1775 scheint ersteinmal kein irgendwie bedeutendes Jahr, wenn wir auf Deutschland und insbesondere den Schwäbischen Kreis schauen. Während es in Frankreich große Umwälzungen gab, wurde die Welt aber vor allem durch die Ereignisse in den 13 Kolonien erschüttert, die in Zeitungsmeldungen auch nach Deutschland strahlten. Wenn wir in die 1770er schauen, so wurden diese bis dahin durch die Unruhen in Polen [1], die auch Deutschland betrafen und die Hungerkatastrophe bestimmt [2]. Die Mainhardter Bande beschäftigte auch lange Zeit die Gemüter und die Behörden der angrenzenden Territorien [3]. Schauen wir in die zeitgenössischen Zeitungen, so erfahren wir vor allem von den Einschnitten, die mit der Aufhebung des Jesuitenordens überall in katholischen Gebieten auch im Heiligen Römischen Reich einher gingen [4]. Die Konkurrenz um die Vormacht im Reich zwischen Österreich und Preußen hielt an.
At first glance, 1775 does not seem to be a significant year in any way if we look at Germany and especially the Swabian Circle. While there were major upheavals in France, the world was primarily shaken by the events in the 13 colonies, which were also reflected in newspaper reports in Germany. If we look at the 1770s, up until then they were dominated by the unrest in Poland [1], which also affected Germany, and the famine catastrophe [2]. The Mainhardt gang also occupied the minds and authorities of the neighboring territories for a long time [3]. If we look at contemporary newspapers, we learn primarily about the cuts that accompanied the abolition of the Jesuit order everywhere in Catholic areas, including in the Holy Roman Empire [4]. The competition for supremacy in the empire between Austria and Prussia continued.
Andererseits nahm der Einfluss Frankreichs auf das Reich ab. Die "Augspurgische Ordinari Postzeitung" frohlockte über die Entlassung der höchst wirksamen Minister Louis XV [5] und die Wiedereinsetzung des alten Parlamentes, welches ja alle Reformen vor 1771 behindert hatte [6]. Es ist hier die Frage, ob die "schmeichelhafteste Hofnung", welche die Zeitung erwähnt, vielleicht eher darauf abzielte, dass Frankreich durch die Veränderungen unter Louis XVI wieder politisch an Macht verlor. Tatsächlich kam es ja unter Louis XVI trotz der Sparmaßnahmen [7] zur großen Finanzkrise und Schwäche der Monarchie gegenüber der Erstarkung der Aristokratie.
On the other hand, France's influence on the empire declined. The "Augspurgische Ordinari Postzeitung" rejoiced over the dismissal of the highly effective ministers of Louis XV [5] and the reinstatement of the old parliament, which had hindered all reforms before 1771 [6]. The question here is whether the "most flattering hope" that the newspaper mentions was perhaps aimed at France losing political power again as a result of the changes under Louis XVI. In fact, despite the austerity measures [7], under Louis XVI the royal power was in decline while the aristocracy regained influence on politics.
Schwäbisch Hall war von alledem kaum betroffen. Luxusgüter wie Seiden wurden teurer [9] - aber das kümmerte ja den einfachen Landmann nicht. Als recht folgenschwer auf die Zukunft Schwäbisch Halls sollte sich das sich abzeichnende Aussterben der Brandenburg-Ansbachischen Markgrafenhäuser auswirken [10] mit dem Hall ohnehin wegen des Amtes Hohnhardt in beständigem Konflikt verwickelt war.
Schwäbisch Hall was hardly affected by all of this. Luxury goods such as silk became more expensive [9] - but the simple farmer didn't care about that. The looming extinction of the Brandenburg-Ansbach margrave houses was to have a very serious impact on the future of Schwäbisch Hall [10] with which Hall was already involved in constant conflict because of the Hohnhardt district.
Der Amtmann reitet 1771 durch die Gegend. - The Amtmann is riding through the countryside in 1771. (Foto: J. Obergfell) |
Das Hauptthema dieses Jahr wird der Salzhandel sein und was dazu gehört. Trotz dem Ende der Mainhardter Bande gab es einige Probleme mit Räubern und Dieben. Die Häufung von Diebstahldelikten zeigt sich in einer Akte des Rates. Hier finden wir 1770 den Bäckersknecht Johann Michel Drechsel, der auf dem Laststein stehen musste und den 14-jährigen Johann Heinrich Trautmann. 1772 gab es den "Kübler" Johann Friedrich Brutseher, der nach einer Leibesstrafe von 50 Schlägen des Landes verwiesen wurde. 1774 findet sich sogar die Salzsiedertochter Maria Sybilla Röhler, die am Stock gebunden 30 Schläge empfing. Die "Fürkäuferin" [11] Katharina Ursula Wolf wurde für Diebstahl und Betrügerei 1775 auf den Lasterstein gestellt und hat nach "20. unter Thor empfangene Fahrnschwanz Schläge" das Land verlassen müssen [12].
