Freitag, 7. Februar 2020

Frühjahr 1620 in Schwäbisch Hall / Spring 1620 in Schwäbisch Hall







Ihr habt sicher bemerkt, dass ich in letzter Zeit weniger über die Recherche zur aktuell nächsten Veranstaltung geschrieben habe, was einfach daran liegt, dass diese zusehends komplexer wird. Insbesondere aufwendig zu transkribierende Quellen, die bei der ersten Hälfte des 17. Jh. eher die Normalität sind, machen die Beleuchtung der historischen Hintergründe schwieriger.


Das Programm bei unserer diesjährigen Aprilveranstaltung am 18./19. April stellt die Truppendurchzüge und Einquartierungen in den Mittelpunkt, nachdem wir letztes Jahr das Gefecht bei Allmerspann thematisiert hatten.



You surely noticed, that I wrote fewer posts about the research for our actual next event. That is influenced by the complexity and the difficulty to transcribe the sources from the first halve of the 17th century.
Our next event on April 18th and 19th will have a focus on the quartering of troops, which marched through the country, after we focused on the combat of Allmerspann last year.




Badische Reiterei; Markgraf Georg Friedrich (1573-1638) von Baden-Durlach war einer der ehrgeizigsten Führer der Union und hatte einen Gesandten auf den Unionskonvent nach Hall geschickt (Figuren von Revell) -
Cavalry of Baden; margrave Georg Friedrich (1573-1638) of Baden-Durlach was one of the most ambitious leaders of the Union and had send an ambassador at the Union's convent in Hall (figures by Revell)


Tatsächlich ist es so, dass der Dreißigjährige Krieg 1620 einem ersten Höhepunkt zutrieb. Auch in der Führung der protestantischen Union hatte man die zunehmende Gefahr erkannt, denn der Kaiser schaffte es Verbündete um sich zu scharen. Viele Unionsmitglieder standen der Annahme der Königskrone durch Kurfürst Friedrich von der Pfalz offen ablehnend gegenüber. Auch Schwäbisch Hall hat nach dem überzeugten Beitritt auf dem Unionstag in Hall 1610 alle weiteren Truppenanwerbungen strikt abgelehnt.

Laut Riegler suchte nun die Führung der Union durch das Abhalten des Unionskonvents in Schwäbisch Hall im April 1620 die Reichsstadt wieder ins eigene Lager zu zwingen. Der Haller Rat wurde so spät von dem Konvent informiert, dass er am 20. März zusagen musste[1].
Auf dem Unionskonvent, bei dem nur Vertreter von 6 Reichsständen anwesend waren
[2], kam man über Beratungen nicht hinaus. Wesentliche Entscheidungen wollte man sich für den auf Mai in Heilbronn anberaumten Unionstag aufheben. Es ist offensichtlich wie emsig, man kann fast sagen verzweifelt, Anführer der Union wie Joachim Ernst von Brandenburg-Ansbach (1583-1625) nach Verbündeten wie etwa den König von Schweden suchten. Neben der Schlichtung von innerprotestantischen Konflikten, erkannte man auch die Chance etwa den Truppennachschub des Feindes zu unterbinden indem Schweizer Kantone zur Sperrung der Marschwege bewegt werden sollten. Mir scheint es, als ob dieser Konvent eher ein Fremdkörper in der Stadt Hall blieb. Die vordringlichste Forderung des Markgrafen Johann Ernst nach einer Stärkung des Militärbündnisses, war offenbar nicht im Interesse des Magistrats. Ja, Hall ratifizierte nicht einmal das Schlussdokument.


Pikeniere des Peter Ernst von Mansfeld (1580-1626), Mansfeld war einer der wichtigsten Heerführer der protestantischen Seite im ersten Jahrzehnt des Krieges (Figuren von Zvezda und Revell) -
Pikemen of Peter Ernst of Mansfeld (1580-1626), Mansfeld was one of the most important military leaders of the Protestant Party during the first decade of the war (figures by Zvezda and Revell)

