Céline Sciamma in "Portrait d'une jeune femme en feu" (2019) offenbar ansprechend Stillleben in Szene zu setzen. Bei der Darstellung des Reichtums des Duc wird mancher Aufwand betrieben indem die Menge seiner Livreediener [5] und der Küchengehilfen seinen Reichtum repräsentieren, auch wenn scheinbar die Kostümabteilung bei einigen Lakaien keine Röcke mehr stellen konnte.
1789 is a year of epochs which in France often served as the setting for major cinema films ("Le chevalier à la rose rouge" (1966), "Les adieus à la reine" (2012)). Here the year serves as a kind of foil for a Cook-Feel-Good-Movie.
So that it works, everything that was there in terms of time is ignored. In 1789, Manceron had no problems getting flour despite the poor harvest. It is as if Manceron and the Duc live on their own planet, who only learns about what is happening in Versailles and Paris, for example, through television - pardon the newspaper - without any direct impact on them.
But first the positive: there is above all the beautiful farm, which apparently functioned as an inn before the death of Manceron's father. The courtyard in its well-tended degree of decay could have come from a painting by Oudry [3]. The rooms in the Duc Castle are also beautiful, both on the floor with its representative apartments and in the kitchen. The mood of the rooms, which are only lit by candles [4] and fire, is captured quite nicely. The director Éric Besnard, like Celine Sciamma in "Portrait d'une jeune femme en feu" (2019), apparently finds it appealing to stage still lifes. In the representation of the wealth of the Duc some effort is made by the number of his live shipping servants [5] and the kitchen assistants represent his wealth, even if apparently the costume department could no longer provide frocks for some lackeys.
Auf der anderen Seite fällt natürlich auf, dass der Film sich in vielerlei Hinsicht in Klischees badet ohne grobe historische Schnitzer zu meiden. Das Hauptthema, dass angeblich bis 1789 nicht ins Wirtshaus gegangen wurde um zu schlemmen ist natürlich Quatsch. Riegler hat in seinem Aufsatz über Schwäbisch Hall im Dreißigjährigen Krieg darauf hingewiesen, dass der Wandel zumindest in dieser Stadt schon während der 1620er kam [6]. Statt nur für Reisende und bestimmte Anlässe wie Taufen und Hochzeiten da zu sein, gewöhnte man sich durch die durchziehenden Soldaten auch ohne dergleichen Vorwände daran zur Geselligkeit in Gaststuben einzukehren. Casanova beschreibt in seinen Lebenserinnerungen wie er in verschiedensten Wirtshäusern den Gaumenfreuden fröhnte und es gab auch schon im 18.Jh. Reiseführer, welche bestimmte Wirtshäuser wegen der guten Küche anpriesen, Reiserouten empfahlen... Die Adligen an des Herzogs Tafel sind sogar dermaßen hinterm Berg, dass sie nicht wissen sollen, dass der König selbst den Kartoffelanbau fördert und dessen Großvater, Louis XV, sogar schon Gerichte mit Kartoffeln schätzte. Rein äußerlich bewegt sich der Film aber auch schon auf der Welle der Klischees. Da wäre die völlig übertriebene und für Frankreich 1788 völlig antiquierte Frisur des Duc am Beginn des Films zu nennen oder Mancerons Vollbart, auf den zwar von seinem Herrn hingewiesen wird - ohne dass der Zuschauer eine Erklärung dafür bekommt [7]. Das Kostümbild ist leider wenig durchdacht. So wird der Herzog meistens als eine Art Vogelscheuche mit einer völlig antiquierten hoch auftoupierten Frisur am Anfang dargestellt. Während seine Mätresse eine der Reise eher angemessene Kleidung trägt, hat der Duc in Mancerons Restaurant einen Hofanzug mit Stickerei angelegt. Obwohl sich der Film auf die Küche des 18. Jahrhunderts konzentriert, kommt es auch mal vor, dass eine völlig anachronistische Kaffeemühle aus dem 19. Jh. [8] ins Bild gehalten wird.
Filmisch in "À la carte - Freiheit geht durch den Magen" ein mäßiger Film, der teilweise auch an den immer wiederholten schauspielerischen Mitteln wie den verdrehten Augen des Hauptdarstellers und eine doch etwas arg eindimensionale Handlung ohne irgendwelche interessante Wendungen mit sonderbaren Entscheidungen im Plot [9] leidet. Positiv ist die Kameraarbeit und das Bild zu bewerten.
