Ich
bin neulich beim Ansehen der Doku „Der Dreißigjährige Krieg - Von Feldherren,
Söldnern und Karrieristen" (BR, 2011) auf die Aussage des durch sein
Tagebuch berühmt gewordenen Peter Hagendorf gestoßen, er sei überrascht und verärgert über die Bauern
gewesen, da er aus seiner Sichtweise Bauern nicht das Führen von Waffen
zugestanden habe, was einzig seinem, dem Soldatenstand, zugestanden habe. Er
war von solchen bewaffneten Bauern überfallen und beraubt worden, als er völlig
betrunken den Anschluss an seine Truppe verloren hatte.
I was astonished when I heard in the documentary „Der Dreißigjährige
Krieg - Von Feldherren, Söldnern und Karrieristen" (BR, 2011) the
statement by Peter Hagendorf (the today famous author of a contemporary diary),
that he was surprised and upset because there were some armed peasants. In his
opinion the peasants were not allowed to carry weapons; that should be the
right only to the soldiers like him. He was attacked and robbed by some armed
peasants when he lost his troops because he was totally drunk.
Nun,
war es denn tatsächlich so, dass ein Zeitgenosse davon ausgehen musste, Bauern
seien stets unbewaffnete, leichte Opfer und nie dazu ausgerüstet Angreifer zu
werden?
Was
ich bisher gefunden habe sind Aussagen wie in einem Buch über den badischen
Landsturm, worin es heißt dieser habe 1590 statt der langen Piken nur
leichtere, kürzere Spieße bekommen, da diese von den Bauern leichter zu
bedienen waren. Obendrein heißt es dort, trügen die Bauern ja sowieso immer ob
auf dem Weg zum Markt oder hinter dem Pflug eine Seitenwehr (wohl die
sogenannte Bauernwehr)[1].
Recht gut ist auch die Bewaffnung der vorderösterreichischen Landfahnen belegt,
also auch dieser Milizen, die in Städten und Dörfern im österreichischen
Streubesitz rund um Freiburg aufzubieten waren.
Was it the case, that a contemporary thought that all peasants were
unarmed and perfect victims and never equipped to become the attacker? What I
learned are testifies in a book about the militia in Baden, that the long pikes
were too difficult to handle for the poor peasants and in 1590 they get instead
light and short spears. Additionally it’s mentioned that the peasants always
carried their “Seitenwehr” (traditional long knifes). Really well known is the
weaponry of the militia (the “Landfahnen”) of Outer Austria, the towns and
villages in the country around Freiburg.
Sehr
gute Kenntnisse habe ich mittlerweile über die Bewaffnung der Bauern in einem
Dorf im Territorium von Schwäbisch Hall namens Tüngental. Im Zuge der Musterung
der Dorfbevölkerung wurden auch die Waffen verzeichnet worüber die Bauern
verfügten. 1567 hatten von den 42 verzeichneten Einwohnern 26 % Knebelspieße,
21 % Büchsen, 11 % Hellebarden und 2 % lange Spieße. Einige hatten sogar
Rüstungsteile wie Helme. Im nahen Hessental gab es sogar 63 verzeichnete
Einwohner. Davon besaßen 37 % Knebelspieße, 26 % Büchsen, 17 % Hellebarden und
3 % lange Spieße, 22 % verfügten sogar über Helme. Nur 17 % hatten keine Waffen[2].
Actually I got really good informations
about the weaponry of a village in the territory of Schwäbisch
Hall named Tüngental. In the course of the inspection of the inhabitants by the
government the weapons were recorded. In 1567 there were 42 inhabitants
mentioned. 26 % of them had short pikes, 21 % rifles, 11 % halberds and 2 %
long pikes. That leads us to 40 % who were unarmed. Some of them even had some
sort of armor like helmets. Even more armored were the inhabitants of
Hessental. 37 % had short pikes, 26 % rifles, 17 % halberds and 3 % long pikes.
