Da wir in Teil 2 und 3 dargestellt haben, dass
weder die Städter von Schwäbisch Hall scharenweise in ferne Gegenden des
Erdballs aufbrachen noch die hällischen Untertanen auf dem Land, möchte man
fast glauben, dass die Leute doch so ziemlich in ihrer Gegend blieben. Aber es
gab eine große Ausnahme und das waren Soldaten. Schwäbisch Hall hatte außer in
Kriegszeiten wie etwa im 7-jährigen Krieg nie Probleme ihr eigenes
Kreiskontingent durch die Anwerbung von Freiwilligen zu füllen. Deswegen hatte
der Rat der Stadt offenbar nichts dagegen, wenn Untertanen für ausländische
Mächte Dienste annahmen.
As we did show in part 2 and 3,
neither the citizens of Schwäbisch Hall left the town for far sides of the
globe, nor the subjects in the countryside did so. We might believe, that the
folks all more or less stayed in the region. But there was one great exception
and that were soldiers. Schwäbisch Hall never had problems to recruit
voluntaries for the own contingent of the Imperial circle except during wartime
like the Seven years’ war. Therefore the
magistrate of the town obviously had no concerns, if subjects took service for
foreign powers.
Besonders augenscheinlich wird das, wenn der Rat
ständig ausländischen Werbern die Erlaubnis erteilte auf dem Land zu
rekrutieren wie zahlreiche Einträge in den Ratsprotokollen belegen. Dies tat
die Stadt obwohl die Kaiser ausländische Werbungen wiederholt verboten. Auf ein
besonderes Beispiel werde ich detailliert eingehen. Das Prozedere war relativ
einfach und wiederholte sich praktisch ständig. Es verging scheinbar kaum ein
Monat, wenn sich nicht ein Offizier beim Rat einstellte, um die Genehmigung zur
Werbung anzusuchen. Der Offizier wies sich beim Magistrat mit einem
Schriftstück seines Souveräns aus. Dann musste er einen Vertrag[1] unterzeichnen,
welcher ihm die Modalitäten der Werbung im Hällischen klar machte. Die Werber
suchten vor allem Wirtshäuser und andere öffentliche Orte auf, um Freiwillige
zu finden. Auch der Einsatz von Wein oder anderem Alkohol war obligatorisch. War
der Werber nun erfolgreich und entsprach in seinem Verhalten dem Vertrag, so
musste er mit dem Geworbenen vor dem Magistrat erscheinen und dieser genehmigte
oder verbot die Mitnahme des Rekruten.
Es gibt aber auch Hinweise wie bei dem 1673 von
Hohenlohe-Schillingsfürstischen Werbern geworbenen Hans David Hauschel, dass
sich herausstellte, dass die Werber fragwürdige Methoden anwendeten und
scheinbar den Geworbenen betrunken machten. Wegen der Unverantwortbarkeit des
Vorgehens – Hauschel hätte seine Kinder und eine kranke Kindbetterin zurück
gelassen – ging der Rat dann auch gegen diese Werbung vor[2].
That becomes very obvious, when the
magistrate constantly was giving permissions to recruit in the countryside as
many entries in the magistrate’s protocols verify. The town did that despite
several emperors forbid foreign recruitment. I will focus on a special example
later on. The procedure was relatively easy and repeated always. It seems that
rarely a month passed without an officer who arrived in front of the magistrate
with a document of his sovereign. Then he had to sign a contract, which
clarified to him the modus of recruitment in the territory of Hall. The
recruiting officers mostly went to taverns and other public places to find
voluntaries. The use of vine and other alcohol was obligatory. When the
recruiting officer was successful and his conduct was true to the contract, he
had to appear in front of the magistrate and the magistrate allowed or forbid
the take along of the recruit.
There were examples like that of
Hans David Hauschel, who was enlisted by recruiters of
Hohenlohe-Schillingsfürst in 1673, where the methods were questionable and the
recruiters made the recruit completely drunken. The proceeding was absolutely inadequate,
especially because Hauschel had children and a sick baby’s mother at home.
Therefore the magistrate prevented the recruitment.
