Dienstag, 27. September 2016

Anno Domini 1765 – Bauernhochzeit“ 21.-23. August 2015


Im Herbst 2014 haben wir uns diesmal bei unserer Recherche ganz auf das Thema Bauernhochzeiten konzentriert. Wir haben dazu allerhand Hinweise in der Lands- und Dorfordnung von um 1700 sowie in einigen anderen Erlässen für das Land gefunden. Leider gingen diese Verordnungen und auch die zeitgenössischen Dokumente zum Beispiel Akten über verhängte Strafen im Zusammenhang mit den Hochzeiten nicht so sehr ins Detail wie wir uns das erwünscht hätten. Daher mussten wir uns zum Teil auch auf Beschreibungen zu Brauchtum in Schwaben verlassen (z.B. Jürgen Hohl: „Der Oberschwäbische Hochzeitslader“ in „Der Heimatpfleger“ 1/2001), selbst wenn es nicht ausdrücklich um das Territorium von Hall ging.
Als kleine Nebenthemen hatten wir auch die Feuerordnung. Der Amtmann des Amtes Rosengarten, Johann Ernst Mayer, hatte 1765 moniert, dass nur noch ein gedrucktes Exemplar vorhanden war. Die Feuergefahr war eine ständige Bedrohung in Stadt und Land wie zahlreiche Edikte aus der Zeit ebenso wie Berichte in Chroniken über Großbrände berichten. Gerade 1765 wurde in Schwäbisch Hall selber ein schrecklicher Brand glücklicherweise durch Geistesgegenwart knapp verhindert.
Ziemlich kurzfristig vor der Veranstaltung musste ich auch ein weiteres Thema finden, was mir auch mit der Straßenausbesserung m.E. recht gut gelungen ist. 1765 war Georg Heinrich Fellen, der Michelfelder Landtürmer, für die Wartung der Landstraße in der Gegend der Roten Steige zuständig. Wir hatten beschlossen fußend auf die Information vom 5. Januar 1737 ein paar Straßenausbesserungen vorzunehmen.
Schultheiß Gunkel packt selber an. Zuwucherndes Gestrüpp wird entfernt, der Straßengraben von hineingefallener Erde befreit, dass das Wasser wieder abfließen kann, statt die Straße zu überspülen.


Ab dem Mittwoch trafen die ersten Darsteller ein, so dass wir am Donnerstagnachmittag bereits ziemlich gut in beiden Gebäuden eingerichtet waren. In diesem Jahr wurden nicht nur das Steigengasthaus und das Haus aus Zaisenhausen, sondern noch vier weitere Gebäude zeitweise in die Darstellung miteinbezogen.

Der Freitag stand ganz im Zeichen der Vorbereitung der Hochzeit. Am Vormittag wurden vor dem Steigengasthaus die Kränze für den Hochzeitstag gewunden, die so schön wie noch nie gelangen. Daneben wurde im Haus aus Zaisenhausen kräftig an der Aussteuer genäht. Die Zimmerleute bereiteten kleine Bäumchen vor, die am Eingang beim Schulmeister aufgerichtet wurden.
Ich bemerkte rasch, dass beim Pfarrer, sooft ich ihm auch die Zeitung brachte, kein müder Heller zu machen war, da angeblich seine Gattin das Geld verwaltete. Dabei standen so bedeutende Nachrichten in der Augsburger Post- und Erlanger Realzeitung, dass es mit Geld kaum aufzuwiegen war.
Ich agierte das erste Mal als Schultheiß unter dem Namen Andreas Gunkel. Als solcher leitete ich die Ausbesserung von ein paar Schlaglöchern an unserer kleinen Steige, das heißt am Eingang des Hohlweges an, der linkerhand am Steigengasthaus vorbei Richtung Weinland den Berg ansteigt. Der Fuhrmann transportierte für uns, nachdem wir uns einmal mit einem Handkarren abgemüht hatten, zwei Körbe mit Kies vom etwa 600 Schritte entfernten Lager. (Wir hatten einen hölzernen Stampfer vom Museum zur Verfügung gestellt bekommen und verfügten als Leihgabe noch über zwei große geflochtene Körbe, einen Spaten und eine Schaufel. Ein Darsteller brachte später noch weiteres Werkzeug mit. Vielen Dank dafür an das Museum, Mike und Christoph für die Unterstützung!)

Mit einer reichlich improvisierten Ramme (Bildmitte) wurde der neue Straßenbelag in den Schlaglöchern verdichtet.


Fuhre um Fuhre mussten abgefahren werden. Ähnlich schafften wir das Material zum Ausbessern der Schlaglöcher heran.