The Thirty-years-war drifted to a first climax in 1620. Even among the leadership of the protestant Union the increasing danger was noticed, because the emperor managed to rally more and more Allies. Many members of the Union reacted on the acceptance of the Bohemian king’s crown by the elector Frederick of the Palatinate with open rejection. Schwäbisch Hall had refused any more enlistment after the determined joining in the Union on the Union’s assembly at Hall in 1610.  According to Riegler the leaders of the Union tried to force Schwäbisch Hall more into the own party by the decision to organize the Union’s convent in the imperial town in April 1620. The magistrate of Hall was informed so late, that they had only the option to consent on March 20th. The Union’s convent – there were representants of 6 imperial estates only - did not achieved more than discussions. The real decisions were reserved for the union’s day at Heilbronn, which was planned for May. It’s obvious how busy or more desperate the leaders of the Union like Joachim Ernst of Brandenburg-Ansbach (1583-1625) was searching for Allies like the king of Sweden. The conciliation of interior protestant conflicts was an important aspect of the Union’s convent. The Union-leaders reported the chance to prevent the enemy’s reinforcements by Swiss cantons, which could block the march-routes. It seems to me, that the Union’s convent stayed to be a foreign body within the city of Hall. The most urgent claim of margrave Johann Ernst was the boosting of the military alliance, which was not in the interest of the magistrate of Hall. The magistrate of Hall even did not sign the final document of the convent.





Untere Reihe, zeitgenössische Schwerter auf der Haut-Kœnigsbourg im Elsass, ähnliche Waffen befanden sich wohl im Zeughaus von Hall und waren auch vereinzelt im Besitz von Bauern der Region von Schwäbisch Hall (Foto von Cecilia Hanselmann, 2019) -
On the lower row typical contemporary swords at the Haut-Kœnigsbourg Castle in the Alsace, similar maps most probably were in the armoury of Hall and a few even in the possession of peasants in the territory of Schwäbisch Hall (photo by Cecilia Hanselmann, in 2019) 









Hat sich dennoch etwas in Hall getan? Das lässt sich schwer sagen. In den Chroniken finden sich keine besonderen Ereignisse. Recht lapidar erwähnen die Ratsrechnungen „Durchzüg“, die auf Kosten von immerhin mehr als 170 Gulden kommen[3].

Es wurden vom Rat insgesamt gegen „Zettel“ wie es immer heißt mehr als 100 Gulden an den Beil- und Waffenschmied gezahlt[4]. Wenn man sich auch die Angaben in dem Inventar des Zeughauses von 1608 anschaut, so tauchen dort neben offenbar alten Turnier- und Trabharnischen, auch Sets kompletter Arm und Beinschienen auf, die eher zu zeitgenössischer Ausstattung von schweren Reitern passen würde. Schwerter, Degen und Rapiere waren hingegen kaum vorhanden, dafür aber 105 Hellebarden, 508 lange Spieße und 318 „Hacken“ verschiedenen Kalibers[5]. Die Ausbesserung und Zukäufe der Zeughausbestände spielten bei den Ausgaben keine allzu geringe Rolle. Man setzte im Rat offenbar weniger auf professionelle Truppen. Im Jahr zuvor hatte man ja eigentlich eine Anwerbung von Reitern beschlossen[6], die aber offensichtlich letztlich unterblieb. An Reiterei hat es 1620 anders als im 18. Jahrhundert nur 2 Grabenreiter und 2 Einspänniger gegeben[7][8].

Ein weiteres Indiz dafür, dass sich Hall an Truppen auf die zahlreichen Wachmannschaften und die wenigen Reiter beschränkte, ist daraus erkennbar, dass die „Söldner Zeh[rungen]“ also die Verköstigung von Söldnern, nur in Höhe von 14 Gulden verzeichnet wurde[9]. Die 1619 beschlossene Musterung der Untertanen auf dem Land wurde allerdings fortgesetzt. Die beiden Soldaten Stiegler und Sparen sollten obendrein an Feiertagen die „Unterthanen und Bauren“ drillen[10], also in der Handhabung der Waffen unterweisen, wozu sie immer wieder andere Dörfer besuchten, wo sich scheinbar der Ausschuss versammelte. Somit wäre ein fehlendes Glied geschlossen, da ich solch eine Ausbildung der Ausschüsser ganz konkret nur aus anderen Gegenden wie Schmalkalden kannte. Spannend wäre es, ob man etwa auf Vorschriften oder Ratschlägen wie man die Griffe einübte in Zukunft stoßen wird.

