Donnerstag, 15. Dezember 2022

Historiker von nebenan mit Leoni Heeger - historians alongside with Leoni Heeger

 Hallo Leoni,

 

wir kennen uns ja schon seit vielen Jahren. Ich weiß, dass Du Kunstgeschichte studiert hast, aber vielleicht erzählst Du unseren Lesern mal kurz, wenn Du magst, was Dein Hintergrund als Historikerin ist?

[Leoni Heeger] Ich habe meinen Bachelor in Kunstgeschichte und Archäologie gemacht. Damals gab es an der Uni Bonn diesen kombinierten Studiengang, der inzwischen leider abgeschafft wurde. Für mich war er wunderbar, weil ich das Gefühl habe, dass er mir eine sehr breite Basis und Wissen über Kunst und Kultur von den frühesten menschlichen Zeugnissen bis zur Gegenwart gegeben hat. Jede Epoche lässt sich ja nur im Vergleich mit anderen verstehen. Gleichzeitig konnte ich aber auch herausfinden, was mich am meisten interessiert und habe daher für meinen Master die europäische Kunstgeschichte gewählt.  

Hello Leoni, 

we have known each other for many years. I know you studied art history, but could you please tell our readers a little bit about your background as a historian if you like? 

[Leoni Heeger] I did my bachelor's degree in art history and archeology. At that time there was this combined course at the University of Bonn, which has unfortunately been abolished in the meantime. For me it was wonderful because I feel it gave me a very broad base and knowledge of art and culture from the earliest human testimonies to the present day. Every period can only be understood in comparison with others. At the same time, I was also able to find out what interests me the most, which is why I chose European art history for my master's degree.


 



 

[André Hanselmann] Hast Du als Kunsthistorikerin besondere Lieblinge gehabt? Ich denke da zum Beispiel an einen Lieblingsmaler oder eine Lieblingsepoche.

[Leoni Heeger] Mein Herz schlug immer besonders für mittelalterliche Kunst. Besonders die Illustrationen zu mittelalterlichen Ritterromanen finde ich bis heute faszinierend, weil sie Einblicke in das Leben der damals lebenden Menschen ermöglichen, die gerade in dieser frühen Zeit sonst kaum zu finden sind. Außerdem mag ich Abenteuergeschichten. Aus einem ähnlichen Grund ist meine zweite Lieblingsepoche die frühe Neuzeit mit den großen niederländischen Meistern. Diese Gemälde wirken ja manchmal fast wie Momentaufnahmen aus dem wahren Leben

[André Hanselmann] As an art historian, did you have any particular favourites? I'm thinking, for example, of a favorite painter or a favorite period.

[Leoni Heeger] Medieval art has always been my heart. I still find the illustrations of medieval chivalric novels particularly fascinating to this day, because they provide insights into the lives of the people who lived at that time, which are otherwise hard to find in this early period. I also like adventure stories. For a similar reason, my second favorite period is the early modern period with the great Dutch masters. Sometimes these paintings almost seem like snapshots from real life.

 

Bei mir selber war es so, dass mich mein Freiwilliges Jahr in der Denkmalpflege auch stark für mein Hobbyleben geprägt hat. Wie ist das bei Dir? Gibt es bestimmte Impulse aus Deinem Studium, die Deine Herangehensweise an unser Hobby Living History etwas mitbestimmt haben.

Ich erinnere mich daran, dass ich im Bachelorstudium ein Referat über eine Skulptur im Bamberger Dom halten musste. Damals wurde von den Dozenten viel Wert darauf gelegt, dass man das vorgegeben Werk exakt beschreibt. Mir machte es Mühe, das Gewand der Skulptur und den Faltenwurf zu beschreiben, weil ich es nicht wirklich verstand. In meiner Verzweiflung habe ich ein Bettlaken genommen und es mir vor dem Spiegel um den Körper gewickelt, bis es so aussah wie bei der Skulptur. Ich glaube, damals habe ich zum ersten Mal bemerkt, dass man manche Dinge nicht verstehen kann, wenn man sie nicht selbst ausprobiert hat. Dass das ein Hobby ist und es eine ganze Szene dazu gibt, wusste ich damals aber nicht.

