Dienstag, 24. November 2015

„Anno Domini 1763, Endlich Frieden“ 23.-25. August 2013


Durch den Regen im Vorjahr hatte ich mir vorgenommen, dass wir genug recherchieren, um auch Ersatzprogrammpunkte einschieben zu können. Daher hatte sich die Recherchetätig für die Veranstaltung noch mehr gesteigert.
Das Hauptthema sollte das Ende des Siebenjährigen Krieges 1763 sein. Entsprechend wurde auch von einer Darstellerin eine schöne Schützenscheibe für den Sonntag gemacht.
Da sich solch ein welthistorisches Ereignis aber nur wenig auf den normale Leben konkret auswirkte, habe ich als zweites Hauptthema die Heuernte auf der herrschaftlichen Wiese ins Visier genommen. Auch wenn sich dazu bereits in den Amtsrechnungen allerhand fand, sollte ich ein Jahr später erfahren, dass man noch detaillierter bis hin zu den konkreten Namen der Mäher alles protokollierte – leider sind aber die Originale der Amtsrechnungen ab ca. 1750 ohnehin verloren gegangen. Zwar fand die Ernte auf der Molckensteiner Wiese regelmäßig etwa einen Monat vor unserer Veranstaltung statt, aber es wäre zu schade gewesen das ergiebige Thema deswegen nicht zu wählen.
Amtmann und Steigenwirt am guten Tisch. Hat der Amtmann wieder viel mit seinen armen Leuten vor?




Geistliche und weltliche Obrigkeit unter sich. Amtmann, Pfarrer und Amtsschreiber in der Kammer, die der Amtmann bezogen hat.
Da ich mir wegen der Unbeständigkeit des Wetters, die wir schon 2012 zu spüren bekommen hatten, unsicher war, ob sich die Heuernte realisieren ließ, bereitete ich auch was vor, was wir dann in den Häusern vorführen konnten: eine sogenannte Inquisition. Das war schlichtweg eine kriminalistische Untersuchung. Als zeitnahes Beispiel gab es aus den 1750ern einen großen Giftmordprozess im Amt Rosengarten. Hunderte von Seiten der Akte wurden von mir durchgegangen. Mir wurde bewusst, dass man von einem solchen Thema ohnehin nur Bruchstücke vorführen könnte.

Der glückliche Kriegsheimkehrer vom Kreiskontingent.


1763 wurde einem Teil der Soldaten des hällischen Kontingents der Kreistruppen der Abschied gegeben. So kam am Freitag ein verabschiedeter Soldat ins Dorf, der von seinen ehemaligen Nachbarn willkommen geheißen wurde.
Kurz zuvor war der Amtmann an der Steige angekommen, der sich mit dem Dorfmeister Gunkel wegen der Heuernte beriet. Aufgrund der 1763 weiterhin erhobenen Kriegsschatzungen war die Stimmung der Landleute gewiss nicht die beste. 

Die Schülerinnen unter der Aufsicht des Schulmeisters. Das schönste "Klassenzimmer", das ich kenne.

Derweil richtete sich ein neuer Schmied in der Schmiede unweit des Hauses des Dorfschulmeisters ein. Das geschäftige Hämmern drang fortan alle Tage aus der Werkstatt und verschiedene Leute kamen mit ihren Aufträgen zum Schmied, der Amtmann nicht ausgenommen.

Die Gaststube ist gut gefüllt. Der Dorfmeister hat sich extra herausgeputzt, um gleich wieder beim Amtmann vorstellig zu werden.
Die Landleute auf dem Weg zur herrschaftlichen Wiese. Im Hintergrund: der Leiterwagen mit Werkzeugen.