Nach dem Mittag begab sich unser Hochzeitslader schön geschmückt zum württembergischen Zöllner von Bubenorbis, der von ihm auf die Gunkelsche Hochzeit eingeladen wurde. (Diese Szene fand am und im Winzerhaus aus Sachsenflur statt.) Gegenüber hatte diesmal unser Pfarrer seine Studierstube (Weingärtnerhaus aus Verrenberg).
Später versammelten sich die männlichen Einwohner, als der Schultheiß mangels gedruckter Feuerordnung das Dekret vom 26. März 1762 zum vorsichtigen Umgang mit Feuer insbesondere das Pfeiferauchen betreffend verlas.
Die Hochzeitsgesellschaft von 24 Personen nimmt die Morgensuppe vor dem Gang zur Kirche ein. Dies durfte noch im privaten Rahmen geschehen. Der Bräutigam, Schultheiß Gunkel, und sein Bruder heben sich durch ihre weißen Kirchenröcke ab. Jeder trägt, was er an Sonntagsstaat besitzt.

Die Hochzeitsgesellschaft kehrt von der Trauung zurück. Die Braut auf dem Fuhrwerk, der Bräutigam zu Pferd. Die Musikanten beschlossen den Zug, den sie mit ihrer Musik alleweil begleiteten.



Am Samstagmorgen begab sich die ganze Hochzeitsgesellschaft zum herrlich geschmückten Haus des Schulmeisters (Haus aus Zaisenhausen), wo die Suppe (eine einfache Flädlesuppe) vor der Hochzeit gemeinsam eingenommen wurde, woraufhin sich der lange Hochzeitszug in Richtung der Kapelle (in der Baugruppe Weinberge) aufmachte. Die Spitze des Zuges bildete der Bräutigam, also ich, hoch zu Ross. Dann folgte die Braut auf dem Fuhrwerk. Das Pferd wurde von unserem Fuhrmann geführt. Hierauf kamen mein Bruder, Johann Gunkel und so weiter. Die Spielleute bildeten den Schluss des Zuges, wobei der Geiger beständig bergauf und bergab fiedelte. Unsere Pferde und das Fuhrwerk waren festlich geschmückt, die Hochzeitsgesellschaft trug ihren besten Staat. Oben an der Kapelle wurden wir vom würdigen Herr Pfarrer getraut. Nach der Zeremonie, die für mich erstaunlich rasch von statten ging, feuerten mein Bruder und ein paar weitere Landleute einigen obrigkeitlichen Dekreten wider dem Hochzeitsschießen zum Trotz ihre Gewehre ab. Dann gingen wir alle wieder nach unten. Wir labten uns noch kurz beim Schulmeister bis wir endlich zum Hochzeitsmahl reiten und schreiten durften. Das Steigengasthaus war wirklich festlich geschmückt und die drei Tische für die Hochzeitsgesellschaft waren eine Freude für die Augen. Wir hatten entsprechend der Dorfordnung von um 1700 2 Tische für jeweils 10 Hochzeitsgäste und einen weiteren für bis zu 10 Personen vom Gesinde. Die Wirtin hatte sich nicht lumpen lassen und viele köstliche Speisen wurden aufgetragen, so dass wir des Lobes voll waren.
Nach dem Hochzeitsmahl führten ein paar Landleute ein Puppentheater vor, das sich trotz der unrühmlichen Rolle eines Geistlichen darin auch der Pfarrer Holpriger nicht entgehen ließ.
Damit wurde trefflich die Zeit bis zu einem beschwingten Tänzchen vor dem Steigengasthaus überbrückt. Dieser Tanz wurde vom Hochzeitspaar mit einem Menuett eröffnet. (Eine Koryphäe zu hist. Tanz hält Menuetts für die Landbevölkerung für plausibel.)
Ein moralisches Puppenspiel zum Plaisir der Hochzeitsgesellschaft wurde vom Dorfschmied und seinem Eheweib gegeben. Dem Brautpaar hat es sehr gefallen.


Die Hochzeitsgesellschaft tanzt vor dem Gasthaus.

Am nächsten Morgen ließ ich mich ebenso wie der Wirt vom Dorfbarbier rasieren. An seinem zweiten Hochzeitstag muss man ja immernoch fesch ausschauen, dachte ich mir. Außerdem wollte ich eine gute Figur machen, da ich wieder mit dem Herrn Pfarrer an einem Tisch sitzen würde.
Man muss dazu sagen, dass diesmal der Sonntag in der Darstellung nicht als ein Sonntag behandelt wurde. Wir nahmen uns den historischen 23. August 1765 zum Vorbild, der ein Freitag war (vgl. u.a. „Erlanger Realzeitung“ vom 22. August 1765!). Dies war auch von daher sinnig, weil an einem Sonntag umfangreiche Beschränkungen bezüglich dem Feiern gegolten hätten.
Ohne diese Einschränkungen eines Sonntags konnten wir sehr viele Aktionen bieten. So wurde in einem kleinen Haus (Spielhaus für Kinder, Gebäude von ca. 1450) eine Schneiderwerkstatt eingerichtet. Unweit dem Steigengasthaus wurde gegen 11 Uhr Wäsche gewaschen.
Eine kleine feine Stube, passt sehr gut zum wenig einträglichen Handwerk eines Dorfschneiders.