Hinteransicht der Mütze - backview of the cap (Foto: Cecilia Hanselmann, Burgmuseum Altena) |
Frontalansicht der Mütze - frontal view of the cap (Foto: Cecilia Hanselmann, Burgmuseum Altena) |
Zwei Mächte bemühten sich besonders in Hall um
Rekruten: Preußen und Österreich. Es wäre ein Desiderat für die Wissenschaft
genauer zu untersuchen, welcher Staat eifriger war. Ich kann hier nur Eindrücke
liefern. Geworben wurde sowohl für
Kavallerie als auch Infanterie. 1765 wurde beispielsweise einem Leutnant des
preußischen Kürassierregiments Seydlitz gestattet im Hällischen zu werben[3]. Diese
Werbetrupps waren nicht unbedingt einfach. So befanden sich 1769 preußische
Unteroffiziere – wohl zwecks Werbungen – im Hällischen. Diese Preußen sollen
„Excesse“ gegen den Stadtschultheißen und „Reißige“ begangen haben, klagten
aber ihrerseits beim Rat über ihre angeblich unbotmäßige Behandlung. Der Rat
legte unmissverständlich seinerseits dem preußischen Wachtmeister Weyde nahe,
dass er sich „dermalen beruhigen möchte“, sonst würde man ihn bei seinem
Regimentskommandeur anzeigen[4].
1756 stellte ein österreichischer Leutnant des
„Pallavinischen Regiments“ ein, der vom Rat die Erlaubnis bekam zu werben[5]. Schreiben
Maria Theresias[6]
und Friedrich II.[7]
zwecks der Gestattung von Rekrutenwerbungen finden sich noch heute im Archiv.
Eher ungewöhnlich wirken zahlreiche Rekruten für
ein norwegisches Regiment. Wenn man aber bedenkt, dass viele deutsche Fürsten
und Prinzen in dänischen Diensten standen, ist das wieder doch nicht so erstaunlich.
Am weitesten herumgekommen ist offensichtlich der Sulzdorfer Bäcker Johann
Georg Dietrich, der in Diensten der holländischen Ostindienkompanie nach
Batavia ging und dort 1741 verstarb[8].
Two powers especially tried hard to
get recruits in Hall: Prussia and Austria. It would be a desideratum for the
historian academics to research, which state was more avidly. I can deliver
some impressions only. They recruited for both cavalry and infantry. In 1765
for example a lieutenant from the Prussian cuirassier regiment Seydlitz was
allowed to recruit. The recruiting parties were not always trouble-free. There
were Prussian NCOs in the territory of Hall – presumably for recruiting
missions. These Prussians should have commit excesses against the town’s
“Schultheiß” and his riders. But the Prussians took proceedings themselves
against the cruel behavior of the town’s subordinated. The magistrate advised
the Prussian Wachtmeister Weyde to keep cool or the magistrate would inform his
regiment’s commander. In 1756 an Austrian lieutenant from the “Palavinischen
Regiment” came to the magistrate and gets the permission to recruit. There are
writings by Maria Theresia and Frederick II. today still in the archive.
The recruitment for a Norwegian
regiment seems more unusual. But if you keep in mind that there were German
princes serving in the Danish army than it’s maybe not so astonishing. The most
far away traveling recruit was obviously the baker Johann Georg Dietrich from
Sulzdorf who served for the Dutch East Indian company and died in Batavia in
1741.
Wenn ein Untertan ersteinmal durch eine fremde Macht geworben war, endeten damit aber nicht die Probleme für die Reichsstadt. Es finden sich zahlreiche Beispiele in denen sich der Rat mit den ehemaligen Untertanen beschäftigen musste. So etwa wenn ein Soldat den Abschied haben wollte. 1769 beschäftigte das Ersuchen des „jungen Seyfferheld“ lange Zeit den Rat, da dessen Vorgesetzter beim österreichischen Infanterieregiment Sincère einen Ersatzmann von Hall gestellt haben wollte[9].
The problems didn’t end for the
Imperial town, when a subject was recruited by a foreign power. There are many
examples for the fact that the magistrate still was occupied with their former
subjects. That was the case, if a soldier wanted to get his demission. The
magistrate had to deal very long with the request of “the young Seyfferheld”,
because his supervisor in the Austrian infantry regiment Sincère wanted a replacement
by the town.