The main topic this year will be the salt trade and what goes into it. Despite the end of the Mainhardt gang, there were some problems with robbers and thieves. The increase in theft crimes is reflected in a council file. Here in 1770 we find the baker's boy Johann Michel Drechsel, who had to stand on the Laststein, and the 14-year-old Johann Heinrich Trautmann. In 1772 there was the “Kübler” Johann Friedrich Brutseher, who was expelled from the country after a corporal punishment of 50 strokes. In 1774 there was even the salt maker's daughter Maria Sybilla Röhler, who received 30 strokes while tied to a stick. The "for-buyer" [11] Katharina Ursula Wolf was put on the Lasterstein in 1775 for theft and fraud and had to leave the country after "the 20th Fahrn Schwanz blows received under Thor" [12].
Wieder eine hohe 1770er Frisur auf unserem Trip nach Basel. - Again a high 1770s hairstyle on our trip to Basel. (Foto: C. Hanselmann) |
Besonders aktenkundig wurden drei jüdische Diebe, die im August 1775 durch die reichsstädtischen Behörden inhaftiert waren. Insgesamt muss man dazu sagen, dass die Juden in Hall zusehends an Vermögen einbüßten. Die rückläufigen Einnahmen durch den 1761 eingeführten Judenleibzoll für die Reichsstadt nach 1770 dokumentieren den Rückgang des Handels der Juden, die zuvor eine maßgebliche Stellung beispielsweise im Ochsenhandel eingenommen hatten [13]. Ein umfangreicher Austausch zwischen dem Haller Magistrat und auswärtigen Institutionen und Rechtsgelehrten, der sich in den Ratsprotokollen widerspiegelt, macht deutlich wie aufwendig eine Verurteilung der drei Diebe wurde. Besonders wichtig war es natürlich auch Aussagen von Zeugen und eventuellen weiteren Opfern der Taten der Angeklagten einzuholen, die außerhalb des Reichsstadtgebietes lebten. So taucht mehrfach ein Amtmann Kolb aus Morstein auf, dem für seine Mühen ein Dukat verehrt wurde [14]. Nachdem man sich auch informierte wie mit Juden zu verfahren sei, setzten sich die Haller Juden für ein mildes Urteil ein, da die Diebe in der jüdischen Gemeinde gut vernetzt waren. Einer wurde an den Pranger gestellt und musste 30 Rutensrtreiche ertragen. Ein anderer musste der Bestrafung nur zusehen. Bei einem Wiederholungsfall wurde allerdings mit deutlich härteren Strafen gedroht.
Three Jewish thieves who were imprisoned by the imperial city authorities in August 1775 were particularly well documented. Overall, it has to be said that the Jews in Hall increasingly lost their wealth. The declining income from the Jewish body tax introduced in 1761 for the imperial city after 1770 documents the decline in trade among Jews, who had previously occupied a significant position, for example in the ox trade [13]. An extensive exchange between the Hall magistrate and external institutions and legal scholars, which is reflected in the council reports, makes it clear how difficult it was to convict the three thieves. Of course, it was particularly important to obtain statements from witnesses and possible other victims of the defendant's crimes who lived outside the imperial city area. A bailiff Kolb from Morstein appears several times and was awarded a ducat for his efforts [14]. After finding out how to deal with Jews, the Jews of Hall campaigned for a lenient sentence because the thieves were well connected in the Jewish community. One was pilloried and had to endure 30 strokes of the rod. Another just had to watch the punishment. However, in the event of a repeat offense, significantly harsher punishments were threatened.
Text: André Hanselmann
Fotos: Christina Bernath zu Bernathfalva, Jana Obergfell, Cecilia Hanselmann
Notizen / Notes:
1) Auch infolge der Polnischen Teilung von 1772.
2) Diese war bei uns auch schon Thema einer Veranstaltung. https://wackershofenannodomini.blogspot.com/2021/06/schwabisch-hall-und-die-krise-von-1769.html
3) Dazu: https://wackershofenannodomini.blogspot.com/2023/03/die-bande-vom-mainhardter-wald-gang-of.html
4) Zum Beispiel räumten die Jesuiten 1773 das Jesuitenschloss in der Gegend von Freiburg.
5) Joseph Marie Terray (contrôleur général des Finances 1771-1774)
6) "Augspurgische Ordinari Postzeitung" No. 226, 21. Sept. 1774
7) Wie Abschaffung der Compagnies des Mousquetaires de la Garde 1775/76
8) Siehe dazu auch: https://wackershofenannodomini.blogspot.com/2021/05/dienstboten-im-18-jh-servants-during.html#more
9) Dieselbe Zeitung wie oben, Meldung aus Lyon.
10) Der letzte Markgraf von Ansbach Bayreuth war kinderlos und sollte die Fürstentümer per Geheimvertrag (1779) an Preußen abtreten (1791).
11) Verkäuferin.
12) "Furti Crimen" (Diebstahl) in "Extractus ... in Repertorio Criminali ... 1737" (mit Nachträgen), Stadtarchiv SHA Sig. 4/0062, S. 69 f - 70
13) Andreas Maisch: „Mayer Seligmann, Judt zu Unterlimburg. Juden in Schwäbisch Hall und Steinbach 1688-1802“ Hohenloher Verlagshaus, Schwäbisch Hall, 2001, S. 61-63
14) Ratsprotokoll 7. August 1775, Stadtarchiv Schwäbisch Hall Sig. 4/402, S. 293f - 294
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