Wie wichtig
ist das Tanzen? – How important is dancing? 4
Die
Musikanten – the musicians
Wie müssen wir uns nun die Musiker auf solchen
Tanzveranstaltungen vorstellen? Wenn wir primär die Tänze auf dem Land und
kleinere Tänze in Städten anschauen, dann fällt auf, dass es zumeist nur sehr
wenige Musiker gab. Dabei hätten Zeitgenossen schon an dem Begriff „Musiker“
Anstoß genommen. Denn zu Tänzen spielten für gewöhnlich Spielleute[1] oder
Musikanten auf. Den Unterschied zwischen Musikanten und Musikern erkennt man
darin, dass Erstere zumeist nur mit ihrem Namen genannt wurden, während
letztere zusätzlich beispielsweise in den Haller Steuerrechnungen mit „Herr“
bezeichnet wurden. Ordentliche Stadtmusiker (wenngleich in der Rechnung
verwirrenderweise als „Musicant“ bezeichnet) erhielten etwa 23 Gulden, während
ein einfacher „Musicus“ nur 22 ß bekam[2]. Auch
von einem Gehalt von 23 fl. konnte man offensichtlich nicht leben, was die
Notwendigkeit zum Tanz aufzuspielen erklärt[3].
Während die Entlohnung in Schwäbisch Hall für die Musik während der
Trauung sehr genau geregelt war[4],
heißt es zu den Musikanten, die im Wirtshaus aufspielten nur sie sollten vom
„Hochzeiter“ „eine billiche Ergötzlichkeit an Geld“ erhalten.
How we must imagine the musicians on
such dancing events? When we are focusing on dances on the land or smaller
dances in town, than we have to notice, that there were only few musicians.
Besides the contemporaries would have argued about the word “Musiker”. Because
for dancing normally “Spielleute” or “Musikanten” played their instruments. The
difference between ordinary “Musikanten” and professional “Musiker” is
remarkable when the one were mentioned with their name only but the other got
additionally the term “Herr”. Proper town’s musicians (however the counts in Schwäbisch Hall name
them “Musicant”) got 23 florins, while an ordinary “Musicus” got 22 shillings
only. However even from a salary of 23 florins they had no living and had the
necessity to play for dancing.
Although the pay for the music
in Schwäbisch Hall during the wedding in church was very clearly regulated, we find about the musicians
in the tavern who played on the party only that they should “receive a fair
satisfaction in money” by the groom.
Verkompliziert wurde die Bezahlung der Musikanten
auf Hochzeiten durch die unterschiedliche Handhabe in den verschiedenen Territorien
und insbesondere in einem Dorf in dem Untertanen verschiedener Reichsstände
nebeneinander lebten. Wir wissen ja schon einiges über die Konflikte wegen
Tüngental zwischen Hall und dem Ritterstift Comburg bezüglich der Pfarrstelle. Aber
auch die Musikanten waren durch diese Verhältnisse direkt betroffen. So war es „von
jeher gebräuchlich“, dass auch hällische bzw. comburgische Untertanen im
Wirtshaus des jeweils anderen Landesherrn Hochzeit feierten. Kamen nun die
Musikanten aus den Reihen des Hochzeiters, so hatte dieser solche zu bezahlen. Waren
die Musikanten aber „Mit-Unterthanen“ des Wirtes, mussten diese durch den Wirt „belohnt
und verpfleegt werden“. Noch schwieriger war der Fall aber, als 1786 in einem
Tüngentaler Wirtshaus der Hochzeiter Hällische Musikanten „vom Wirth aber ein
Comburgischer Musicant … bestellt“ wurde. Es wurde anschließend von amtlicher
Seite entschieden, dass es den Wirten überhaupt nicht zukäme Musikanten zu
bestellen, sondern dies die reine Aufgabe der Hochzeiter sei. Außerdem beschied
man, dass wenn nicht die „hällischen Concessions Gebühren“ bezahlt würden, die
Gäste neben einer Strafe von 3 Gulden darauf ausweichen sollten sich zum „Exempel“
in eine „scheuren“ zu „verfügen und sich dort lustig machen sollen“[5].