For me it was the case that my voluntary year in the preservation of monuments also had a strong influence on my hobby life. How is it with you? Are there certain impulses from your studies that have influenced your approach to our Living History hobby? 

I remember that I had to give a presentation on a sculpture in Bamberg Cathedral during my bachelor's degree. At that time, the lecturers attached great importance to the exact description of the given work. I struggled to describe the sculpture's robe and drape because I didn't really understand it. In desperation, I took a sheet and wrapped it around my body in front of the mirror until it looked like the sculpture. I think that's when I realized for the first time that there are some things you can't understand unless you try them for yourself. I didn't know at the time that it was a hobby and that there was a whole scene about it.

 


 

 

Ich habe Dich ja zuerst auf unseren 18. Jahrhundert-Veranstaltungen in Wackershofen so richtig erlebt. Ihr habt zum Beispiel ein tolles Puppenspiel vor vielen Jahren aufgeführt. Das ist doch auch auf bestimmte Weise Kunst, die in dieser Epoche beliebt war. Hast Du da die Handpuppen selber entwickelt?

Ja, die Handpuppen waren ein tolles Projekt. Die Idee war, zu zeigen, welche Art von Unterhaltung für die Menschen auf dem Land zur Verfügung stand. Auf der Veranstaltung wurde eine Bauernhochzeit gezeigt und wir wollten etwas Festliches dazu beitragen. Originale Handpuppen sind aus der Zeit leider nicht erhalten. Wir mussten daher mit den spärlichen Bildquellen arbeiten und haben uns auch Kinderpuppen aus dem 18. Jahrhundert angesehen. Die Kostüme der Figuren sind zum Teil an der Kleidung des 18. Jahrhunderts und zum Teil an den Figuren der Commedia dell‘Arte orientiert. Die Puppenspieler zeigten damals nämlich häufig Stücke, die sie zuvor auf den großen Bühnen der richtigen Theater gesehen hatten. Das Puppenspiel ist dann die Sparversion, da es zumeist von einem einzigen Puppenspieler aufgeführt wurde. So kamen die berühmten Geschichten auch zu den einfachen Leuten aufs Land, die weder die Möglichkeit noch das Geld hatten, ein richtiges Theater zu besuchen. Unsere Geschichte war übrigens ein Stück von Hans Sachs, von dem bekannt es, dass es bis weit ins 19. Jahrhundert gedruckt wurde. Das Thema des lüsternen Geistlichen und des handgreiflichen Bauern ist die ganze Neuzeit über beliebt gewesen. 

I really saw you first at our 18th century events in Wackershofen. For example, you put on a great puppet show many years ago. In a certain way, this is also art that was popular at the time. Did you develop the hand puppets yourself? 

Yes, the hand puppets were a great project. The idea was to show what kind of entertainment was available for the people of the countryside. A peasant wedding was being shown at the event and we wanted to add something festive to it. Unfortunately, original hand puppets from that time have not been preserved. We therefore had to work with the sparse image sources and also looked at children's dolls from the 18th century. The costumes of the characters are partly based on the clothing of the 18th century and partly on the characters of the Commedia dell'Arte. At that time, the puppeteers often showed plays that they had previously seen on the big stages of the real theaters. The puppet show is then the economy version, since it was usually performed by a single puppeteer. This is how the famous stories got to the ordinary people in the country who had neither the opportunity nor the money to go to a real theater. Our story, by the way, was a play by Hans Sachs, which is known to have been in print well into the 19th century. The theme of the lecherous clergyman and the violent peasant has been popular throughout modern times.

 

Ich habe den Eindruck, dass Du Dich nach unseren Anno Domini-Veranstaltungen besonders bei dem Thema 17. Jahrhundert reingekniet hast. Besteht da ein Zusammenhang zu einer Passion für Gemälde von Teniers d. J. oder beispielsweise Rembrandt?

