Samstag, 5. Januar 2019

Grabenreiter - auf dem Pferd im Einsatz


Ich möchte heute diesen Blog einem bestimmten Funktionsträger der Reichsstadt zuwenden, dem Grabenreiter. Der Grabenreiter wird manchmal als eine Art kleiner „Streifenpolizist“ betrachtet und auch ich hatte früher einmal diese Ansicht, die ich aber gerne revidieren möchte.

Today I want to dedicate the blog to a special official of the imperial town: the "Grabenreiter" (digrider). The "Grabenreiter" is sometimes viewed as an ordinary patrolman of the local police. I myself once had this impression, which I want to revise.


Im Vordergrund stand mein ganz falscher Eindruck der Bedeutung des Grabenreiters. Der Name Grabenreiter hängt mit der Überwachung der Gräben zusammen, die zu der in weiten Teilen das Territorium Halls umschließenden Heeg gehören. So bekommt der Grabenreiter auch beispielsweise „für das heegen“ im Amt Rosengarten 15 Schillinge. Darüberhinaus verzeichnet eine Instruktion für die Grabenreiter, dass sie „schmähhändel, schlägerey“ und dergleichen anzeigen sollten. Auch das ordnungsgemäße Verzollen der Waren sollte von ihnen überwacht werden, denn immer wieder tauchen in den Amtsrechnungen Strafen für Bauern auf, die ihr Vieh um die Zollstellen herum führten, um den Zoll zu sparen[1]

Ein typischer Anblick damals, Grabenreiter (links) und Amtmann (rechts) am Esstisch in einem ländlich Wirtshaus - a typical sight in the 18th century, the Grabenreiter (at the left) and the Amtmann (at the right) at a dinning table in a rural tavern.


The most important problem was my impression of the importance of the "Grabenreiter". The name "Grabenreiter" is connected with the supervision of the digs, which surrounded a huge area of the territory of Hall and which were a part of the "Heeg". Therefore the "Grabenreiter"got for example 15 shillings "für das heegen" (to work on the dig) in the county Rosengarten. The instruction for the "Grabenreiter" noticed that he should report brawlings and insults and more conflicts like these. He had to observe if the travellers paied their customs duties, because many peasants bypassed the stations of the dutycollectors to save money.

Den Grabenreitern wurde verboten für die Landleute oder Städter mit seinem Dienstpferd Botentätigkeiten zu übernehmen. Vor allem das schädliche Abnutzen des Pferdes, das wohl aus den Vorräten der Stallungen der Obrigkeit gefüttert wurde – nicht zuletzt mit dem Heu, dessen Einbringen der Grabenreiter überwachen sollte – war streng verboten. Schon eine Instruktion von 1667[2] lautet ähnlich wie dann die des 18. Jahrhunderts[3].


It was banned for the Grabenreiter to use his offical horse for private messenger activities for the countrymen or inhabitants. Especially the wear and tear of the horse which got fodder from the stables of the town was prictly prohibited. Maybe the Grabenreiters ignored these orders because they were written before in 1667 and renewed in around 1700.
 
Besonders verantwortungsvoll für den Grabenreiter war die Aufgabe die Einnahmen aus dem Amt Rosengarten bspw. 1769 in Höhe von über 2160 Gulden, damals ein gewaltiges Vermögen, bei der Steuerstube abzuliefern. Dafür erhielt der Grabenreiter auch 21 Gulden und 16 Kreuzer.
Überhaupt stellen die Einnahmen für kleine Tätigkeiten im Auftrag der Stadt einen erheblichen Anteil an den Einkünften des Grabenreiters dar. Insgesamt bekam Grabenreiter Majer fürs Rechnungsjahr 1769/70 immerhin über 29 Gulden.
Gerd Wunder erwähnt die Grabenreiter hätten schon 1670 40 Gulden Besoldung erhalten, was sich bis 1780 nicht sonderlich geändert habe[4].

To bring the fiscal income of the district to the "Steuerstube" (chamber of taxcollectors) was an responsibly duty. In 1769 for example it was the huge sum of 2160 florins, a real fortune for a man like a Grabenreiter. Therefore the Grabenreiter got 21 florins and 16 "Kreuzer"for this job. Altogether all these small jobs for the town brought him a large part of his income. In the year 1769/70 Grabenreiter Majer in the district Rosengarten got 29 florins in total for such duties.
Gerd Wunder mentioned that the Grabenreiter got 40 florins as his grade in 1670 and the grade didn't changed much until 1780.
 
Die Dienste als Grabenreiter müssen sehr einträglich gewesen wie ein Inventar der Witwe des Johann Wilhelm Hartmann von 1766 andeutet. Er besaß nicht nur ein Haus in der Stadt, sondern auch einiges an Bargeld. Die im Inventar aufgezählten Mannskleider sind natürlich besonders spannend, da sie wohl teilweise zu seiner Uniform gehören. So hatte Grabenreiter Hartmann einen „blau tüchenen Rock und Camisohl“, einen „alten weißen Mantel“ und einen besonders wertvollen „Castor Hut“ mit silberner Borte für 6 Gulden. Besonders der weiße Mantel ist ein ungewöhnliches Kleidungsstück, da damals zivile Mäntel meistens eher dunkel waren. Auch ein Paar Pistolen fehlt nicht in der Auflistung. Die zweite Erbin, ein kleines ½ Jahr altes Mädchen bekam auch einen alten blauen Rock, 1 Paar Stiefel, die „bocklerne Hosen“ sowie „1 mößnern Degen“ (also Degen mit Griff und Gefäß aus Messing), wobei der Degen nur einen Wert von 24 Schillingen besaß[5].
Eine Instruktion für Grabenreiter von um 1700 beschreibt seine Ausrüstung so, dass man den Eindruck von einem Schweren Reiter, also Kürassier oder ähnliches bekommt. Denn da werden aufgeführt:
1 Karabiner
1 Paar Pistolen
1 Palasch mir Wehrgehänge
1 „flintenschu“ mit Riemen
1 Patronentasche
1 „Paar Huhtter mit dem Säcklein“
„Schabracken“
Dass er seine Ausrüstung nicht etwa verlottern ließ, sollte der Grabenreiter sie vierteljährig dem Stallherrn vorzeigen[6].