Der Herr Pfarrer erhielt außerdem vom Prediger Beyschlag aus Schwäbisch Hall einen geharnischten Brief (der historische Jakob Franz Beyschlag bekleidete von 1754 bis zu seinem Tod 1766 dieses Amt), der ihn in höchstes Staunen versetzte, da sich der Prediger auf eine Predigt bezog, die der Pfarrer im Jahre 1749 gehalten hatte.
Bis zum Mittagsmahl hatten wir noch genug Zeit wieder an der Straße zum Einsatz zu kommen. Diesmal brachten wir nicht weniger als 7 Männer zusammen, welche Geleise und Schlaglöcher auffüllten und den Graben in einem kleinen Abschnitt ausbesserten. Diesmal versuchten wir mit feuchter Erde den Kies etwas besser haftend zu machen. Das Problem war, dass es eigentlich für die Arbeiten schon wieder zu trocken war. Allerdings war das Datum unserer Arbeiten absolut authentisch. Ab dem 20. August sollten die Untertanen laut der Information von 1737 wieder die Ausbesserung der Straßen aufnehmen. Als wir 2 Körbe mit Kies aufgebracht hatten, war es auch schon wieder für mich an der Zeit als Bräutigam zu Tisch zu eilen.
Dort hatte ich eine vergnügliche Gesellschaft mit dem Pfarrer und seiner Gattin, wobei sich dieser nicht genug über meine etwas groben Manieren verwundern konnte. (Verflixt, dass ich das Rülpsen nicht geübt habe.) Am zweiten Hochzeitstag wurde wie damals scheinbar üblich in kleinerem Rahmen gefeiert. Gegen 2 Uhr wurde ein Bett und etwas Gepäck auf das Fuhrwerk vor dem Gasthaus geladen, das nun als eine Art verkleinerte Form eines Kammerwagens fungierte. Damit fuhren wir zurück zu unserem neuen Heim, wo alles abgeladen wurde. Mein Bruderherz und die anderen schossen wieder in die Luft. Zum Beschluss machten wir noch ein hübsches Tänzchen (vor vielen, vielen Zuschauern!). Damit war die Hochzeit vorüber.
Pferde und Fuhrwerk dominierten oft das Bild.


Etwa um 4 Uhr kam der Pfarrer an der Steige vorbei. Er wollte ins Württembergische reisen. Ob ich ihn nun gut genug kenne oder nicht, ließ ich es mir nicht nehmen mit aller Strenge seine Reisepapiere zu kontrollieren. Alles hatte seine Richtigkeit mit dem Dokument, das aus der Stadtschreiberei stammte und vom Stadtschreiber Döllin unterzeichnet war. Ich sputete mich, dass ich (und einige Besucher, die ich dorthin führte) rechtzeitig in „Bubenorbis“ ankam, wo der Zöllner allerhand Reisende kontrollierte. Da war mein Bruder mit einigen kleinen Windmühlen, die auch seit Jahren nicht besser geworden sind, aber die er wohl immernoch an das Kind bringen will. Dann gab es noch einige Reiter, Fußreisende und natürlich den Pfarrer, der scheinbar einige Wolle schmuggeln wollte – wobei er freilich beteuerte, die Ware sei ihm untergeschoben worden. Jedenfalls wurde sie mit ihm in dem Fuhrwerk gefunden…

Es war ein bisschen schade, dass es danach nicht noch zu ein paar Aktionen kam. Ich hätte mir auch gern nochmal das Puppenspiel aus dem Hause Rügenwalder angeschaut.

Fazit: Eine Veranstaltung mit sehr vielen Facetten und vielen Aktionen wobei an jedem Tag das Hauptthema Bauernhochzeit vorkam. Manches funktionierte besser als im Vorjahr manches schlechter. Als Novum außer der kurzen April-Veranstaltung im Vorjahr gab es diesmal keinen Amtmann zu sehen. Dafür war beispielsweise der Pfarrer schon allein dadurch, dass er diesmal eine Studierstube bekam und durch die Hochzeit, stärker im Focus. Erstmalig wurde auch rasiert, sehr schön von Christoph praktiziert – der Dorfbarbier ist eine Darstellung, die nachweisbar und unbedingt wünschenswert ist. Gut war, dass wir schön improvisieren konnten oder auch bspw. einfach am Samstagnachmittag noch ein zweites Mal tanzten, auch wenn das nicht im Programm stand. Prima war es auch, als uns die Holzbearbeiter flugs einen zerbrochenen Griff des einen leichteren Stampfers ersetzten. Weitaus stärker als in den anderen Jahren wurden zahlreiche Orte und Objekte im Freilandmuseum Wackershofen in die Darstellung einbezogen bis hin zu den Wegen auf denen wir arbeiteten.

Text: André Hanselmann
Fotos: Claudia Behnke und Michael Paulick

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen