Freitag, 10. Januar 2020

Wie wichtig ist das Tanzen? – How important is dancing? 4






Wie wichtig ist das Tanzen? – How important is dancing? 4


Die Musikanten – the musicians



Wie müssen wir uns nun die Musiker auf solchen Tanzveranstaltungen vorstellen? Wenn wir primär die Tänze auf dem Land und kleinere Tänze in Städten anschauen, dann fällt auf, dass es zumeist nur sehr wenige Musiker gab. Dabei hätten Zeitgenossen schon an dem Begriff „Musiker“ Anstoß genommen. Denn zu Tänzen spielten für gewöhnlich Spielleute[1] oder Musikanten auf. Den Unterschied zwischen Musikanten und Musikern erkennt man darin, dass Erstere zumeist nur mit ihrem Namen genannt wurden, während letztere zusätzlich beispielsweise in den Haller Steuerrechnungen mit „Herr“ bezeichnet wurden. Ordentliche Stadtmusiker (wenngleich in der Rechnung verwirrenderweise als „Musicant“ bezeichnet) erhielten etwa 23 Gulden, während ein einfacher „Musicus“ nur 22 ß bekam[2]. Auch von einem Gehalt von 23 fl. konnte man offensichtlich nicht leben, was die Notwendigkeit zum Tanz aufzuspielen erklärt[3].

Während die Entlohnung in Schwäbisch Hall für die Musik während der Trauung sehr genau geregelt war[4], heißt es zu den Musikanten, die im Wirtshaus aufspielten nur sie sollten vom „Hochzeiter“ „eine billiche Ergötzlichkeit an Geld“ erhalten.

Bildnis des Stadtmusikers und "Stadtzinkenist" Josef Conrad Meyer, Gemälde von H. Heinsius 1792 - portray of the town's musician and "town's zink-player" Josef Conrad Meyer, painting by H. Heinsius 1792 (Hällisch Fränkisches Museum, Foto: Cecilia Hanselmann)

How we must imagine the musicians on such dancing events? When we are focusing on dances on the land or smaller dances in town, than we have to notice, that there were only few musicians. Besides the contemporaries would have argued about the word “Musiker”. Because for dancing normally “Spielleute” or “Musikanten” played their instruments. The difference between ordinary “Musikanten” and professional “Musiker” is remarkable when the one were mentioned with their name only but the other got additionally the term “Herr”. Proper town’s musicians (however the counts in Schwäbisch Hall name them “Musicant”) got 23 florins, while an ordinary “Musicus” got 22 shillings only. However even from a salary of 23 florins they had no living and had the necessity to play for dancing.

Although the pay for the music in Schwäbisch Hall during the wedding in church was very clearly regulated, we find about the musicians in the tavern who played on the party only that they should “receive a fair satisfaction in money” by the groom.

Verkompliziert wurde die Bezahlung der Musikanten auf Hochzeiten durch die unterschiedliche Handhabe in den verschiedenen Territorien und insbesondere in einem Dorf in dem Untertanen verschiedener Reichsstände nebeneinander lebten. Wir wissen ja schon einiges über die Konflikte wegen Tüngental zwischen Hall und dem Ritterstift Comburg bezüglich der Pfarrstelle. Aber auch die Musikanten waren durch diese Verhältnisse direkt betroffen. So war es „von jeher gebräuchlich“, dass auch hällische bzw. comburgische Untertanen im Wirtshaus des jeweils anderen Landesherrn Hochzeit feierten. Kamen nun die Musikanten aus den Reihen des Hochzeiters, so hatte dieser solche zu bezahlen. Waren die Musikanten aber „Mit-Unterthanen“ des Wirtes, mussten diese durch den Wirt „belohnt und verpfleegt werden“. Noch schwieriger war der Fall aber, als 1786 in einem Tüngentaler Wirtshaus der Hochzeiter Hällische Musikanten „vom Wirth aber ein Comburgischer Musicant … bestellt“ wurde. Es wurde anschließend von amtlicher Seite entschieden, dass es den Wirten überhaupt nicht zukäme Musikanten zu bestellen, sondern dies die reine Aufgabe der Hochzeiter sei. Außerdem beschied man, dass wenn nicht die „hällischen Concessions Gebühren“ bezahlt würden, die Gäste neben einer Strafe von 3 Gulden darauf ausweichen sollten sich zum „Exempel“ in eine „scheuren“ zu „verfügen und sich dort lustig machen sollen“[5].