Als ich mich im Masterstudium mit den niederländischen Porträts des 17. Jahrhunderts auseinandergesetzt habe, habe ich mich in die bürgerliche Mode der Zeit verliebt. Die Ästhetik von weißen Krägen auf schwarzer Kleidung gefällt mir persönlich einfach sehr gut. Rembrandt war da für mich wie für so viele der Einstieg. Was die Porträts betrifft ist Frans Hals aber meiner Ansicht nach ungeschlagen. Er scheint sich auch mehr für Kleidung interessiert zu haben als Rembrandt. Von den Genremalern ist Jan Steen mein Liebling. Bei ihm ist alles so ungekünstelt und überzeugend, wie man es in der Zeit nirgendwo anders findet. Ich habe auch immer das Gefühl, dass er allen seinen Figuren mit großem inneren Wohlwollen begegnet ist, obwohl er vom rauflustigen Bauern bis zur sturzbetrunkenen Bürgersfrau viele menschliche Fassetten dargestellt hat, die alles andere als ideal sind.  

I have the impression that after our Anno Domini events you got down to the subject of the 17th century in particular. Is there a connection to a passion for paintings by Teniers the Younger. or, for example, Rembrandt? 

When I was studying 17th-century Dutch portraits during my master’s degree, I fell in love with the bourgeois fashion of the time. Personally, I really like the aesthetic of white collars on black clothes. For me, as for so many others, Rembrandt was the starting point. As far as portraits go, I think Frans Hals is unbeaten. He also seems to have been more interested in clothing than Rembrandt. Of the genre painters, Jan Steen is my favourite. Everything about him is so natural and convincing that you won't find it anywhere else at the time. I also always have the feeling that he treated all of his characters with great inner benevolence, even though he portrayed many human facets that are far from ideal, from the rowdy peasant to the drunken middle-class woman.

In Grolle auf der 80-jähriger Kriegs-Veranstaltung. - In Grolle at the 80-years war event.

 

 

Die Corona-Pandemie hat ja damals leider unserem Versuch einen Vortrag zum Thema Frauen im 17. Jahrhundert vorzustellen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ich kenne dazu auch kaum Literatur bis auf Renate Dürrs tolles Buch zu Mägden in Hall. Hast Du da auch den Eindruck wie ich, dass man darüber mehr forschen und erzählen muss? Der Schwerpunkt zum 17.Jh. scheint mir lange auf Protagonisten wie Wallenstein oder Schlachten wie Lützen gewesen zu sein.

Der Eindruck ist sicher richtig. Frauen hatten es in der frühen Neuzeit natürlich schwer, einen Platz in den Geschichtsbüchern zu erringen. Bei meiner Recherche für den Vortrag bin ich allerdings immer wieder auf zeitgenössische Autoren gestoßen, die mit sehr deutlichen Worten darauf hinweisen, wie entscheidend eine gute Ehefrau für den Lebenserfolg und das Glück eines Mannes ist. Ich glaube, dass das den Menschen damals auch bewusster war, als wir manchmal glauben. Erst durch die Heirat wurde ein Mann, der bis dahin als Kind oder als Untergebener seiner Eltern verstanden wurde, richtig erwachsen und konnte ein eigenständiges Leben führen. Die Herrin des Hauses oder Hausmutter, wie man damals sagte, war in jedem Haushalt die zweitwichtigste Person, also so etwas wie die First Lady und nahm eine wichtige gesellschaftliche und wirtschaftliche Rolle ein. Ohne sie war weder die Bewirtschaftung eines Bauernhofes noch die Führung eines Handwerksbetriebs möglich. Heute vergessen wir manchmal, dass das Gemeinschaftsprojekte waren. Einer Einzelperson war das Überleben kaum möglich. Das zeigt sich auch deutlich daran, dass die Heere im Dreißigjährigen Krieg stets von einem unvorstellbar großen Tross begleitet wurden, der unter anderem aus den Ehefrauen und Kindern der Soldaten bestand. Die Frauen heirateten also Soldaten oder zogen mit ihren Männern von zu Hause fort, weil beide sonst nicht überlebt hätten. Darüber hinaus gibt es natürlich auch einzelne Frauen, die unabhängig von einem Mann besondere Dinge leisteten. Die Zeitgenossen haben leider über diese Frauen nicht viel niedergeschrieben, weil die ideale Frau in den Augen der meisten Menschen des 17. Jahrhunderts am besten eben nicht hervorsticht, sondern ihren Ehemann im Verborgenen unterstützt. Die Zeiten brachten es mit sich, dass sich viele Frauen um sich selbst kümmern mussten. Ein leichtfüßiger Einstieg in dieses Thema ist die Lebensbeschreibung der „Courage“ von Grimmelshausen. Das Buch blickt zwar mit einem Augenzwinkern auf dieses „Flintenweib“, da Grimmelshausens Humor allerdings sehr schwarz sein kann, werden auch die Herausforderungen und sogar Abgründe des Lebens der Frauen im Dreißigjährigen Krieg beschrieben.  