The payment of the musicians became
even more complicated in the different territories especially if there were
living subjects of different Imperial estates in one village together. We know
much about the conflict of Schwäbisch Hall and the knight’s convent Comburg
about the pastor. But the musicians were affected by these relations too. It
was “always common” that subjects of Hall and Comburg in the tavern of the
other sovereign. If the musicians came from the same sovereign like the groom,
the groom had to pay for them. But if the musicians were “fellow subjects” of
the host, they were to be “paid and catered” by the host. The case was even
more difficult, when in 1786 the groom booked some musicians of Hall for a
tavern in Tüngental, but “the host ordered however one musician, who was a
subject of Comburg”. Afterwards it was decided by the magistrate, that the host
has no right to book the musicians, rather that was the task for the groom only.
Besides the rulers declared that those guests, who didn’t payed “Hall’s
concession fee”, should pay a punishment of 3 florins and should “dispose themselves
for example into a barn and amuse themselves there”.
In
Augsburg wurde darauf Wert gelegt, dass die Spielleute sich „wegen des
lohns“ „vergleichen“ und „was mit ihnen gedingt worden ist dem wirth zum voraus
bezahlen“[6].
At Augsburg there was some attention
for the fact, that the bandsmen should settle themselves regarding the pay and
what “was said before to pay the host before”.
Auf Haller Bauernhochzeiten tauchen in der Regel
2-3 Musikanten auf, die durchweg aus der Region stammen. Die Quellen zu Tänzen
auf dem Land erwähnen laufend Pfeifer, soweit dass mancher einfach nur „der
Pfeiffer“ als Zusatz zu seinem Namen erwähnt wird. Bezeichnenderweise zeigt
auch eines der Monatsbilder aus dem Hällisch-Fränkischen Museum einen
Dudelsackpfeifer und einen anderen Pfeifer.
Für die Hochzeiten in der Stadt Hall liefert die
Polizeiordnung von 1703 einige Hinweise auf die üblichen Instrumente der
Musikanten. So sollten alle Bürgerklassen bis auf die oberste sich bei der
Prozession zur Kirche „mit dem Saitenspiel vergnügen“. Für die „Tafel-Music“
selbst wurden Zinken und Posaunen den „vornehmen Hochzeiten“ vorbehalten[7].
Bei der Hochzeit eines Comburgischen Untertanen 1786
auf dem Comburger Wirtshaus in Tüngental nahm „ein hiesiger Musicant“ einem
hällischen Musikanten in Steinbach die Geige weg[8].
Man kann zusammenfassen, dass die Musikanten insbesondere auf dem Land nur schwerlich von ihrer Tätigkeit leben konnten. Es war also eine Art Nebenerwerb. Die Konkurrenz war groß und man kämpfte gegen diese, egal ob aus der Nachbarschaft oder gegen wandernde Musikanten, die ohnehin von der Obrigkeit entweder verfolgt oder zumindest mit Argwohn geduldet wurden.
I want to sum up now. It's obvious, that the ordinary musicians especially in the countryside hardly could live from their profession. It was somehow a sort of sideline. The competition was big and they fought against that, no metter if the competitors came from the neighbourhood or were travelling people, who were tracked or at least tolerated with suspicion by the gorvernment anyway .
Text: André Hanselmann
Ein Geiger auf unserer Veranstaltung "Anno Domini 1743 - Freud und Leid" - a violinist on our event "Anno Domini 1743 - Freud und Leid" (Foto: Claudia Behnke) |
Two to three musicians normally
emerged on peasant’s weddings in the territory of Hall, which came all from the
surrounding area. The sources about dances in the countryside mention
frequently pipers, so much that some people got the term “piper” as an additive
to their name. It’s significantly that the pictures of the months at the
Hällisch-Fränkisches museum show a bagpiper and another piper.