The payment of the musicians became even more complicated in the different territories especially if there were living subjects of different Imperial estates in one village together. We know much about the conflict of Schwäbisch Hall and the knight’s convent Comburg about the pastor. But the musicians were affected by these relations too. It was “always common” that subjects of Hall and Comburg in the tavern of the other sovereign. If the musicians came from the same sovereign like the groom, the groom had to pay for them. But if the musicians were “fellow subjects” of the host, they were to be “paid and catered” by the host. The case was even more difficult, when in 1786 the groom booked some musicians of Hall for a tavern in Tüngental, but “the host ordered however one musician, who was a subject of Comburg”. Afterwards it was decided by the magistrate, that the host has no right to book the musicians, rather that was the task for the groom only. Besides the rulers declared that those guests, who didn’t payed “Hall’s concession fee”, should pay a punishment of 3 florins and should “dispose themselves for example into a barn and amuse themselves there”.
In Augsburg wurde darauf Wert gelegt, dass die Spielleute sich „wegen des lohns“ „vergleichen“ und „was mit ihnen gedingt worden ist dem wirth zum voraus bezahlen“[6].


At Augsburg there was some attention for the fact, that the bandsmen should settle themselves regarding the pay and what “was said before to pay the host before”.



Tanz um den Maibaum auf einem der 4 Monatsbilder, 2. Hälfte 17. Jh. - dancing around the maypole, on one of the 4 Pictures of the months, 2nd half of the 17th century (Ausschnitt/ Detail, Fränkisch-Hällisches Museum Schwäbisch Hall, Foto: Cecilia Hanselmann)
 


Auf Haller Bauernhochzeiten tauchen in der Regel 2-3 Musikanten auf, die durchweg aus der Region stammen. Die Quellen zu Tänzen auf dem Land erwähnen laufend Pfeifer, soweit dass mancher einfach nur „der Pfeiffer“ als Zusatz zu seinem Namen erwähnt wird. Bezeichnenderweise zeigt auch eines der Monatsbilder aus dem Hällisch-Fränkischen Museum einen Dudelsackpfeifer und einen anderen Pfeifer.

Für die Hochzeiten in der Stadt Hall liefert die Polizeiordnung von 1703 einige Hinweise auf die üblichen Instrumente der Musikanten. So sollten alle Bürgerklassen bis auf die oberste sich bei der Prozession zur Kirche „mit dem Saitenspiel vergnügen“. Für die „Tafel-Music“ selbst wurden Zinken und Posaunen den „vornehmen Hochzeiten“ vorbehalten[7].

Bei der Hochzeit eines Comburgischen Untertanen 1786 auf dem Comburger Wirtshaus in Tüngental nahm „ein hiesiger Musicant“ einem hällischen Musikanten in Steinbach die Geige weg[8].


 
Ein Geiger auf unserer Veranstaltung "Anno Domini 1743 - Freud und Leid" - a violinist on our event "Anno Domini 1743 - Freud und Leid" (Foto: Claudia Behnke)


Two to three musicians normally emerged on peasant’s weddings in the territory of Hall, which came all from the surrounding area. The sources about dances in the countryside mention frequently pipers, so much that some people got the term “piper” as an additive to their name. It’s significantly that the pictures of the months at the Hällisch-Fränkisches museum show a bagpiper and another piper.