On the other hand, it is of course noticeable that the film is bathed in clichés in many ways without avoiding major historical blunders. The main topic, which allegedly did not go to the tavern to feast until 1789, is of course nonsense. In his essay on Schwäbisch Hall during the Thirty Years' War, Riegler pointed out that the change, at least in this city, came as early as the 1620s [6]. Instead of only being there for travelers and certain occasions such as baptisms and weddings, one got used to socializing in restaurants due to the soldiers passing through, even without such pretexts. In his memoirs, Casanova describes how he enjoyed the culinary delights in a wide variety of taverns and there was already in the 18th century Travel guides, who praised certain inns for their good cuisine, recommended travel routes ... The nobles at the Duke's table are so behind the mountain that they shouldn't know that the king himself promotes potato cultivation and his grandfather, Louis XV, even already appreciated dishes with potatoes. Externally, however, the film is already moving on the wave of clichés. There is the completely exaggerated and for France 1788 completely antiquated hairstyle of the Duc at the beginning of the film or Manceron's full beard, which is referred to by his master - without the viewer getting an explanation for it [7]. Unfortunately, the costume design is not well thought out. The duke is usually depicted as a kind of scarecrow with a completely antiquated, high-up hairstyle at the beginning. While his mistress wears clothes that are more appropriate for the trip, the Duc has put on a court suit with embroidery in Manceron's restaurant. Although the film focuses on the kitchen of the 18th century, it sometimes happens that a completely anachronistic coffee grinder from the 19th century [8] is held in the picture.
In terms of film, "Delicious" is a mediocre film, which is partly due to the repeatedly repeated theatrical means such as the rolled eyes of the main actor and a somewhat badly one-dimensional plot without any interesting twists and turns with strange decisions in the plot [9 ] suffers. The camera work and the picture are positive.
Text: André Hanselmann
Fotos: André Hanselmann
Verweise: / Notes:
1) Was auch der französische Titel des Films ist.
2) Ein typisches Topos des Historienfilms in dem eine allgemeine Rechtlosigkeit der Untertanen präsentiert wird. Denn weder wird erwähnt, dass der Duc ein Steuerpächter (fermier général) oder dergleichen wäre, noch dass sein Intendant eine Funktion als Steuereinnehmer inne hätte, was auch einfach nicht plausibel erschiene. - A typical topos of the period film in which a general lawlessness of the subjects is presented. Because it is not mentioned that the Duc is a tax farmer (fermier général) or the like, nor that his director has a function as a tax collector, which also simply does not appear plausible.
3) Vergleiche/compare: Jean Baptiste Oudry: "Der Bauernhof" 1730 Musée du Louvre, Paris in: "Meisterwerke der französischen Genremalerei - Im Zeitalter von Watteau, Chardin und Fragonard" DuMont, Berlin & Köln, 2004, S. 14
4) Natürlich sind die Kerzen in Mancerons Haushalt eigentlich etwas zu kostspielig. Kienspäne als Lichtquelle etwa in Louises Kammer wären wohl glaubhafter. - Of course, the candles in Manceron's household are actually a little too expensive. Pine shavings as a source of light in Louise's chamber, for example, would be more believable.
5) Riegler: „Schwäbisch Hall im Dreißigjährigen Krieg, S. 92-93, W. Kolhammer, 1911
6) Livreen mit goldenen Borten wie hier im Film vorgestellt werden auch von Swift als typisch für Herzöge erwähnt. - Gold-trimmed liveries, as featured in the film, are also mentioned by Swift as being typical for the servants of dukes.
7) Vollbärte in Filmen, die im 18. Jh. spielen, wirken zwar oft als Fremdkörper, kommen aber doch recht oft vor. - Full beards in films set in the 18th century often seem strange, but they do appear quite often. (wie in Brian Blessed in "Chasing the deer" 1994, Edouard Baer in "Mademoiselle de la Joncquière" 2018)
8) Dabei kann es sich auch um ein neueres Modell handeln. - This can also be a newer model.
9) Es wird auch nicht erklärt, weshalb dem armen alten Freund von Manceron ein Begräbnis auf dem Friedhof verwehrt wird. - Nor is it explained why Manceron's poor old friend is denied a funeral in the cemetery.
10) Es gibt auch Filme, die sich besser mit dem Thema des Essens in der Barockzeit beschäftigen. / There are also films that deal better with the subject of food in the Baroque era. / z.B.: "L'histoire quotidien -La vie des Français sous Louis XIV" (ca. bei 1:00:00) Dokumentation, 2014 (auch wenn dort einige Kostüme etc. nicht so toll sind)
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