Durch
den Regen im Vorjahr hatte ich mir vorgenommen, dass wir genug recherchieren,
um auch Ersatzprogrammpunkte einschieben zu können. Daher hatte sich die
Recherchetätig für die Veranstaltung noch mehr gesteigert.
Das
Hauptthema sollte das Ende des Siebenjährigen Krieges 1763 sein. Entsprechend
wurde auch von einer Darstellerin eine schöne Schützenscheibe für den Sonntag
gemacht.
Da
sich solch ein welthistorisches Ereignis aber nur wenig auf den normale Leben
konkret auswirkte, habe ich als zweites Hauptthema die Heuernte auf der
herrschaftlichen Wiese ins Visier genommen. Auch wenn sich dazu bereits in den
Amtsrechnungen allerhand fand, sollte ich ein Jahr später erfahren, dass man
noch detaillierter bis hin zu den konkreten Namen der Mäher alles protokollierte
– leider sind aber die Originale der Amtsrechnungen ab ca. 1750 ohnehin
verloren gegangen. Zwar fand die Ernte auf der Molckensteiner Wiese regelmäßig
etwa einen Monat vor unserer Veranstaltung statt, aber es wäre zu schade
gewesen das ergiebige Thema deswegen nicht zu wählen.
Amtmann und Steigenwirt am guten Tisch. Hat der Amtmann wieder viel mit seinen armen Leuten vor? |
Geistliche und weltliche Obrigkeit unter sich. Amtmann, Pfarrer und Amtsschreiber in der Kammer, die der Amtmann bezogen hat. |
Da
ich mir wegen der Unbeständigkeit des Wetters, die wir schon 2012 zu spüren
bekommen hatten, unsicher war, ob sich die Heuernte realisieren ließ, bereitete
ich auch was vor, was wir dann in den Häusern vorführen konnten: eine
sogenannte Inquisition. Das war schlichtweg eine kriminalistische Untersuchung.
Als zeitnahes Beispiel gab es aus den 1750ern einen großen Giftmordprozess im
Amt Rosengarten. Hunderte von Seiten der Akte wurden von mir durchgegangen. Mir
wurde bewusst, dass man von einem solchen Thema ohnehin nur Bruchstücke
vorführen könnte.
Der glückliche Kriegsheimkehrer vom Kreiskontingent. |
1763
wurde einem Teil der Soldaten des hällischen Kontingents der Kreistruppen der
Abschied gegeben. So kam am Freitag ein verabschiedeter Soldat ins Dorf, der
von seinen ehemaligen Nachbarn willkommen geheißen wurde.
Kurz
zuvor war der Amtmann an der Steige angekommen, der sich mit dem Dorfmeister
Gunkel wegen der Heuernte beriet. Aufgrund der 1763 weiterhin erhobenen
Kriegsschatzungen war die Stimmung der Landleute gewiss nicht die beste.
Die Schülerinnen unter der Aufsicht des Schulmeisters. Das schönste "Klassenzimmer", das ich kenne. |
Derweil
richtete sich ein neuer Schmied in der Schmiede unweit des Hauses des
Dorfschulmeisters ein. Das geschäftige Hämmern drang fortan alle Tage aus der
Werkstatt und verschiedene Leute kamen mit ihren Aufträgen zum Schmied, der
Amtmann nicht ausgenommen.
Die Gaststube ist gut gefüllt. Der Dorfmeister hat sich extra herausgeputzt, um gleich wieder beim Amtmann vorstellig zu werden. |
Die Landleute auf dem Weg zur herrschaftlichen Wiese. Im Hintergrund: der Leiterwagen mit Werkzeugen. |
Der
nächste Tag begann mit der Versammlung der Landleute, die gemeinsam zur
„Molckensteiner Wiese“ hinauf zogen. Das war schon ein beachtlicher Zug von
Männern und Frauen mit Sensen, Rechen und anderen Werkzeugen. Auch unser neuer
Fuhrmann sollte dadurch allerhand zu tun bekommen. (In der Realität arbeiteten
am 12. Juli 1763 allein 80 Mäher auf der Wiese. Wir hatten nur 4 Männer mit
Sensen.) Der Amtmann besichtigte um die Mittagszeit den Fortgang der Ernte und
ließ das Brot unter den Arbeitern austeilen. Der Amtsschreiber verzeichnete die
Namen der Mäher, die sich angemessen devot dem Amtmann bezeigten.
Die Mäher mit ihren Sensen. (Dies wäre, so damals Fotos zugelassen worden wären, ein Beweisstück für den Sonntag gewesen - der Knecht des Wirts ist anwesend!) |
Der Schulmeister Drechsler schärft seine Sense. |
Der Amtmann auf der "Molckensteiner Wiese". |
Derweil
sollte am Steigengasthaus die Zierrat für das sonntägliche Fest vorbereitet
werden.
Als
die Mäher fertig und heimgekehrt waren, schlug das Wetter um. So verdarb uns
der Regen eine Jagd, auf die sich der Dorfmeister Gunkel und der Steigenwirt
bereits gefreut hatten.
Mit gutem Beispiel voran. Sehr andächtig horcht die erste Reihe, Frau des Pfarrers, Amtsschreiber und Amtmann den Worten bei der Andacht. |
Weil
es am Sonntag noch immer ununterbrochen regnete, musste die Andacht, die vom
neuen Pfarrer zelebriert wurde, im Tanzsaal stattfinden. Immerhin wurde sie
durch eine schöne Auswahl an Liedern, u.a. das „Friedenslied“ von Johann
Balthasar Beyschlag (1669-1717), die auf den Friedensschluss abgestimmt waren,
und die schöne Stimme der Apollonia Seckel gehoben.
Amtmann (in Schwarz) und Amtsschreiber verzeichnen die Einnahmen aus Strafen und die Ausgaben für die Mäher und Fuhren. |
Der
starke Regen machte auch das Scheibenschießen unmöglich. Der Amtmann hatte
dennoch genug damit zu tun Strafen gegen diejenigen einzuziehen, die ohne
Erlaubnis der Fronarbeit auf der Herrschaftlichen Wiese fern geblieben waren.
Zum
Glück tat der Regen wenngleich ziemlich arg der Stimmung dem Tanzen keinen
Abbruch.
So
endete gegen Abend eine Veranstaltung die sehr von dem Pech mit dem Wetter
gekennzeichnet war.
Aufgestellt zum Tanze im Steigengasthaus. |
Auf
der anderen Seite gab es aber auch viele sehr schöne Aspekte. So hatten wir
diesmal das erste Mal einen Fuhrmann, der aus unserer Szene stammte und
entsprechend weitaus leichter in das Programm zu integrieren war. Es war
natürlich prima, wenn beispielsweise der Fuhrmann für ein Teil zu seinem
Fuhrwerk zum Schmied gehen konnte und dort auch tatsächlich erhielt, was er
brauchte.
Außerdem
funktionierte die Heuernte sehr gut und ergab für uns bestechend schöne
Fotomotive, von den zusammenrechenden Frauen bis hin zum Reparieren der Sense
durch einen Mäher.
Obendrein
war die Veranstaltung sehr harmonisch und stimmig. Die Heuernte ist ein Thema,
welches natürlich in den Alltag der Landbevölkerung genauso gehört wie für die
Obrigkeit im Grunde unentgeltlich zu arbeiten.
Landunter am Sonntag. |
Texte: André Hanselmann
Bilder: Michael Paulick
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