Obwohl sowohl die zeitgenössische Fachliteratur
wie Flemming[10]
als auch obrigkeitliche Dekrete wie in Württemberg gegen die Anwerbung von
Verbrechern als Soldaten vorging, war dies überaus üblich. Bisweilen wurden die
Verurteilten regelrecht begnadigt, so sie Kriegsdienste nahmen und das Land
verließen[11].
Der Fall des Schäfers Johann Michael Vogel ist nicht ganz untypisch, der des
Ehebruchs überführt wurde und sich hat 1768 von Dänen anwerben lassen[12].
1724 entledigte sich der Rat des hoch verschuldeten Bürgers Moll, der vom
preußischen Leutnant von Hoppen angeworben wurde, da der Leutnant die Schulden
Molls bezahlte[13].
Although the contemporary literature
by experts like Flemming and for example the decrees by Württemberg intervened
against the enlistment of criminals, that was very much in practice. Sometimes
the convicted were downright pardoned, if they took service in war and left the
country. The case of the shepherd Johann Michael Vogel is not untypical, who
was found guilty for adultery and was recruited by the Danish in 1768. In 1724
the magistrate had the chance to get rid of the highly indebted citizen Moll, who
was enrolled by the Prussian lieutenant von Hoppen, who had to pay Moll’s
debts.
Kaiser Joseph II., zeitgenössischer Stich, 18. Jahrhundert - emperor Joseph II., contemporary print, 18th century (Foto. André Hanselmann, Privatsammlung) |
Eine ganz besondere Anwerbung war die durch
Sachsen-Hildburghausen[14]. Als
Kaiser Joseph II. die Anwerbungen für spanische Dienste verbot, bemäntelte der
Herzog von Hildburghausen die Werbungen als sachsen-hilburghäusische. Auch
Schwäbisch Hall erreichte 1769 eine Aufforderung des Kaisers sofort die
Anwerbung für den hoch verschuldeten Herzog zu unterbinden. Der Rat hatte eine
Weile gezögert, lenkte dann aber beim Eintreffen des eigenhändigen Schreibens
des Kaisers ein. Ob unterdessen tatsächlich hällische Untertanen den Weg in
spanische Dienste gefunden haben, ließ sich selbst durch intensive Recherchen
etwa durch Herrn Dr. Oliver Heyn in Dresden nicht herausfinden. Das zwischen Herzog
Ernst Friedrich III. Carl (1727-1780) und
König Carlos III. (1716-1788) vereinbarte Regiment sollte „Volontaires
Étranger“ heißen[15].
Interessant ist, dass sich eine Hauptfigur des Werbeprojekts, der spanische Offizier
Manneze, tatsächlich dadurch in Schwäbisch Hall greifen lässt, da sich ein Haller
Kaufmann beim Rat meldeten, bei denen er Schulden angehäuft hatte[16].
A very special recruitment was that by
Saxon-Hildburghausen. When the emperor Joseph II. forbid the recruitment for
Spanish service, the duke of Saxon-Hildburghausen covered the enlistments as
his own. Schwäbisch Hall in 1796 got the Imperial order to prevent the
enlistment by the highly indebted duke. The magistrate hesitated until the personal
letter by hand of the emperor arrived. Whether meanwhile actually subjects of
Hall found their way into Spanish service, was not possible to discover even by
intensive research by Dr. Oliver Heyn in the archives of Dresden. The regiment
which was discussed between duke Ernst Friedrich III. Carl (1727-1780) and King
Carlos III. (1716-1788) should be named “Volontaires Étranger”. It’s interesting
that the main figure of the whole project, the Spanish officer Manneze, was
clearly in Schwäbisch Hall, because a merchant of Hall reported to the
magistrate after the officer had left his debts behind.
Es gäbe noch viel über Rekrutierungen fremder
Mächte im Gebiet von Schwäbisch Hall zu sagen. Aber ich will zu meinem Fazit
kommen.
Rekrutierungsoffiziere und –unteroffiziere waren
ständig im Territorium der Reichsstadt unterwegs auf der Suche nach willigen
Rekruten. Diese Rekruten waren, ebenso wie es Dr. Oliver Heyn in seinem
exzellenten Buch über das Militär von Sachsen-Hildburghausen darstellt,
meist unter dem Druck ihrer Umstände dazu gezwungen Militärdienste zu suchen,
da sie entweder kein Auskommen in der Heimat hatten oder aber gar von
Schuldenlasten bereits geplagt waren.
