Montag, 17. Januar 2022

Historiker von nebenan - Historians alongside: Oliver Schmidt

Nach einer größeren Pause will ich unsere Reihe von Interviews mit Historikern aus unserem Umkreis fortsetzen. Die Resonanz hat mir bislang sehr gut gefallen.

Heute soll es um Oliver Schmidt gehen, der nicht nur eine wichtige Rolle in der Darstellungsgruppe 22e demi-brigade spielt, sondern auch schon an unseren Anno Domini Veranstaltungen in Wackershofen teilgenommen hat. Einige werden ihn durch die sehr informative Webside der 22e [1] oder durch seine Publikationen oder eben von Veranstaltungen im In- und Ausland kennen. 

After a longer break, I want to continue our series of interviews with historians in our cercle. So far, I have enjoyed the response very much. 

Today it will be about Oliver Schmidt, who not only plays an important role in our group 22e demi-brigade, but has also participated in our Anno Domini events in Wackershofen. Some will know him from the very informative website of 22e [1] or from his publications or from events at home and abroad.

Oliver Schmidt als unser Knecht auf der Anno Domini Veranstaltung 2017 [2] beim Fertigen von Besenstielen. - Oliver Schmidt in the role of a farmhand on the Anno Domini Event in 2017 [2] producing a stick for a broom. (photo: Claudia Behnke)

"Ich:  Ich will einmal sozusagen im Urschleim anfangen. Du hast ja Indologie und Geschichte studiert in Heidelberg. Gibt es da noch Erkenntnisse aus Deinen akademischen Studiengängen, die Du heute für das Hobby oder Deine Arbeit nutzt?

Oliver Schmidt: An der Uni habe ich Geschichte nur kurz studiert, für ein Jahr, nachdem ich meinen Magister Artium als Indologe gemacht hatte.
Die richtige Einstellung zur historischen Forschung, vor allem, kritisch alles in Frage zu stellen und anhand der ursprünglichen Quellen zu überprüfen, hatte ich mir da schon längst selber angeeignet. Besonders hilfreich waren dafür die Recherchen fürs Hobby gewesen, und fruchtbare Diskussionen mit anderen Re-Enactors, vor allem mit unserem damaligen Kommandeur Hans-Karl Weiss. 

Me: I want to start with the primordial slime, so to speak. You studied Indology and History in Heidelberg. Are there any findings from your academic courses that you use today for your hobby or your work? 

Oliver Schmidt: I only studied history briefly at the university, for a year after doing my Magister Artium as an Indologist. 

I had long since acquired the right attitude to historical research, above all to critically question everything and check it against the original sources. The hobby research and fruitful discussions with other re-enactors, especially with our commander at the time, Hans-Karl Weiss, were particularly helpful.


 

Ich: Ohne viel Werbung machen zu wollen, erinnere ich mich daran, dass Du damals in den ersten Jahren, die ich bei der 22e war, an einem Buch für den Osprey-Verlag (Prussian Regular Infantryman 1808–15 [3] ) geschrieben hast. Hast Du heute auch noch Buchprojekte? Würde Dich noch etwas reizen, worüber Du eventuell gern einmal wissenschaftlich publizieren würdest?

O.S.: Ich habe mehrere Projekte, mit denen ich mich immer wieder abwechselnd beschäftige, wenn ich gerade Zeit und Lust habe. Ende nächsten Jahres soll beim Zeughaus-Verlag der erste von drei Bänden über die Uniformierung der Preußischen Armee von 1808 bis 1815 erscheinen, von Rolf Fuhrmann illustriert, Markus Stein schreibt dazu die Abschnitte über die Formationsgeschichte. Unter anderem transkribiere ich auch nach und nach die preußischen Exerzier-Vorschriften zwischen 1798 und 1806, die alle nur in alten Abschriften in Archiven erhalten sind und bisher noch nie, selbst damals nicht, im Druck erschienen sind.

Me: Without wanting to do a lot of advertising, I remember that in the first years that I was a member of the 22e, you were writing a book for the Osprey publishing house (Prussian Regular Infantryman 1808–15 [3]) . Do you still have book projects today? Is there something else that you would like to publish scientifically about?

O.S .: I have several projects that I take turns taking turns whenever I have the time and inclination. The first of three volumes on the uniforms of the Prussian Army from 1808 to 1815 will be published by Zeughaus-Verlag at the end of next year, illustrated by Rolf Fuhrmann, and Markus Stein will write the sections on formation history. Among other things, I also gradually transcribe the Prussian drill regulations between 1798 and 1806, all of which have only been preserved in old copies in archives and have never, even then, appeared in print. 

Oliver auf den Spuren der 22e demi-brigade auf dem Pass oberhalb von Fort Bard (im Hintergrund). Ich war auch als einziger Grenadier dabei. Schaut einfach mal unter Berichte auf der Homepage der 22e für mehr Infos! - Oliver on the tracks of the 22e demi-brigade at the pass above of the fortress of Bard (in the background). I was the only grenadier together with him. Just look in the repports on the homepage of the 22e! (photo: André Hanselmann/Oliver Schmidt, 2021)

 

 

Sonntag, 2. Januar 2022

Der böse Amtmann von Wahlsdorf - The evil bailiff of Wahlsdorf (Karl May)

Mich interessiert ja durch meine Darstellung sehr wie ein Amtmann gelebt hat, da ich die Rolle selber in Wackershofen übernehme. Aus der selben Perspektive finde ich Dienstboten spannend [1]. Ich habe mich schon desöfteren hier im Blog [2] aber auch an anderer Stelle zu dem Thema vor allem des Amtmannes im Amt Rosengarten geäußert [3]. Ich greife gerne alle möglichen Informationen über Amtmänner auf, wo ich sie nur finden kann. Die Lebensumstände dieser Beamten sind von Region zu Region vollkommen unterschiedlich. Mal lebten sie inmitten der Bauern auf dem Dorf, mal auf einer Burg wie der Ministeriale des Hochmittelalters oder auch wie beim Beispiel "meines" Amtmannes in der Stadt Schwäbisch Hall ohne einen erkennbaren Dienstsitz.

Karl May (1842-1912) porträtierte nun auf seine eigene Weise 1875 im Rahmen seiner Erzählung "Ein Stücklein vom Alten Dessauer" einen Amtmann der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Natürlich muss man berücksichtigen, dass May kein allzugroßer historischer Wahrheitsgehalt zuzubilligen ist. So hatte Karl May beispielsweise in "Die Kriegskasse" von 1878 kein Problem damit Feldmarschall Blücher als einen engen Vertrauten der Lützower darzustellen, welche in dieser Novelle gar 1814 am Rhein seine Eskorte stellen[4].  

I am very interested in how a bailiff lived because of my portrayal, since I take on the role myself in Wackershofen. From the same perspective, I find servants exciting [1]. I have already expressed myself several times here in the blog [2] but also elsewhere on the subject, especially of the bailiff in the Rosengarten office [3]. I like to pick up all kinds of information about officials wherever I can. The living conditions of these officials are completely different from region to region. Sometimes they lived in the middle of the farmers in the village, sometimes in a castle like the "Ministeriale" of the High Middle Ages or, as in the example of "my" bailiff in the city of Schwäbisch Hall, without a recognizable official office (bureau).

Karl May (1842-1912) now portrayed a bailiff from the first half of the 18th century in his own way in 1875 as part of his story "A little piece of the old Dessauer". Of course, one has to take into account that May is not too historically truthful. For example, in "Die Kriegskasse" from 1878 Karl May had no problem portraying Field Marshal Blücher as a close confidante of the Lützower, who in this novella even provided his escort on the Rhine in 1814 [4].

Der Amtmann vom Amt Rosengarten auf einer unserer Veranstaltungen. Karl Mays Amtmann Hiller wird wohl keine solche Kleidung getragen haben, die eher die eines Ratsherrn ist. - The bailiff from the Rosengarten office at one of our events. Karl May's bailiff, Hiller, will probably not have worn clothing like that of a councilor.


Ich will hier kurz die Handlung von Karl Mays Erzählung umreißen. Man wird am Anfang in die Situation geworfen, dass sich ein gewisser Amtmann Hiller beim Alten Dessauer meldet, der ihm empfiehlt eine Menge Bauernburschen auf einem Tanzboden zwangsrekrutieren zu können [5]. Hiller gilt im Umkreis des Fürsten von Anhalt als ein geeigneter Beamter. Doch kommt Fürst Leopold I. (1676-1747) rasch Hiller auf die Schliche, dass dieser mit dieser Rekrutenwerbung sich nur den jungen Wilhelm Schmidt vom Halse schaffen will, welchen eine gewisse Annemarie liebt. Annemarie aber soll aus Sicht der Hillers den Sohn des Amtmannes heiraten, was den Hillers umso besser scheint, da sie die Tochter des offenbar wohlhabenden "Wiesenbauers" ist. Fürst Leopold fühlt sich aber zu Hillers Pech just Wilhelms Vater gegenüber verpflichtet, da der alte einarmige Veteran Schmidt vor Jahren das Leben des Fürsten gerettet hatte. Der Fürst verkleidet sich nun und kommt in das Dorf Wahlsdorf. Zufälligerweise bedient sich der für den Amtmann unkenntliche Fürst just an den Pflaumen in Hillers Garten. Daraufhin lässt der Amtmann den Pflaumendieb durch einen sogenannten Wächter Jörge gefangen ins Spritzenhaus führen, welches in Ermangelung eines richtigen Gefängnisses zur Unterbringung von Gefangenen dient. Mit seiner Großzügigkeit und seinem Charisma gelingt es dem vermeintlichen Vagabunden nun Jörge dazu zu bringen mit ihm unterwegs ins Wirtshaus zu gehen, wo der Fürst noch mehr über den Charakter von Amtmann Hiller erfährt. Als es dem Amtmann endlich gelingt den Gefangenen ins Spritzenhaus zu stecken wird es demselben zu bunt und er reißt aus - nicht ohne Amtmann und Wächter ihrerseits in dem "Gefängnis" einzusperren. Der nunmehr freie Fürst begibt sich zu seinem Getreuen Schmidt und tritt dann am Abend auf der Verlobung von Annemarie mit Eduard Hiller auf. Dort gibt sich der Fürst endlich zu erkennen und setzt nicht nur den untauglichen Amtmann Hiller, der sogar das Verstecken eines Deserteurs auf dem Kerbholz hat, ab sondern lässt auch den groß gewachsenen Eduard Hiller unter seine Soldaten stecken. Als Vollendung des Glücklichen Ausgangs wird Wilhelm Schmidt an Hillers Stelle vom Fürsten zum Amtmann ernannt - auch zur Freude des Wiesenbauers, der nun einen Amtmann immerhin zum Schwiegersohn bekommt.