 
Das Zeughaus ("Neubau") von Schwäbisch Hall hier das größte Gebäude rechts auf dem Bild, hier lagerten die Waffen der Reichsstadt in dieser Zeit (Stich von Braun-Hogenberg (Ausschnitt) Ende 16. Jahrhundert; im Hällisch-Fränkischen Museum Schwäbisch Hall) - The armoury ("Neubau") of Schwäbisch Hall here the largest building at the right of the Picture, here were the weapons of the Imperial town at that period (print by Braun-Hogenberg (Detail) at the end of the 16th century; in the Hällisch-Fränkisches Museum Schwäbisch Hall) 

Did something remarkable happen in Hall nevertheless? That’s very difficult to answer. There are no special events in the chronicles recorded. The magistrate’s counts report succinct “drafts”, which resulted in costs of 170 florins at least.

100 florins more were payed by the magistrate in total for “chits” to the weapon- and ax-smiths. The accounts in the inventory of the armoury of 1608 show along with joust- and trot-armours some complete sets of arm and leg splints, which fit better for the contemporary equipment of heavy cavalrymen. Swords, small swords and rapiers however were rare, but there were 105 halberds, 508 long pikes and 318 “Hacken” (harquebuses) of different calibres. The repair and acquisition of singly weapons for the armoury’s stock played not an insignificant role in the expenditures. The magistrate obviously didn’t rely on professional troops. The year before the magistrate had decided the enlistment of cavalry, but that was not realized. In 1620 different than during the 18th century Hall’s cavalry had 2 dig-riders and 2 “Einspänniger” only.

Another hint for the aspect that Hall’s troops were reduced to guards and a few riders is noticeable, when we read of the small sum of 14 florins for the “mercenary feeding”. But the mustering of the subjects on the land, which was decided in 1619, was continued nevertheless. The two soldiers Stiegler and Sparen had to drill the “subjects and peasants” on holidays. That means that they were ordered to visit the villages again and again, where the militia was assembled and did the exercises with the weapons. Thus a missing link was found, as I did now the practice of such a training of militia concrete only for the region of Schmalkalden. It will be very exciting to maybe find some specifications about the handling of weaponry in the future.    









Rüstung des 16. Jahrhunderts auf der Haut-Kœnigsbourg im Elsass, eventuell sahen die Rüstungen im Haller Zeughaus ähnlich aus (Foto: Cecilia Hanselmann, 2019) - Armour of the 16th century at the  Haut-Kœnigsbourg castles in Alsace, maybe the armours in the armoury of Hall looked very similar (photo by Cecilia Hanselmann, 2019)


Ein Blick über den Tellerrand hinaus ist sehr spannend. Auch der Graf von Schwarzburg-Rudolstadt beschloss 1618 offensichtlich sich auf seine Landesdefension zu stützen. Die scheinbar bereits umfangreich vorhandene Bewaffnung der Untertanen sollte weitreichend ergänzt werden. So waren für die Einwohner des Dorfes Berga, um etwa 140 Mann (organisiert in 13 Rotten) auszurüsten, 16 Harnische, 37 Musketen, 43 Hellebarden und 70 Seitengewehre nötig. Die Ausrüstung wurde in Form von Sets wie etwa „Harnische und Piecke“ oder „Musquete mit der Zubehör“ ausgegeben. Da allein schon Harnisch und Pike 8 Gulden kosteten, waren die Ausgaben für solch eine Volksbewaffnung nicht eben günstig[11].

Nebenbei bemerkt ist die Waffensammlung im Zeughaus auf Schloss Schwarzburg bis jetzt diejenige gewesen, die für mich am beeindruckendsten war, da Rüstungen und Waffen des 17.Jh. in einer großen Geschlossenheit präsentiert werden[12].

Es könnte sein, dass eine Ausgabe von Waffen an die hällischen Untertanen dadurch unnötig wurde, da viele ja schon im 16. Jahrhundert bewaffnet waren. Vergleiche: https://wackershofenannodomini.blogspot.com/2017/11/unbewaffnete-bauern-unarmed-peasants.html

Die ganz großen Verheerungen blieben Schwäbisch Hall 1620 noch erspart. Deswegen thematisieren wir dieses Jahr die alltäglichen Durchzüge und verstärkt das einfache Leben neben dem Krieg auf unserer Landleben-Veranstaltung im April[13].