We have some hints for the typical instruments which were used in the city of Hall described by the police-regulation of 1703. There for their wedding procession to the church all classes of the citizens except the highest should be “pleased with string instruments” only. Regarding the “table music” itself zinks or trombones were reserved for the “noble weddings”.

At the wedding of a subject of Comburg in 1786 on the tavern of Tüngental, which belonged to Comurg, a “local musician” took away the violin of a musician of Hall at Steinbach.


Das Abhalten von gewöhnlichen Tänzen an sich wurde genau reglementiert. So wurde vom Ursberger Reichsstift untersagt „einige musikanten“ zu „halten“, also zum Tanz aufspielen zu lassen. Ausgenommen waren „tafernwirth an denen kirchweihen“ und gesonderte Erlaubnisse durch die Obrigkeit, die allerdings 30 Kreuzer kosten sollten[9]. In der Herrschaft Wellenburg sollte 1764 jeder, der an unerlaubten Tänzen teilnahm eine Strafe von „30 denarii“ zahlen[10].


To organize ordinary dancing was regulated precisely. The imperial convent of Ursberg banned to “hold some musicians”, or in other words to organize dancing. “Hosts of taverns at fairies” and special permissions by the government, which should cost 30 “Kreuzer” each, were excepted. In the territory of Wellenburg everybody who shared a unauthorized dance should pay “30 denarii” in 1764.


Man kann zusammenfassen, dass die Musikanten insbesondere auf dem Land nur schwerlich von ihrer Tätigkeit leben konnten. Es war also eine Art Nebenerwerb. Die Konkurrenz war groß und man kämpfte gegen diese, egal ob aus der Nachbarschaft oder gegen wandernde Musikanten, die ohnehin von der Obrigkeit entweder verfolgt oder zumindest mit Argwohn geduldet wurden.


I want to sum up now. It's obvious, that the ordinary musicians especially in the countryside hardly could live from their profession. It was somehow a sort of sideline. The competition was big and they fought against that, no metter if the competitors came from the neighbourhood or were travelling people, who were tracked or at least tolerated with suspicion by the gorvernment anyway .

Text: André Hanselmann
Fotos: Cecilia Hanselmann und Claudia Behnke



[1] So heißt ein Paragraph in Augsburg: „Wie es mit denen spielleuthen zu halten“ in Augsburg, Hl. Geist-Hospital: „von denen wohlverordneten Tit. Tit. Pl. Pl. Herren hospital-pflegeren zu Ausgburg erneuerte zucht- und policey-ordnung …“ 20.11.1764 in  Wolfgang Wüst: „Die gute Policey im Reichskreis“, Bd. 1 Der Schwäbische Reichskreis, S. 217


[2] Steuerrechnung 1748/49 4 . Außgab Besoldung, Stadtarchiv Schwäbisch Hall Sig. 4 a210


[3] Siehe letzten Beitrag zum Anliegen der Stadtmusikanten 1730


[4] Hochzeit-Ordnung in „Erneuerte Polizeyordnung … Schwäbisch Hall“, 1703, S. 27


[5] Die Verhältnisse der Musicanten bei Hochzeiten auf dem Land, 1786/87, Stadtarchiv Schwäbisch Hall Sig. 5/79


[6] Augsburg, Hl. Geist-Hospital: „von denen wohlverordneten Tit. Tit. Pl. Pl. Herren hospital-pflegeren zu Ausgburg erneuerte zucht- und policey-ordnung …“ 20.11.1764 in  Wolfgang Wüst: „Die gute Policey im Reichskreis“, Bd. 1 Der Schwäbische Reichskreis, S. 217


[7] Hochzeit-Ordnung in „Erneuerte Polizeyordnung … Schwäbisch Hall“, 1703, S. 27


[8] Die Verhältnisse der Musicanten bei Hochzeiten auf dem Land, 1786/87, Stadtarchiv Schwäbisch Hall Sig. 5/79