Unfortunately, the corona pandemic thwarted our attempt to present a lecture on women in the 17th century. I hardly know any literature on this, apart from Renate Dürr's great book on maids in Hall. Do you have the impression, like me, that we need to do more research and talk about it? The focus on the 17th century seems to have been focused on protagonists like Wallenstein or battles like Lützen for a long time. 

The impression is certainly correct. Of course, women had a hard time making a place in the history books in the early modern period. During my research for the lecture, however, I repeatedly came across contemporary authors who pointed out in very clear terms how crucial a good wife is for a man's success in life and happiness. I think people were more aware of that then than we sometimes think. It was only through marriage that a man, who until then had been understood as a child or subordinate to his parents, really grew up and was able to lead an independent life. The mistress of the house, or housemother, as they called it, was the second most important person in every household, something like the first lady, and played an important social and economic role. Without them, neither the management of a farm nor the management of a craft business was possible. Today we sometimes forget that these were community projects. It was almost impossible for an individual to survive. This is also clearly shown by the fact that the armies in the Thirty Years' War were always accompanied by an unimaginably large entourage, which included the wives and children of the soldiers. So the women married soldiers or left home with their husbands because otherwise neither of them would have survived. In addition, of course, there are also individual women who have achieved special things independently of a man. Unfortunately, contemporaries did not write much about these women, because in the eyes of most people in the 17th century, the ideal woman is best not to stand out, but to support her husband in secret. Times have brought it that many women had to take care of themselves. A light-footed entry into this topic is the biography of Courage by Grimmelshausen. The book looks at this "gun woman" with a wink, but since Grimmelshausen's humor can be very black, the challenges and even abysses of the lives of women in the Thirty Years' War are also described.

 

 

Bei uns daheim hängen viele Bilder wie Zeichnungen, die wir selber gemacht haben. Oft entstehen Schattenrisse auf unseren "Oberschichts"-Events. Bis Du selber auch künstlerisch tätig?

Meine bildnerische Tätigkeit beschränkt sich auf das Kritzeln beim Telefonieren. Mir fällt es leichter, über Dinge zu sprechen oder zu schreiben. Darum habe ich mich auch für die Kunstwissenschaft und nicht die praktische Kunst entschieden. Das Hantieren mit Worten kann auch sehr kreativ sein. Das Schöne am Living History ist auch, dass man die Möglichkeit hat, sich kunsthandwerklich auszutoben. Zeichnen und Malen sind ja nur zwei von vielen Freizeitaktivitäten, die in der Geschichte für Frauen als angemessen galten.

At home we have a lot of pictures hanging like drawings that we made ourselves. Silhouettes often appear at our "upper class" events. Are you also artistically active yourself? 

My creative activity is limited to scribbling while on the phone. I find it easier to talk or write about things. That's why I decided to study art and not practical art. Working with words can also be very creative. The nice thing about Living History is that you have the opportunity to let off steam with handicrafts. Drawing and painting are just two of many leisure activities that have historically been considered appropriate for women.

 

Beim Klöppeln im 17. Jahrhundert. - Making lace during the 17th century.


