Samstag, 25. Mai 2024

Bitonto 25.05.1734

Man kann die kleine Schlacht bei Bitonto als eine der Entscheidungsschlachten des 18. Jh. ansehen, wenn auch die eigentlichen Chancen der Habsburger das Königreich Neapel in ihrer Hand zu behalten bereits zu dem Zeitpunkt als marginal zu bezeichnen waren. Die Niederlage kann also eher als ein Schlusspunkt unter die Geschichte gesehen werden. Nachdem die spanischen Bourbonen bereits im Krieg der Quardrupelallianz durch eine Landung auf Sizilien erfolglos versucht hatte, dem Habsburger Karl VI. das Königreich Neapel zu entreißen, wurden nun mit dem Kriegsausbruch 1733 im Fahrwasser eines Krieges an der Seite Frankreichs ein erneuter Anlauf genommen. Der Widerstand den die Österreicher unter dem Vizekönig Visconti (1664-1750) und Feldmarschall Traun (1677-1748) [1] war vollkommen unzureichend. So konnte Don Carlos (1716-1788) am 15. Mai 1734 in Neapel einziehen. Der Vizekönig von Neapel suchte das Weite und damit brach rasch die Herrschaft der Habsburger über das Königreich in sich zusammen. 

Die Aufstellung am Anfang vor der Schlacht. - The initial deployment before the battle. (photo: C. Hanselmann, 2023)

The small battle of Bitonto can be seen as one of the decisive battles of the 18th century, even if the Habsburgs' actual chances of keeping the Kingdom of Naples in their hands could already be described as marginal at that point. The defeat can therefore be seen as a final point in history. After the Spanish Bourbons had already unsuccessfully attempted to land on Sicily in the War of the Quardruple Alliance, the Habsburg Charles VI. With the outbreak of war in 1733, a new attempt was made to wrest the Kingdom of Naples away in the wake of a war on the side of France. The resistance of the Austrians under Viceroy Visconti (1664-1750) and Field Marshal Traun (1677-1748) [1] was completely inadequate. So Don Carlos (1716-1788) was able to enter Naples on May 15, 1734. The Viceroy of Naples fled and the Habsburgs' rule over the kingdom quickly collapsed.  

Meine Karte für mein ursprüngliches Szenario, welches dem Buch von Gerba folgt. - My map for my original scenario folowing Gerba's book. (copyright: André Hanselmann)


Die wenigen und ohne Artillerie ausgestatteten Truppen unter Joseph Anton von Pignatelli (1682-1762) [2] hatten kaum eine Chance und suchten der nicht nur nummerisch überlegenen Armee unter General von Montemar (1671-1747) aus dem Wege zu gehen. Die Strategie der habsburgischen Seite war zum Scheitern verurteilt. So gingen alle Stützpunkte der habsburgischen Kräfte verloren. Nur die Festung Gaeta wurde noch seit dem April durch Feldmarschallleutnant von Tattenbach gehalten [3]. Traun als wohl erfahrenster Feldherr verließ nachdem er ausmanöveriert worden war den Kriegsschauplatz.

Ich habe meinen Plan anhand der Darstellung aus dem 18. Jh. überarbeitet. - I changed my plan according to the picture from the 18th century. (photo: Cecilia Hanselmann, 2023)

 

 

The few troops under Joseph Anton von Pignatelli (1682-1762) [2], which were not equipped with artillery, had little chance and tried to avoid the army under General von Montemar (1671-1747), which was not only numerically superior. The Habsburg side's strategy was doomed to failure. So all the bases of the Habsburg forces were lost. Only the Gaeta fortress had been held by Lieutenant Field Marshal von Tattenbach since April [3]. Traun, probably the most experienced general, left the theater of war after being outmaneuvered.

Eine neuere Karte, die völlig der zeitgenössischen Darstellung folgt. - A new map following the contemporary picture. (copyright: André Hanselmann)


Da Pignatelli seine Truppen nicht evakuieren konnte und bei dem Städtchen Bitonto eingeholt wurde, stellte er sich mit diesen zur Schlacht. Bis auf die Kontingente aus 3 Infanterieregimentern jeweils in etwa in Bataillonsstärke [4] verfügte er über keine nennenswerte Infanterie. Denn viele der übrigen Fußsoldaten waren Rekruten oder Milizen [5] mit unbekannter Qualität oder Moral. An Kavallerie verfügte er lediglich über etwa 2 1/2 Regimenter [6]. Ursprünglich habe ich nur mit dem Standardwerk des k.u.k. Kriegsarchivs über diesen Krieg gearbeitet [7]. Aber mittlerweile wurde eine zeitgenössische Karte auf Wikipedia hochgeladen, welche ein anderes Bild der Schlacht liefert [8]. Gerbas Beschreibung der Aufstellung der Armee unter dem General der Kavallerie Pignatelli widerspricht deutlich der besagten Karte. Denn bei Gerba befindet sich die Stadtmauer von Bitonto 600 Schritt direkt hinter der parallel zu ihr aufgestellten 2.000 Schritt breiten Formation der Österreicher [9]. Von daher wäre ein direkter Rückzug Pignatellis im Fall der Niederlage in die schützenden Mauern plausibel [10]. Andererseits könnten sich Mauern im Rücken auch als Falle auswirken. Wir wissen leider nicht, was Pignatellis strategische Optionen waren, ob zum Beispiel ein Rückzug nach Norden von ihm angedacht worden wäre. Möglicherweise hätte dabei auch eine mangelnde Versorgung zur Auflösung seiner kleinen Armee geführt.


S. Antonio wurde in unserem letzten Spiel sogleich von spanischen Garden angegriffen. Die unerfahrenen Truppen hielten vorerst stand. - In our last game S. Antonio was under attack by the Spanish guards early in the game. The inesxperienced toops could defend themselves for the first round. (photo: Cecilia Hanselmann 2023)

Since Pignatelli could not evacuate his troops and was overtaken near the town of Bitonto, he joined them in battle. Apart from the contingents of 3 infantry regiments, each roughly battalion-sized [4], he had no infantry worth mentioning. Because many of the remaining foot soldiers were recruits or militia [5] of unknown quality or morale. He only had about 2 1/2 regiments of cavalry [6]. Originally I only worked with the standard work of the k.u.k. War archives about this war [7]. But a contemporary map has now been uploaded to Wikipedia, which provides a different picture of the battle [8]. Gerba's description of the formation of the army under General of Cavalry Pignatelli clearly contradicts the map in question. At Gerba, the city wall of Bitonto is 600 paces directly behind the 2,000 paces wide formation of the Austrians that was set up parallel to it [9]. Therefore, Pignatelli's direct retreat into the protective walls in the event of defeat would be plausible [10]. On the other hand, walls in the back could also act as a trap. Unfortunately, we do not know what Pignatelli's strategic options were, for example whether he would have considered a retreat to the north. A lack of supplies might have led to the dissolution of his small army.

 

Ich spielte die Österreicher und war froh, dass die Wallonische Infanterie gegen meinen rechten Flügel nicht so recht vorran kam. Ich stellte die Kürassiere so auf, dass sie eventuell gegen die spanische Reiterei eine Attacke reiten konnte. Einige Grenadiere sollten als meine verlässlichste Truppe ein Gehöft im Zentrum meiner Aufstellung halten. - I played the Austrians and I was happy that the Waloon infantry could not advance faster against my right wing. I positioned my cuirassiers to eventualy order a charge against the Spanish horse. Some grenadiers had to defend a small hamlet in my center because they were one of my more reliable units. (photo: C. Hanselmann, 2023)

Insgesamt verfügte Pignatelli über etwa 6.000 Mann, während die Spanier mit 16.000 Mann deutlich überlegen waren, so dass eine Einschließung und Überflügelung im Raum standen. Immerhin hatten sich die Vorgefechte als nicht zu negativ dargestellt, so dass Montemars Truppen einmal auf ihr Lager vor Bitonto zurück gegangen waren. Ebenso wie auf der zeitgenössischen Karte stellt auch Gerba dar, dass die Österreicher zahlreiche vor der Stadt gelegene Gehöfte für ihre Verteidigung nutzbar machen konnten. Im Übrigen war das Terrain allerdings für eine Abwehrschlacht wenig geeignet und nicht dazu hinreichend den Nachteil Pignatellis auszugleichen. Die Generalfeldwachtmeister Strongoli, Rutowski und Vinal kommandierten linken Flügel, Zentrum und rechten Flügel. Die Klosteranlage von San Antonio [11] bildete einen Angelpunkt von Pignatellis Armee, der die linke Flanke sicherte. Hier hatten sich die "letzten Recrouten" [12] unter Obristwachtmeister Arriosti (1690-1766) verschanzt [13].