The service of the Grabenreiter clearly was profitable as the inventory of the widow of Johann Wilhelm Hartmann implied in 1766. He not only had a house for his own but a good deal of cash too. The inventory is extremely interesting because of the men's garments listed, which are helpfull to get a picture of his appearance. Most of these garments should be a part of his uniform. Grabenreiter Hartmann had blue coat and waistcoat of cloth and a white cloak and a very costly head of "Castor" with silver lace for six florins. Especially the white cloak is a remarkable garment, because civilian cloaks normaly were of a dark colour. A pair of pistols could be found too in the list. The second heir was a girl, half a year old, which got another old blue coat, a pair of boots, the breeches of leather and a small sword with the hilt of brass. The small sword had a value of 24 shillings only.
An instruction for the Grabenreiter from around 1700 describes the equipment. That list gives the impression of a well equiped heavy horseman or cuirassier. The items were:
1 carabine
1 pair of pistols
1 broad sword with hanger
1 shoe (bracket) for the musket with belt
1 cartridgebox
1 "Paar Huhtter mit dem Säcklein" (unidentified object with a small sac)
Saddlecloth
The Grabenreiter had to show his equipment every quarter to the Stallherr (master of the stables).

Es ist seltsam, dass mir bislang, obwohl der Grabenreiter in den Quellen enorm oft auftritt, nie die Darstellung eines Grabenreiters begegnet ist. Jäger, Amtmänner, Ratsherren und Soldaten hingegen sieht man oft auf Schützenscheiben, Porträts oder plastischem Schmuck.
Die größte Bedeutung des Grabenreiters liegt meines Erachtens aber weniger, wenn er die Wiesen, Gräben, Wirtshäuser und so weiter überwacht, sondern wenn er wie ein Husar Kundschaftertätigkeiten übernahm. Im Kriegsfall, so die Instruktion von um 1700 sollte er sich als „Reyßiger Diener“ betätigen. Manche Namen von Grabenreitern sind mir besonders vor Augen, so der des Grabenreiters Haas, welcher bei dem Überfall der Würzburger Dragoner und Musketiere auf das Steigengasthaus an der Roten Steige 1749 vom Rat eingesetzt wurde, um Neuigkeiten in Erfahrung zu bringen[7].

It's strange. I never ever saw a picture of a Grabenreiter although many sources mentioned this offical. Hunters, the "Amtmänner" (sherrifs), magistrates and soldiers were often painted on targets, portraits or even decorations like plaster in the houses.
In my opinion the greatest importance of the Grabenreiter was not to observe meadows, digs, taverns etc., but to take the duty of a scout like hussars did in this period. The instruction of 1700 mentioned that in wartime the Grabenreiter had to serve as a "Reyßiger Diener" (a soldier on horseback). I know some names of Grabenreiters especially well. For example Grabenreiter Haas who was used by the magistrate as a scout when the dragoons and musketeers from Würzburg raided the tavern at the red steep track in 1749.

Der Grabenreiter wird uns noch öfter begegnen, denn er war damals auf dem Land ein ständiger Anblick für die Bevölkerung. Als Bürger war er mit den anderen Bürgern der Reichsstadt gleichberechtigt. In seinem Beruf war er oftmals der Gefährte des Amtmannes, ein Vertrauensmann des Rates, auf den sich dieser verlassen können musste.

We will face the Grabenreiter again and again, because he was a common sight for the people in the country. As a citizen he was equal with the other citizens of the imperial town of Schwäbisch Hall. His job made him a companion of the Amtmann, a trust carrier of the magistrate, which had to rely on him.

Text: André Hanselmann
Foto: Claudia Behnke


[1] Hildegard Nordhoff-Behne: „Gerichtsbarkeit und Strafrechtspflege in der Reichsstadt Schwäbisch Hall seit dem 15. Jahrhundert“ Thorbecke Verlag, Sigmaringen, 1997, S. 89-90
[2] Instruktion „Der vier Grabenreuter“ vom 25. Februar 1667, Instruktionsbuch, Stadtarchiv Schwäbisch Hall Sig. 4/180
[3] Instruktion der Grabenreiter, Stadtarchiv Sig. 4/201
[4] Gerd Wunder: "Die Bürger von Hall" Thorbecke, Sigmaringen, 1980, S. 125
[5] Inventar des Johann Wilhelm Hartmann, Grabenreiter im Amt Rosengarten, 26. Juni 1766, Stadtarchiv Schwäbisch Hall Sig. 14/3164
[6] Instruktion für Grabenreiter um 1700, Stadtarchiv Schwäbisch Hall, Sig. 4/201
[7] Vgl.: André Hanselmann: „Anno Domini 1749 – Landfriedensbruch an der Roten Steige?“ Kleine Schriften des Hohenloher Freilandmuseums, 2014

2 Kommentare:

  1. Fascinating piece of history. I imagine that the role of Grabenreiter was a sought after position, but possibly unpopular with some people who wanted to avoid paying tolls.

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    1. That's a very interesting question. It seems at least that some were wealthy especially in comparison with local militaries.

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