[9] Reichsstift Ursberg: „Reichs-Gotteshauß Ursbergische Statuta …“ 12.5.1777, in  Wolfgang Wüst: „Die gute Policey im Reichskreis“, Bd. 1 Der Schwäbische Reichskreis, S. 364-365


[10] Fugger-Kirchberg-Weißenborn: „Policeyordnung deß hochgräfflichen fuggerschen pfleggerichts Wöllenburg“ 14.08.1726, in  Wolfgang Wüst: „Die gute Policey im Reichskreis“, Bd. 1 Der Schwäbische Reichskreis, S. 467









 






2 Kommentare:

  1. Spannend, die Unterscheidung zwischen Musikern und Musikanten, bzw. Spielleuten. Gerade lese ich Sylvie Lagranges Monographie zur Tanzkultur im Frankreich der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Aus der Darstellung der Historikerin geht ebenfalls hervor, dass es sowohl sog. musiciens oder "symphonistes" gab, die neben sog. "ménétriers" zum Tanz aufspielten. Ob wohl der Unterschied wohl auch wie in Frankreich darin lag, dass die Musiker eine fundierte technische und theoretische Ausbildung genossen hatten und zudem auch im kirchlichen Kontext aktiv waren, wohingegen die Musikanten ihr Handwerk allein durch die Musikpraxis erwarben und in einem sozial beschränkteren Umfeld ausübten?
    Interessant fände ich im Zusammenhang mit der Tanzpraxis in deutschen Landen,
    A) inwiefern die Musiker und Musikanten weiteren (komplementären) Berufen nachgingen (dies war in Frankreich offenbar die Regel: man ist nicht nur Tanzmeister, sondern gleichzeitig auch noch Violonist, Kopist, Kaffeehausbesitzer, Knopfmacher...)
    B) wie und über wen welche Tanzkultur an welche sozialen Schichten vermittelt wurde (in Frankreich dringt die Pariser Tanzkultur beispielsweise in sämtlichen grösseren und mittleren Städte ein und wird zum kulturellen Pool des Adels, des Beamtentums und der wohlhabenderen Handwerker).
    C) welches Tanzrepertoire vom Kleinbürgertum überhaupt gepflegt wurde (für den Adel ist die Tanzpraxis durch mehrere Quellen besser bekannt)
    Auch für Frankreich gelten zeitliche Beschränkungen für das Tanzen. Diese richten sich nach dem kirchlichen Kalender (ab Aschermittwoch ist beispielsweise das Tanzen verboten).

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    1. Vielen Dank für den Kommentar.

      Was das bürgerliche Tanzrepertoire angeht, gibt es zumindest manche Indizien, wo Notenbücher überdauert haben. In solchen tauchen bisweilen Gesangspartien als auch Tänze auf. Es wäre also durchaus denkbar, dass ähnlich wie in "Pride and Prejudice" die professionellen Musiker oder Musikanten garnicht vonnöten waren, sondern einfach eine Dame aus einem bürgerlichen Haushalt zu einem Tanz aufspielte. In Bühnenstücken taucht das manchmal als Motiv auf, nicht nur in der "Beggar's Opera" wo die eine Prostituierte aus dem Stehgreif zum Tanz aufspielt.

      In kleineren deutschen Staaten waren außerdem die Grenzen zwischen Hof und Bürgertum fließend, wenn etwa Bürgerliche auf Hofbällen zugelassen waren. Es wäre da wohl kaum glaublich, dass die Bürgerlichen sich nicht etwas vom höfischen Tanzrepertoire abgeschaut hätten.

      Es kommen noch 2 Teile der Reihe. Ich hätte wohl auch noch mehr darüber schreiben können. Aber das Feedback und die Hits zu dem Thema sind ohnehin nicht so besonders wie bei anderen (wie Schlacht Simbach, Bewaffnete Bauern usw.).

      Vielleicht komme ich nochmal drauf. Aber fahrende Musikanten wären auch prinzipiell ein spannendes Thema. Offenbar überwiegend verpönt, werden diese auch manchmal positiv erwähnt.

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