Only 17 % had no weapons at all. 22 % had helmets.
Dieselbe
Quelle zeigt auch eine kleine Entwicklung hin in die für unsere
April-Veranstaltung interessante Zeit. 1619 gab es nämlich 60 aufgelistete Einwohner
aus Hessental. Die langen Spieße hatten mittlerweile die Kurzspieße fast völlig
verdrängt. Den größten Anteil aber machten nun Musketen aus. 47 % der Einwohner
hatten Musketen, 23 % lange Spieße, 20 % Hellebarden, 3 % Schlachtschwerter und
3 % kurze Spieße. Nur 4 % hatten keinerlei Bewaffnung!
The same source shows us some development. It is even more interesting
for our event in April next year because the list dates from 1619. This year there were 60 inhabitants listed
from Hessental. The long pikes had repressed nearly completely the short pikes
or spears. But the greatest part of the peasant’s weaponry was made up by muskets.
47 % had muskets, 23 % long pikes, 20 % halberds, 3 % battleswords and 3 %
short pikes. Only 4 % had no weapons at all!
Vielleicht
handelt es sich bei den meisten der Hessentaler “Musketen” auch um dieselben
Schusswaffen wie 1567 und mal wurden sie “Büchsen” und mal “Musketen” genannt. Was
aber festzuhalten ist, ist dass da ein Dorf massiv bewaffnet war. In
zahlreichen Dörfern hätte also ein Angreifer mit einem bewaffneten Widerstand
rechnen müssen. Wie kommt aber das Bild vom schutzlosen Bauern zustande?
Zeitgenössische Darstellungen wie diese von Hans Ulrich Francke https://www.habsburger.net/de/medien/hans-ulrich-franck-ein-reiter-von-zwei-soldaten-mit-axten-attackiert-radierung-1643-0
zeigen Bauern mit Werkzeugen wie Äxten bewaffnet, bisweilen auch mit Keulen und
Stöcken. Vielleicht kamen die Waffen bis in Franckes Zeiten abhanden oder er
illustrierte das Geschehen in Gegenden, wo es keine Landfahnen gab. Als
Gegenbeispiel wären aus den 1620ern die sogenannten „Harzschützen“, die schon
dem Namen nach mit Feuerwaffen bewaffnet waren.
Perhaps most of the muskets in Hessental were the same weapons like the firearms
in 1567, one time called “Muskete” (musket) and one time called “Büchse”
(rifle). What is important to note is, that there was a village heavily armed.
In many villages, I assume, the attackers would have to expect armed
resistance. How was the picture of the unarmed poor peasants created?
Contemporary pictures like these by Hans Ulrich Francke https://www.habsburger.net/de/medien/hans-ulrich-franck-ein-reiter-von-zwei-soldaten-mit-axten-attackiert-radierung-1643-0
show us peasants with tools like axes, sometimes with walking sticks or clubs.
Maybe the peasant’s weaponry was lost in the years before Francke’s period or
he illustrated the situation in countries without the systems of “Landfahnen” –
local militia. As a contrary example of equipped peasants we know the
“Harzschützen” in the 1620s which were armed with firearms even by name!
Ich
hoffe euch hat der Exkurs ins Thema bewaffnete Bauern gefallen. Mehr dazu
vielleicht ein andermal.
I hope you enjoyed the entry about
armed peasants. Perhaps more about it later.
Text: André Hanselmann
Foto: Kim Krawiec
[1]
Ernst Julius Leichtlein: „Baden's
Kriegs-Verfassung, insbesondre Landwehr und Landsturm im 17ten Jahrhundert“
Karlsruhe, 1815, S. 27
[2] Prozessakten des Prozesses zwischen
Schwäbisch Hall und Comburg wegen der Einführung katholischer Riten in der
Reichsstadt unterstehenden Dörfern, Stadtarchiv Schwäbisch Hall Sig. 15/18
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