Mittwoch, 29. Januar 2020

Wie wichtig ist das Tanzen? – How important is dancing? 5




Wie wichtig ist das Tanzen? – How important is dancing? 4
Wie wurde getanzt - how was dancing?

Die Polizeiordnungen sind voll von Verweisen gegen allzu ausgelassenes Tanzen, „wann die wohlanstaendigkeit, zucht, ordnung und ehrbarkeit dabey nicht mehr beobachtet wird“ und die „stellungen gebaehrden und kleidungen der tanzenden“ nicht der „ehrbarkeit“ entsprachen. Überhaupt wurde das „jauchzen und schreyen“ sowie „ein unerduldliches tumultiren“ untersagt[1].

The police regulations are full with hints against too animated dances „when the respectability, discipline, order and honourableness is no more observed” and the “positions gestures and clothes of the dancing persons” were not corresponding with the “honour”. In general the “cheering and crying” as much as the “unacceptable turmoil” was prohibited.


Leider erfährt man in hällischen Quellen nirgends, welche Tänze denn effektiv getanzt wurden.
Prinzipiell sind allerdings die Altländer „Noten- und Tourenbücher“ von 1791 und 1792 beredte Zeugnisse der Tanzkultur im ländlichen Raum. Wir haben diese Tanzmeisterschriften schon selber auf einigen Veranstaltungen vor allem im Freilichtmuseum am Kiekeberg genutzt. Sie verdeutlichen, dass sich die Landbevölkerung in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts offenbar an den modischen Tänzen des Bürgertums und Adels orientierte[2]. Die von Tanzmeistern für Landleute handschriftlich gefertigten Werke veranschaulichen, dass das Tanzrepertoire auf dem Dorf durchaus nicht einfach sein musste. Es finden sich in diesen Büchern auch aufwendigere Quadrillen, die einige Kenntnisse vorausgesetzt haben müssen.
An anderer Stelle habe ich den Hinweis gefunden, dass die Obrigkeit im 18. Jahrhundert die „Walzerischen Tänze“ streng verboten habe, da dort aufgekommen sei „die Weibsbilder und Tänzerinen dergestalt umzutreiben und zu drehen, daß hiedurch die Kleider sich so hoch erheben, daß derselben blosser Leib, nicht ohne Aergernißm ersehen werden mag“. Im städtischen Bereich habe sich dann der Einfluss dieses Volkstanzes im Ländlerischen oder Deutschen Tanz, einer stilisierten Form des Drehtanzes, niedergeschlagen[3].
Im oben genannten Altländer Tanzmeisterbuch von 1791 taucht das Walzen als Element innerhalb der üblichen Reihentänze auf, ist aber kein bestimmender Teil der Tänze. Es wurde also nicht fortwährend in diesen Tänzen „gewalzt“ sondern das Walzen gehörte bloß zu einer der Figuren.


Unfortunately I could not find in sources at Schwäbisch Hall, which dances were performed effectively.
However in general the Altländer “Noten- und Tourenbücher” (notes and rotation books) from 1791 and 1792 are a really convincing source for the dancing culture in the countryside. We used the dancing master’s writings for several events especially in the open air museum at the Kiekeberg (near Hamburg). They underline, that the rural population during the second half of the 18th century used the fashionable dancing of the bourgeoisie and noblesse as an example. These works, produced handwritten by dancing masters for the peasantry, illustrate, that the dancing repertoire in a village should not be very simple. There are some really complicated quadrilles, which demanded some knowledge at least.
I found some notes elsewhere, that the rulers strictly banned “waltzing dances”, because they tempted “the wenches and female dancers to drift and turn, causing the lift of the clothing, when the naked body was seen not without vexation”. These folkdances had an impact on a stylish form of a turning dance named the “Ländlerische” or German dance in the urban society.
The waltzing could be found in the Altländer dancing master book from 1791 as an element in an ordinary longways dance, but is not a very prominent part of the dances. That means that the dancers were not continuously “waltzing” but the waltz was just a figure of a dance.   
Wir selbst verwenden verschiedene Quellen, französische oder deutsche für unsere Veranstaltungen in Wackershofen oder anderswo. In Wackershofen sind wir bemüht zeitlich stimmige und regional glaubhafte Tänze etwa aus Durlach auszuwählen, die meistens Gassentänze sind.
Wir tanzen den französischen Gassentanz "La bonne amitié" vor dem Gasthaus, rechts der Musikant mit Tanzmeistergeige - we are dancing the French longways Dance "La bonne amitié" in front of the inn, at the right the musician with a dancing master's kit. (Foto Familie Paulick, 2015 Anno Domini 1765 - Bauernhochzeit)
We ourselves are using different sources – French and German – for our events at Wackershofen and elsewhere. We try to choose for Wackershofen contemporary and locally believable dances like those from Durlach, most of them are longways.