 

Montag, 13. Mai 2024

Ein paar neue Reiter - Some new cavalry

Ich habe mich in den letzten Wochen etwas zurück gehalten nachdem ich für unsere Kampagne mit Honours of War [1] einige Österreicher für den Polnischen Thronfolgekrieg bemalt hatte [2]. Dann sind mir ein paar Figuren aufgefallen, die ich noch in meiner Sammlung gefunden habe. Ich hatte ja schon einige Spielberichte hier vorgestellt, wenn ich für kleinere Scharmützel Pikeman's Lament [3] verwendet habe. Besonders überraschend fand ich ein Vorgefecht der Schlacht bei Stadtlohn [4].

(photo: André Hanselmann)

 

I've been holding back a bit in the last few weeks after painting some Austrians for the War of the Polish Succession for our Honours of War [1] campaign [2]. Then I noticed a few figures that I still found in my collection. I have already presented some game reports here when I used Pikeman's Lament [3] for smaller skirmishes. I found a preliminary encounter to the Battle of Stadtlohn [4] particularly surprising.

(photo: André Hanselmann)

Donnerstag, 2. Mai 2024

Historiker von nebenan/historians alongside: Daniel Klotz P2

Hier geht das Interview auch inhaltlich anschließend mit Daniel Klotz weiter.

We continue with the interview with Daniel Klotz.

Auch das Tragen von Wasser kann zum Dienst eines Musketiers gehören. - To carry water can be part of the service of a musketeer. (photo: Michael Leyendecker, 2024)


André Hanselmann: Die Frage ist aber auch, da Du das Thema praktisch ansprichst [1] wie es denn um die Disziplin im 17. Jahrhundert bestellt war? Ich denke da an das eine Duell von Jan von Werth [2], als ein ihm unterstellter Offizier ihn auf einer Kommandositzung angreift. Wir reden immer wieder von desertierenden Söldnern [das allerdings bis weit ins 18. Jh.], Insubordinationen, Amtsanmaßungen usw.. Manchmal finden wir harsche Bestrafungen und häufig aber auch eine große Nachsicht gegenüber Verhalten, das ein Jahrhundert später mit Haft oder gar Hinrichtung geendet hätte.

Daniel Klotz: Das ist wirklich eine gute Frage. Die Artikelbriefe (das Kriegsrecht) liefern eine Menge Gesetze (in den Bayerischen Artikelbriefen 72 Gesetze für den Infanteristen), wie sich die Soldaten zu verhalten haben, was alles verboten ist und welche Strafen bei Zuwiderhandlung drohen. Wie Du aber schon erwähnt hast, gibt es viele zeitgenössische Quellen, die belegen, dass diese Gesetze - auch von hohen Offizieren - gebrochen wurden. Ich habe oft den Eindruck, dass vieles toleriert wurde, solange es dem Offizier keine Probleme oder persönlichen Nachteile brachte. Ich kann mir aber auch gut vorstellen, dass die Strafen einfach weniger gut dokumentiert sind als ein Jahrhundert später bzw. die Dokumentation der Strafen heute nicht so bekannt ist. Es gibt z. B. zwei Musterungslisten der Kompanien Hammer und Linck aus den Jahren 1622/23, in denen eine ganze Reihe von Strafen für die verschiedensten Vergehen der Soldaten dokumentiert sind [3]. Das reicht von Beleidigungen über kleine Wirtshausraufereien bis hin zum Erstechen eines Militärmetzgers bei einer Schlägerei.

Fähndrich und Sergeant an der Spitze einer Truppe Pikeniere. - The ensign and the sergeant at the head of a group of pike. (photo: Michael Leyendecker 2024)


André Hanselmann: But the question is also, since you address the topic practically [1] what was the state of discipline in the 17th century? I'm thinking of Jan von Werth's one duel [2] when an officer subordinate to him attacked him at a command meeting. We always talk about deserting mercenaries [this continued well into the 18th century], insubordination, presumption of office, etc. Sometimes we find harsh punishments and often a great deal of leniency towards behavior that ended in imprisonment or even execution a century later would have.