Mein Eindruck ist, dass es eher Leute vom Land
waren, die sich anwerben ließen. Die Werbepraktiken sind nicht immer klar aus
den Quellen ersichtlich, aber doch wohl typisch für die Zeit.
There would be much more to tell
about the recruitment of foreign powers in the territory of Schwäbisch Hall.
But I want to come to a conclusion.
Recruiting officers and NCOs were
always on road on their search for willing recruits. These recruits were – just
as Dr. Oliver Heyn represented it in his excellent book about the military of Saxon-Hildburghausen
– forced by their fate to take military service, because they couldn’t
substitute themselves in their homeland or were pressed by their debts.
My impression is that these were
more folks from the countryside, who were recruited. The practices of
recruitment are not always clear from the sources, but probably typical for the
period.
Text: André Hanselmann
Fotos: Cecilia Hanselmann, André Hanselmann, Kim Krawiec
[1]
Urkunde vom 13. Mai 1748, Stadtarchiv Schwäbisch Hall Sig. 5/1732
[2]
Briefverkehr zw. Georg Wagner und Lorenz Drechsler, Stadtarchiv Schwäbisch Hall
Sig. 5/121
[3]
Ratsprotokoll vom 5. Juli 1765, Stadtarchiv Schwäbisch Hall Sig. 4/388
[4]
Ratsprotokoll vom 28. Juli 1769, Stadtarchiv Schwäbisch Hall Sig. 4/396
[5]
Ratsprotokoll vom 19. Juli 1756, Stadtarchiv Schwäbisch Hall Sig. 3/471
[6]
Aufforderung Maria Theresias zur Rekrutenstellung, Stadtarchiv Schwäbisch Hall
Sig. 5/1734
[7]
Preußische Rekrutenwerbung, Stadtarchiv Schwäbisch Hall Sig. 5/1736
[8]
Inventur J.G. Dietrich 1754, Stadtarchiv Schwäbisch Hall Sig. 76/104
[9]
Verschiedene Ratsprotokolle 1769, so 14. Juli, 24. Juli und mehr, Stadtarchiv
Schwäbisch Hall Sig. 4/396
[10]
Hans Friedrich von Flemming „Der vollkommene teutsche Soldat“ Leipzig, 1726, S.
122
[11]
So bei Gerd Wunder: „Die Bürger von Hall“ S. 149
[12]
Amtsrechnung Am Rosengarten, Ratsstrafe vom 13. Juni 1768, S. 28, Stadtarchiv
Schwäbisch Hall Sig. 4/4589
[13]
Christian Möhler: „Frühneuzeitliches Militärwesen im 17. Und 18. Jahrhundert am
Beispiel der Reichsstadt Schwäbisch Hall (Magisterarbeit) S. 48, Stadtarchiv
Schwäbisch Hall Sig. Sta 5574
[14]
Hierzu siehe auch: Dr. Oliver Heyn: „Das Militär von Sachsen-Hildburghausen
1680-1806“ böhlau, Köln, 2015, S. 153
[15]
Freundliche Auskunft durch Herrn Dr. Oliver Heyn.
[16]
Ratsprotokoll 21. Juli 1769, Stadtarchiv Schwäbisch Hall Sig. 4/396
This is a fine example of a Prussian mitre cap. The proportions look odd to my eye too. The white crown looks much higher in relation to the blue top.
AntwortenLöschenMany thanks for your comment. I hoped for some advice like yours.
LöschenAs Prussians are almost always an aspect in our annual Research, I hope to find mor interesting photos to illustrate the Prussian army.
This grenadier cap is really awesome, splendid photos!
AntwortenLöschenMerci beaucoup!
LöschenI think the mitre is a Prussian fusileer cap. Like a grenadier mitre but shorter. The fusiliers were the regiments raised by Frederick the Great (as opposed to the older ‘musketeer’ regiments’) usually from the new territories like Silesia.
AntwortenLöschenInterestingly I cannot find a Prussian fusileer regiment on the Kronoskaf website with that combination of coloured cloth on the rear of the cap. Also the fusileer companies of the fusileer regiments didn’t have woollen Pom-poms on the top - just metal grenades. Maybe the pom-Pom is from a different hat.
LöschenIntriguing.
I missed your comment here. Good aspects. I will definately ask Prussian experts.
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