Ein immer wieder auftauchender Aspekt bei Hochzeiten ist das Verbot im Hällischen, dass sich Personen „ausser denen Hochzeit-Gästen“ „sich selbst zum Tantzen eindringen“, das heißt von sich aus mitmachten[4]. Das ist meines Erachtens ein beredtes Zeugnis wie gern die Menschen damals tanzten.
Zumindest in der Gegend von Schmalkalden lässt sich im 17. Jahrhundert klar feststellen wie genau die Obrigkeit auf die Einhaltung ihrer Gebote achtete. So wurde 1619 bei der Hochzeit der Eheleute Anna und Wilhelm Liebaug der Tanz durch Stadtknechte abgeklopft und bei der Gelegenheit festgestellt, dass das Paar mit 29 Gästen in Form von 3 unverheirateten Freunden Wilhelm Liebaugs, die nicht auf der offiziellen Gästeliste standen, gegen die örtliche Vorschriften verstieß. Die Liebaugs mussten eine mehrere Gulden hohe Strafe zahlen[5].


A very often emerging aspect in the territory of Hall is the prohibition against persons, “not from the wedding guests”, “who forced their way to share the dancing”, which means that they joined in by themselves.  That’s in my opinion a good testimony how much the contemporaries loved dancing.
At least in the neighbourhood of Schmalkalden in the 17th century it’s clearly detectable that the authority observed the following of their regulations. In 1619 for example the dance of the newlyweds Anna and Wilhelm Liebaug was taped by the town’s footmen. At that occasion it was noticed, that the couple had 3 unmarried friends of Wilhelm Liebaug within their 29 guests, which not were written on the official list of the guests. That violated the local reglementations. The Liebaugs had to pay their punishment of several florins.

Text: André Hanselmann
Foto: Familie Paulick





[1] Augsburg, Hl. Geist-Hospital: „von denen wohlverordneten Tit. Tit. Pl. Pl. Herren hospital-pflegeren zu Ausgburg erneuerte zucht- und policey-ordnung …“ 20.11.1764 in  Wolfgang Wüst: „Die gute Policey im Reichskreis“, Bd. 1 Der Schwäbische Reichskreis, S. 217


[2] Hinrich Behr (Hrsg.): „Die Altländer Noten- und Tourenbücher von 1791 und 1792“ Publikationen der Kulturstiftung Altes Land, Bd. 4, Husum-Verlag, 2009


[3] Michael Malkiewicz: „wir machen gschwind ein tanzerl …“ hier: „Anlässe zum Tanz“ auf der HP des Mozart-Opern Instituts An der Universität Mozarteum Salzburg, abgerufen am 23.12.2019, https://mozartoper.at/content/view/107/56/lang,de/


[4] Hochzeit-Ordnung in „Erneuerte Polizeyordnung … Schwäbisch Hall“ 1703, S. 32


[5] Kai Lehmann: „Leben und Sterben im Dreißigjährigen Krieg, wehry Verlag, Untermaßfeld, 2014, S. 35



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