Piken, 17. Jahrhundert, die Standardbewaffnung des Fußvolks der Zeit (Stadtmuseum Breisach, Foto: André Hanselmann 2019) - Pikes, 17th century, the typical weapons of the footsoldiers of the period (Stadtmuseum Breisach, photo by André Hanselmann, 2019)
Details der obigen Piken, man erkennt sehr gut die völlig verschiedene Form der Spitzen (Foto: André Hanselmann 2019) - Details of the pikes above, it's easy to notice the completely different style of the peaks (photo by André Hanselmann in 2019)


It’s interesting to look a bit over the plate’s rim. The count of Schwarzburg-Rudolstadt for example decided to rely on his local militia in 1618 too. The seemingly already extensively existing weaponry of the subjects was to be completed.

There is the example of the village of Berga. Circa 140 inhabitants, organized in 13 “Rotten” (routs), were to be equipped. 16 armours, 37 muskets, 43 hellbards and 70 side arms were necessary. The equipment was handed over in sets as “armour and pike” or “musket and attachments”. To arm the population wasn’t cheap, because armour and a pike as a set costed 8 florins alone.

Besides I don’t want to miss the chance to remark that the collection of weapons in the armoury of Schwarzburg palace was that one, which was most impressive for me, because the armours and weapons of the 17th century were presented in a really united style.

It’s possible that it was not necessary to equip the subjects of Hall because so many already were armed in the 17th century. Look in our posting:


The great devastations didn’t occur at Schwäbisch Hall in 1620. Therefore we focus this year on the all-day walkovers by mercenaries and want to show more about the rural life during the war on our “Landleben”-event in April.




Musketen aus dem 17. Jahrhundert auf der Haut-Kœnigsbourg im Elsass, solche ebenso wie der unten erkennbare Haken waren typische Waffen auch in Schwäbisch Hall (Foto von Cecilia Hanselmann, 2019) - Large muskets from the 17th century at the Haut-Kœnigsbourg castle, such weapons like these muskets and even the old "Haken" below were typical weaponry in Schwäbisch Hall too (photo by Cecilia Hanselmann in 2019)

Ich möchte anbei noch auf folgendes sehr spannendes Projekt hinweisen. Es gibt eine Homepage mit Selbstzeugnissen aus dem 30-jährigen Krieg und das sogar mit Suchfunktion. Einfach mal reinschauen! Es lohnt sich: http://www.mdsz.thulb.uni-jena.de/sz/index.php

Text: André Hanselmann

Fotos: Cecilia & André Hanselmann






[1] Riegler: „Schwäbisch Hall im Dreißigjährigen Krieg, S. 39, W. Kolhammer, 1911


[2] Versammlung des engeren Union Konvents in Hall 1620, S.22 (nicht nummeriert), SHA Sig. 4/ 35


[3] Außgeberrechnung 1619/20, S. 138 f, Stadtarchiv SHA Sig. 4a 82


[4] Außgeberrechnung 1619/20, S. 85 f, Stadtarchiv SHA Sig. 4a 82


[5] Inventarium des Zeughauses von Schwäbisch Hall 1608, SHA Sig. 5/1700


[6] Riegler, S. 36


[7] Außgeberrechnung 1619/20, S. 170


[8] Es gab im 18. Jh. 4 Grabenreiter, zu den Grabenreitern des 18. Jahrhunderts siehe: https://wackershofenannodomini.blogspot.com/2019/01/grabenreiter-auf-dem-pferd-im-einsatz.html


[9] Außgeberrechnung 1619/20, S. 140 f


[10] Ebenda S. 128


[11] Jens Henkel: „Das schwarzburg-rudolstädtische Militär“ edition burgart, Rudolstadt, 2019, S. 20


[12] Leider ist das Fotographieren in der Sammlung nicht gestattet, aber es gibt verschiedene Publikationen mit  Fotos der Exponate. Neben Henkels obigem Buch auch:  Jens Henkel & Konrad Kessler: „Fürstliches Zeughaus Schwarzburg. Sammlungsgeschichte und Katalog ausgewählter Objekte“ Thüringer Landesmuseum Heidecksburg, Rudolstadt, 2018


[13] Siehe die Homepage des Freilandmuseums Wackershofen www.wackershofen.de

2 Kommentare:

  1. Excellent information, Andre. I never tire of seeing arms and armor.

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    1. I'm glad, that you like it. My 30-years-war series is always a good reason to show nice amour and weapons and I'm eager to make photos of armour in every museum.

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