 

Gibt es für Dich bestimmte Veranstaltungen, die Du als Highlights in Deiner Karriere als Darstellerin bezeichnen würdest? Kannst Du unseren Lesern ein bisschen darüber erzählen?

Für mich war meine erste Veranstaltung in Wackershofen auf jeden Fall ein Highlight, weil es meine erste Veranstaltung in einem Freilichtmuseum war. Es ist einfach etwas Besonderes eine so schöne Kulisse zu haben, die man rund um die Uhr beleben kann. Mir hat es auch sofort Spaß gemacht, dass die Besucher nicht nur schauen, sondern auch viele Fragen stellen. Am liebsten erinnere ich mich aber daran, dass wir damals abends zusammen kartengespielt, gesungen und bis zum frühen Morgen historische Tänze geübt haben. In letzter Zeit war aber auch die Schlacht um Grolle ein besonderes Erlebnis, die wir ja zusammen besucht haben. Es war die größte Veranstaltung, an der ich bisher teilgenommen habe und es ist einfach toll, Liebhaber des 17. Jahrhunderts aus ganz Europa kennenzulernen.   

Are there certain events for you that you would describe as highlights in your career as an actress? Can you tell our readers a bit about it? 

For me, my first event in Wackershofen was definitely a highlight because it was my first event in an open-air museum. There is just something special about having such a beautiful setting that you can liven up 24/7. I immediately enjoyed the fact that the visitors not only looked, but also asked a lot of questions. What I like to remember most, however, is that we played cards together in the evenings, sang and practiced historical dances until the early morning. Recently, however, the Battle of Grolle was also a special experience, which we visited together. It was the biggest event I've attended so far and it's just great to meet 17th century enthusiasts from all over Europe.

 

 

Besonders beeindruckend finde ich eure Darstellung als Apotheker in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Wie seid ihr, d.h. Du und Lukas Fischer auf diese Rolle gekommen?

Wie schon gesagt liebe ich besonders die bürgerliche Kleidung des 17. Jahrhunderts. In Wackershofen wird ja hauptsächlich das Landleben dargestellt, zu dem diese Kleidung eigentlich nicht passt. Also haben wir darüber nachgedacht, welchen Beruf aus der Oberschicht man zeigen könnte. Zuerst haben wir über einen Händler nachgedacht, aber der kann auf der Veranstaltung nicht viel mehr machen, als seine Ware zu zeigen. Über Gewürzhändler sind wir dann auf Apotheker gekommen. Je mehr wir darüber recherchierten, desto faszinierter waren wir. Der Apotheker ist eine spannende Figur, da er zwar nicht an der Universität ausgebildet wurde, aber nicht nur Schreiben und Lesen sondern auch Latein können musste und im Gegensatz zu Handwerkern eine verlängerte Lehrzeit hatte. Genau wie heute wurde in der Apotheke nicht nur Medizin, sondern auch Luxusartikel und Kosmetik verkauft. Damit hat man ein weites Feld von verschiedenen Tätigkeiten und Dingen, die man den Besuchern zeigen kann. Die Reaktionen darauf waren auch direkt sehr positiv, weil die damalige Medizin gleichzeitig so fremd und so vertraut ist. Das zufällig zeitliche Zusammentreffen mit der Epidemie, macht die ständige Angst vor Seuchen, die die Frühe Neuzeit prägte, wohl auch aktuell. Für mich als weibliche Darstellerin ist auch die Frage, welche Rolle eine Frau in der Apotheke einnehmen konnten interessant. Tatsächlich gibt es im 17. Jahrhundert Frauen, die eine eigene Apotheke führten. Ich glaube, das hängt damit zusammen, dass die Fürsorge für die körperliche Gesundheit schon immer ein Teil der klassischen Frauenrolle war. Darum war man medizinisch gebildeten Frauen gegenüber aufgeschlossen. Arzt konnte eine Frau selbstverständlich nicht werden, weil sie nicht an der Universität studieren durfte. Eigenständige Apothekerinnen hat es aber vereinzelt gegeben und in der Apotheke des Mannes beim Verkauf und der Buchhaltung zu helfen, war auf jeden Fall die Aufgabe einer guten Apothekersfrau. 