Der nächste Tag begann mit der Versammlung der Landleute, die gemeinsam zur „Molckensteiner Wiese“ hinauf zogen. Das war schon ein beachtlicher Zug von Männern und Frauen mit Sensen, Rechen und anderen Werkzeugen. Auch unser neuer Fuhrmann sollte dadurch allerhand zu tun bekommen. (In der Realität arbeiteten am 12. Juli 1763 allein 80 Mäher auf der Wiese. Wir hatten nur 4 Männer mit Sensen.) Der Amtmann besichtigte um die Mittagszeit den Fortgang der Ernte und ließ das Brot unter den Arbeitern austeilen. Der Amtsschreiber verzeichnete die Namen der Mäher, die sich angemessen devot dem Amtmann bezeigten.

Die Mäher mit ihren Sensen. (Dies wäre, so damals Fotos zugelassen worden wären, ein Beweisstück für den Sonntag gewesen - der Knecht des Wirts ist anwesend!)

Der Schulmeister Drechsler schärft seine Sense.
Der Amtmann auf der "Molckensteiner Wiese".

Derweil sollte am Steigengasthaus die Zierrat für das sonntägliche Fest vorbereitet werden.
Als die Mäher fertig und heimgekehrt waren, schlug das Wetter um. So verdarb uns der Regen eine Jagd, auf die sich der Dorfmeister Gunkel und der Steigenwirt bereits gefreut hatten.


Mit gutem Beispiel voran. Sehr andächtig horcht die erste Reihe, Frau des Pfarrers, Amtsschreiber und Amtmann den Worten bei der Andacht.
Weil es am Sonntag noch immer ununterbrochen regnete, musste die Andacht, die vom neuen Pfarrer zelebriert wurde, im Tanzsaal stattfinden. Immerhin wurde sie durch eine schöne Auswahl an Liedern, u.a. das „Friedenslied“ von Johann Balthasar Beyschlag (1669-1717), die auf den Friedensschluss abgestimmt waren, und die schöne Stimme der Apollonia Seckel gehoben.
Amtmann (in Schwarz) und Amtsschreiber verzeichnen die Einnahmen aus Strafen und die Ausgaben für die Mäher und Fuhren.
Der starke Regen machte auch das Scheibenschießen unmöglich. Der Amtmann hatte dennoch genug damit zu tun Strafen gegen diejenigen einzuziehen, die ohne Erlaubnis der Fronarbeit auf der Herrschaftlichen Wiese fern geblieben waren. 


Steigenwirt und weitere Zeugen werden vom Amtmann vernommen. Das Werkzeug soll dran schuld sein, dass der Amtmann den Schankknecht nicht auf der Wiese gesehen haben soll... Eine Sense sei zu Bruch gegangen und dann soll irgendwer ihm gestattet haben, heim zu gehen.

Zum Glück tat der Regen wenngleich ziemlich arg der Stimmung dem Tanzen keinen Abbruch.
So endete gegen Abend eine Veranstaltung die sehr von dem Pech mit dem Wetter gekennzeichnet war.


Aufgestellt zum Tanze im Steigengasthaus.

Auf der anderen Seite gab es aber auch viele sehr schöne Aspekte. So hatten wir diesmal das erste Mal einen Fuhrmann, der aus unserer Szene stammte und entsprechend weitaus leichter in das Programm zu integrieren war. Es war natürlich prima, wenn beispielsweise der Fuhrmann für ein Teil zu seinem Fuhrwerk zum Schmied gehen konnte und dort auch tatsächlich erhielt, was er brauchte.
Außerdem funktionierte die Heuernte sehr gut und ergab für uns bestechend schöne Fotomotive, von den zusammenrechenden Frauen bis hin zum Reparieren der Sense durch einen Mäher.
Obendrein war die Veranstaltung sehr harmonisch und stimmig. Die Heuernte ist ein Thema, welches natürlich in den Alltag der Landbevölkerung genauso gehört wie für die Obrigkeit im Grunde unentgeltlich zu arbeiten.


Landunter am Sonntag.
Texte: André Hanselmann
Bilder: Michael Paulick

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