We have some hints for the typical
instruments which were used in the city of Hall described by the
police-regulation of 1703. There for their wedding procession to the church all
classes of the citizens except the highest should be “pleased with string
instruments” only. Regarding the “table music” itself zinks or trombones were
reserved for the “noble weddings”.
At the wedding of a subject of
Comburg in 1786 on the tavern of Tüngental, which belonged to Comurg, a “local
musician” took away the violin of a musician of Hall at Steinbach.
Das Abhalten von gewöhnlichen Tänzen an sich wurde
genau reglementiert. So wurde vom Ursberger Reichsstift untersagt „einige
musikanten“ zu „halten“, also zum Tanz aufspielen zu lassen. Ausgenommen waren
„tafernwirth an denen kirchweihen“ und gesonderte Erlaubnisse durch die
Obrigkeit, die allerdings 30 Kreuzer kosten sollten[9]. In der
Herrschaft Wellenburg sollte 1764 jeder, der an unerlaubten Tänzen teilnahm
eine Strafe von „30 denarii“ zahlen[10].
To organize ordinary dancing was
regulated precisely. The imperial convent of Ursberg banned to “hold some
musicians”, or in other words to organize dancing. “Hosts of taverns at
fairies” and special permissions by the government, which should cost 30
“Kreuzer” each, were excepted. In the territory of Wellenburg everybody who
shared a unauthorized dance should pay “30 denarii” in 1764.
Man kann zusammenfassen, dass die Musikanten insbesondere auf dem Land nur schwerlich von ihrer Tätigkeit leben konnten. Es war also eine Art Nebenerwerb. Die Konkurrenz war groß und man kämpfte gegen diese, egal ob aus der Nachbarschaft oder gegen wandernde Musikanten, die ohnehin von der Obrigkeit entweder verfolgt oder zumindest mit Argwohn geduldet wurden.
I want to sum up now. It's obvious, that the ordinary musicians especially in the countryside hardly could live from their profession. It was somehow a sort of sideline. The competition was big and they fought against that, no metter if the competitors came from the neighbourhood or were travelling people, who were tracked or at least tolerated with suspicion by the gorvernment anyway .
Text: André Hanselmann
Fotos: Cecilia Hanselmann und Claudia Behnke
[1]
So heißt ein Paragraph in Augsburg: „Wie es mit denen spielleuthen zu halten“
in Augsburg, Hl. Geist-Hospital: „von denen wohlverordneten Tit. Tit. Pl. Pl.
Herren hospital-pflegeren zu Ausgburg erneuerte zucht- und policey-ordnung …“
20.11.1764 in Wolfgang Wüst: „Die gute
Policey im Reichskreis“, Bd. 1 Der Schwäbische Reichskreis, S. 217
[2]
Steuerrechnung 1748/49 4 . Außgab Besoldung, Stadtarchiv Schwäbisch Hall Sig. 4
a210
[3]
Siehe letzten Beitrag zum Anliegen der Stadtmusikanten 1730
[4]
Hochzeit-Ordnung in „Erneuerte Polizeyordnung … Schwäbisch Hall“, 1703, S. 27
[5]
Die Verhältnisse der Musicanten bei Hochzeiten auf dem Land, 1786/87, Stadtarchiv
Schwäbisch Hall Sig. 5/79
[6]
Augsburg, Hl. Geist-Hospital: „von denen wohlverordneten Tit. Tit. Pl. Pl.
Herren hospital-pflegeren zu Ausgburg erneuerte zucht- und policey-ordnung …“
20.11.1764 in Wolfgang Wüst: „Die gute
Policey im Reichskreis“, Bd. 1 Der Schwäbische Reichskreis, S. 217
[7]
Hochzeit-Ordnung in „Erneuerte Polizeyordnung … Schwäbisch Hall“, 1703, S. 27
[8]
Die Verhältnisse der Musicanten bei Hochzeiten auf dem Land, 1786/87, Stadtarchiv
Schwäbisch Hall Sig. 5/79
[9]
Reichsstift Ursberg: „Reichs-Gotteshauß
Ursbergische Statuta …“ 12.5.1777, in
Wolfgang Wüst: „Die gute Policey im Reichskreis“, Bd. 1 Der Schwäbische
Reichskreis, S. 364-365
[10]
Fugger-Kirchberg-Weißenborn: „Policeyordnung deß hochgräfflichen fuggerschen
pfleggerichts Wöllenburg“ 14.08.1726, in
Wolfgang Wüst: „Die gute Policey im Reichskreis“, Bd. 1 Der Schwäbische
Reichskreis, S. 467
Spannend, die Unterscheidung zwischen Musikern und Musikanten, bzw. Spielleuten. Gerade lese ich Sylvie Lagranges Monographie zur Tanzkultur im Frankreich der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Aus der Darstellung der Historikerin geht ebenfalls hervor, dass es sowohl sog. musiciens oder "symphonistes" gab, die neben sog. "ménétriers" zum Tanz aufspielten. Ob wohl der Unterschied wohl auch wie in Frankreich darin lag, dass die Musiker eine fundierte technische und theoretische Ausbildung genossen hatten und zudem auch im kirchlichen Kontext aktiv waren, wohingegen die Musikanten ihr Handwerk allein durch die Musikpraxis erwarben und in einem sozial beschränkteren Umfeld ausübten?
AntwortenLöschenInteressant fände ich im Zusammenhang mit der Tanzpraxis in deutschen Landen,
A) inwiefern die Musiker und Musikanten weiteren (komplementären) Berufen nachgingen (dies war in Frankreich offenbar die Regel: man ist nicht nur Tanzmeister, sondern gleichzeitig auch noch Violonist, Kopist, Kaffeehausbesitzer, Knopfmacher...)
B) wie und über wen welche Tanzkultur an welche sozialen Schichten vermittelt wurde (in Frankreich dringt die Pariser Tanzkultur beispielsweise in sämtlichen grösseren und mittleren Städte ein und wird zum kulturellen Pool des Adels, des Beamtentums und der wohlhabenderen Handwerker).
C) welches Tanzrepertoire vom Kleinbürgertum überhaupt gepflegt wurde (für den Adel ist die Tanzpraxis durch mehrere Quellen besser bekannt)
Auch für Frankreich gelten zeitliche Beschränkungen für das Tanzen. Diese richten sich nach dem kirchlichen Kalender (ab Aschermittwoch ist beispielsweise das Tanzen verboten).
Vielen Dank für den Kommentar.
LöschenWas das bürgerliche Tanzrepertoire angeht, gibt es zumindest manche Indizien, wo Notenbücher überdauert haben. In solchen tauchen bisweilen Gesangspartien als auch Tänze auf. Es wäre also durchaus denkbar, dass ähnlich wie in "Pride and Prejudice" die professionellen Musiker oder Musikanten garnicht vonnöten waren, sondern einfach eine Dame aus einem bürgerlichen Haushalt zu einem Tanz aufspielte. In Bühnenstücken taucht das manchmal als Motiv auf, nicht nur in der "Beggar's Opera" wo die eine Prostituierte aus dem Stehgreif zum Tanz aufspielt.
In kleineren deutschen Staaten waren außerdem die Grenzen zwischen Hof und Bürgertum fließend, wenn etwa Bürgerliche auf Hofbällen zugelassen waren. Es wäre da wohl kaum glaublich, dass die Bürgerlichen sich nicht etwas vom höfischen Tanzrepertoire abgeschaut hätten.
Es kommen noch 2 Teile der Reihe. Ich hätte wohl auch noch mehr darüber schreiben können. Aber das Feedback und die Hits zu dem Thema sind ohnehin nicht so besonders wie bei anderen (wie Schlacht Simbach, Bewaffnete Bauern usw.).
Vielleicht komme ich nochmal drauf. Aber fahrende Musikanten wären auch prinzipiell ein spannendes Thema. Offenbar überwiegend verpönt, werden diese auch manchmal positiv erwähnt.