Daniel Klotz: That's a really good question. The Article Letters (the law of war) provide a lot of laws (in the Bavarian Article Letters 72 laws for the infantryman), how the soldiers should behave, what is forbidden and what punishments there are for violations. But as you already mentioned, there are many contemporary sources that prove that these laws were broken - even by high-ranking officers. I often have the impression that a lot of things were tolerated as long as they didn't cause any problems or personal disadvantages for the officer. But I can also well imagine that the punishments are simply less well documented than they were a century later or that the documentation of the punishments is not as well known today. There is e.g. B. two muster lists from the Hammer and Linck companies from 1622/23, in which a whole series of punishments for a wide variety of soldiers' offenses are documented [3]. This ranges from insults to small bar fights to the stabbing of a military butcher in a fight.

Kartenspielen war im Dreißigjährigen Krieg oft Anlass für Streitigkeiten. Hier sieht man ihn und eine Marketenderin vor unserem Wirtshaus im Jahre 1622. - Card games often were an ocassion for trouble during the TYW- Here you can see him with a sutler in front of our inn in the year 1622. (photo: Ulf Dahm, 2022)



Daniel hier inmitten weiterer Pikeniere. Vor allem die Pike spielte als Nahkampfwaffe im Dreißigjährigen Krieg noch eine wichtige Rolle. - Daniel in the midst of other pikemen. The pike still played an important role with other close combat weapons during the TYW. (photo: Ellie Wout)

A. Hanselmann: Um beim Militärischen zu bleiben. Ich kann mich daran erinnern, dass früher bedingt durch Grimmelshausens Aussage in seinem "Springinsfeld" über den Pikenier als Unschuldigen, der keiner Fliege was zu Leibe tut [4], die Ansicht kursierte, dass Nahkampfwaffen im Dreißigjährigen Krieg kaum noch eine Rolle spielten. Neuere Forschung wie die Untersuchung der Leichen vom Schlachtfeld von Wittstock [5] vermitteln einen anderen Eindruck [6]. Dr. Stefan Mäder hat in seinem Vortrag in Breisach die hohe Bedeutung der Waffen wie Pike und Stichwaffen untermauert [7]. Was ist Dein Eindruck auch durch Deinen Fokus auf das Thema als Pikenier? Der Einsatz des Spießes gegen gegnerisches Fußvolk ist doch nicht nur durch zeitgenössische Darstellungen [8] deutlich dokumentiert oder nicht?

D. Klotz: Die Aussage Grimmelshausens über die Pikeniere im „Springinsfeld“ scheint mir sehr übertrieben, um zu zeigen, dass das Leben eines Pikeniers nicht gerade leicht war. Immerhin musste er eine Rüstung und einen langen Spieß tragen. Außerdem ist so ein Pikenier allein ziemlich wirkungslos und hat nur in einer größeren Einheit einen wirklichen Kampfwert. Grimmelshausen vergleicht den Pikenier auch mit dem Musketier, den er als „wohlgeplagte, arme Kreatur“ bezeichnet. Das zeigt, dass er wohl ganz allgemein das harte Leben als Soldat - egal welcher Truppengattung - schildert. Wie Du richtig sagst, gibt es zahlreiche Belege für den Einsatz der Pike als Offensivwaffe gegen feindliches Fußvolk und nicht nur als Defensivwaffe gegen die Kavallerie. Ein Beispiel dafür sind die zahlreichen Schlachtendarstellungen und -beschreibungen von Merian oder Snayers. Auch in meiner Reenactment-Erfahrung als Pikenier macht der Einsatz gegen Fußvolk durchaus Sinn. Die Pike kann in der Masse eine sehr effektive Waffe sein. Vor allem bei Kräfteungleichgewichten zwischen angreifenden Pikenhaufen oder bei Flankenangriffen zeigen die Pikeniere, wie wertvoll sie auf dem Schlachtfeld sein können. Man muss aber auch bedenken, dass wir Schlachten heute anders darstellen, als sie wirklich waren. Beispielsweise haben wir heute nur selten Kavallerie auf dem Schlachtfeld, weshalb die Pikeniere ganz anders agieren können und müssen, als dies im Dreißigjährigen Krieg der Fall war.


Seite an Seite unter den spanischen Pikeniere. Man beachte die verschiedenen Helmformen und verschiedenen Rüstungen. - Side by side with Spanish pikemen. Please note the different forms of helmets and different armour.