I find your portrayal as a pharmacist in the first half of the 17th century particularly impressive. How did you, i.e. you and Lukas Fischer, come up with this role? 

As I said, I especially love the bourgeois clothing of the 17th century. In Wackershofen, it is mainly country life that is portrayed, to which this clothing does not actually fit. So we thought about what upper-class profession to show. At first we thought about a retailer, but they can't do much more than show their wares at the event. We then came across pharmacists via spice traders. The more we researched about it, the more intrigued we became. The pharmacist is an exciting character, because although he was not trained at the university, he not only had to be able to read and write but also Latin and, in contrast to craftsmen, had a longer apprenticeship. Just like today, not only medicines were sold in the pharmacy, but also luxury items and cosmetics. This gives you a wide range of different activities and things that you can show visitors. The reactions to this were also very positive right away, because the medicine of the time was so foreign and so familiar at the same time. The coincidental coincidence with the epidemic makes the constant fear of epidemics that characterized the early modern period also relevant. For me as a female actress, the question of which role a woman could play in the pharmacy is also interesting. In fact, there are women in the 17th century who ran their own pharmacy. I think it has to do with the fact that caring for physical health has always been a part of the classic woman's role. That is why one was open to medically educated women. Of course, a woman couldn't become a doctor because she wasn't allowed to study at the university. However, there were a few independent pharmacists, and helping out in the man's pharmacy with sales and bookkeeping was definitely the job of a good pharmacist's wife.

 

 

Jeder von uns Darstellern hat ja besondere Projekte für den Winter und bis zur nächsten Veranstaltung. Ich will mir eine neue Hose für das 17. Jahrhundert schneidern. Hast Du auch solche Ziele und magst Du uns davon berichten?

Mein Traum ist die vollständige Ausstattung einer Kölner Bürgerin des 17. Jahrhunderts, wie man sie zum Beispiel auf den Porträts von Gottfried von Wedig sehen kann. Erfreulicherweise gibt es in Darmstadt eine Sammlung mit originalen Kleidungsstücken aus Köln, die den Kleidern auf den Gemälden zum Teil so ähnlich sind, dass man fast glauben will, dass es die gleichen sind. Im Moment reizt mich besonders ein Mieder aus Seide, das mit schrägen Streifen aus schwarzer Klöppelspitze besetzt ist. Das Muster für die Spitze habe ich in der sehr empfehlenswerten Doktorarbeit von Johannes Pietsch gefunden. Allerdings brauche ich selbst nach Einarbeitung in das Muster etwa 30 Minuten für einen Zentimeter Spitze. Daher ist mein Plan, zunächst nur Ärmel mit Spitzenbesatz zu machen, die man an ein schlichtes Mieder annesteln kann. Und selbst da habe ich Zweifel, ob der Winter lang genug ist.    

Vielen Dank, liebe Leoni, für Deine Antworten. Ich freue mich schon sehr darauf zusammen mit Dir auf unseren künftigen Landleben-Veranstaltungen neues zu erleben. 

 

Each of us actors has special projects for the winter and until the next event. I want to tailor new trousers for the 17th century. Do you also have such goals and would you like to tell us about them? 

My dream is the complete outfitting of a 17th-century Cologne citizen, as can be seen in the portraits of Gottfried von Wedig, for example. Fortunately, there is a collection in Darmstadt with original clothing from Cologne, some of which are so similar to the clothes in the paintings that you almost want to believe that they are the same. At the moment I'm particularly attracted to a silk bodice with slanting stripes of black bobbin lace. I found the pattern for the tip in Johannes Pietsch's highly recommended doctoral thesis. However, even after familiarizing myself with the pattern, I need about 30 minutes for an inch of lace. So my plan is to start with just making lace trimmed sleeves that can be attached to a plain bodice. And even then I have my doubts as to whether the winter is long enough. 

Thank you very much, dear Leoni, for your answers. I am really looking forward to experiencing new things together with you at our future country life events.

 

Text: André Hanselmann / Leoni Heeger

Fotos: Leoni Heeger 

 

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