Durch ein Video auf Youtube [1] bin ich auf das Thema gestoßen welches Liedgut wir für unsere Veranstaltungen aussuchen. Es ist tatsächlich bei uns in Wackershofen auf unseren "Landleben"-Veranstaltungen so, dass einige wenige zeitgenössische Lieder aus dem 16./17. Jh. singen, während das andere weniger interessiert, bzw. weniger praktizieren. Für unsere Teilnehmer stellen wir 2 Liederbücher zur Verfügung mit Liedern, welche zu unserer Veranstaltung passen [2]. Wie sind wir da vorgegangen? Vorrangig ich selbst habe Lust auf eine möglichst mehrdimensionale Darstellung der Epoche. Die Menschen damals haben einfach nicht nur geatmet und gegessen und gesöldnert (sic.!). Sie haben gearbeitet, aber auch gefeiert wozu Tanz, Musik und eben auch Singen dazu gehört. Die zahlreichen überlieferten Liedersammlungen aus der Zeit z.B. von P. Fabricius [3] dokumentieren den Reichtum an Liedgut.
Through a video on YouTube [1] I came across the topic of which songs we choose for our events. It is actually the case here in Wackershofen at our "Landleben" events that a few contemporary songs from the 16th/17th century are played. Century sing, while others are less interested or practice less. For our participants we provide 2 songbooks with songs that suit our event [2]. How did we go about it? I am primarily interested in a representation of the era that is as multi-dimensional as possible. People back then didn't just breathe and eat and mercenary (sic.!). They worked, but also celebrated, which included dancing, music and singing. The numerous surviving song collections from the time of P. Fabricius [3], for example, document the wealth of songs.
Im Schulunterricht wird natürlich auch gesungen. - Naturally in the school we are singing too. (photo: Stefan Winter, 2019) |
1. Passend für die Epoche, d.h. nicht nach 1623 entstanden.
2. Melodie vorhanden, idealerweise mit Einspielung [4], damit man es nachsingen kann, wenn keine Kenntnisse im Notenlesen vorhanden sind.
3. Möglichst vielfältige Themen wie Soldatenlieder, Kirchenlieder [5], Arbeitslieder zu Themen wie Ernte, Dreschen usw. oder auch Trinklieder.
4. Gut singbar [6].
When I was looking for songs for our events in Wackershofen, I tried to use the following criteria:
1. Appropriate for the era, i.e. not made after 1623.
2. Melody available, ideally with a recording [4] so that you can sing it if you have no knowledge of reading music.
3. Topics as varied as possible, such as soldiers' songs, church songs [5], work songs on topics such as harvesting, threshing, etc. or even drinking songs.
4. Easy to sing [6].
Titelblatt unseres Liederbuches. - Titlepage of our song book. (copyright: André Hanselmann) |
Für mich selber ist es so, dass man um historische Lieder nicht drum rum kommt. Die Quellen, welche auch dokumentieren wie sangfreudig die Deutschen waren sind dafür zu bezeichnend. Es gibt ja für das 18.Jh. sogar ganz exakt auf Schwäbisch Hall bezogene Quellen, welche die Liedkultur in der Reichsstadt dokumentieren [7] [8]. Wenn es keine sangfreudigen Menschen gegeben hätte, wären ja auch keine Liedblätter bzw. Liedersammlungen erschienen.
For me, it's the case that you can't avoid historical songs. The sources that also document how happy the Germans were to sing are too telling. There are for the 18th century. even sources that are specifically related to Schwäbisch Hall, which document the song culture in the imperial city [7] [8]. If there had been no people who loved to sing, no song sheets or song collections would have appeared.
Bei mir persönlich ist es so, dass mich bestimmte Lieder besonders ansprechen. Da sind zum einen die ziemlich symbolistischen, geheimnisvollen Lieder wie "Es liegt ein Schloss in Österreich" [9] wovon es glücklicherweise auch eine sehr schöne Einspielung gibt [10]. Zum anderen gefallen mir Lieder, die eine klare eventuell sogar realistische Geschichte erzählen wie "Ich kam für einer Frau Wirthin Haus" [11] von dem ich nur eine Einspielung kenne [12]. Das Lied untermauert wie kaum ein anderes aus der Zeit die Tragik des Söldnertums zwischen Reichtum und Elend indem der für wohlhabend gehaltene einzelne "Schwartenhals" [13] zuerst hoffiert und dann, als man seine Armut erkennt, in die Scheune gesteckt wird. Schließlich entpuppt er sich, da auf sich allein gestellt, als sogenannter Gartknecht, der auf Straßenraub ausgeht. Die zeitgenössischen Land- und Dorfordnungen warnten dezidiert vor sogenannten Land- und Gartknechten, denen man als braver Landmann keinen Zugang zum eigenen Haus verschaffen und keine Beute abkaufen sollte [14]. Die Deutung mancher Lieder fällt um so schwerer, da wir nichtmal die Autoren ausfindig machen können, sondern maximal die ersten Abdrucke kennen und es oft zweifelhaft ist, dass der damals angegebene Autor das Lied an sich auch geschrieben oder nur abgeschrieben hat.
For me personally, certain songs particularly appeal to me. On the one hand, there are the rather symbolistic, mysterious songs like "Es liegt ein Schloss in Österreich" [9], of which there is fortunately a very nice recording [10]. On the other hand, I like songs that tell a clear, perhaps even realistic story, such as "I came for a woman's host house" [11], of which I only know one recording [12]. The song, like no other from the time, underlines the tragedy of mercenaryism between wealth and misery in that the individual "Schwartenhals" [13], who is considered wealthy, is first hoped for and then, when his poverty is recognized, is put in the barn. Ultimately, since he's on his own, he turns out to be a so-called Gartknecht who is out for street robbery. The contemporary country and village regulations clearly warned against so-called "Lands-" and "Gartknechte", from whom, as a good farmer, you should not give access to your own house or buy any loot [14]. The interpretation of some songs is all the more difficult because we cannot even find the authors, but only know the first impressions and it is often doubtful that the author stated at the time actually wrote the song or only copied it.
Text: André Hanselmann
Fotos: Stefan Winter, Cecilia Hanselmann, André Hanselmann
Notiz / Notice:
1) Virtual Fechtschule: "Landsknecht songs: seperating myths from history"
https://www.youtube.com/watch?v=obyJ9HuIJnY
2) "Liederbuch des Hallischen Trinkbrueders." 2022, "Zweytes schönes Liederbüchelein des Haller Trinkbrueders" 2022
3) Petrus Fabricius: "Lautenbuch" 1603, siehe auch Volksliederarchiv (Bremen)
https://www.volksliederarchiv.de/lexikon/fabricius/
4) idealerweise historisch informierte Einspielungen von sogenannten Alte Musik Ensembles (nicht moderne Militärmusik) wie - idealy historical informed recordings from so-called Old Music groupes (not modern military music) such as: Convivium Musicum & Ensemble Vilanella: "Tugend und Untugend - German Secular Songs and Instrumental Music from the Time of Luther" NAXOS, 1995
5) Da sind zeitgenössische Flugblätter/Liederblätter zahlreich übermittelt. - There are many prints and pages with songs still existing.
6) Das stellt sich immer erst mit den Jahren heraus. Manches aus unseren 18.Jh. Liederbüchern wird bis heute nicht gesungen, da zu eintönig oder schwierig. - Songs proving good after years. Some songs from our 18th century songbooks are not much sung because they are too difficult or boring.
7) "Ein klägliches Lied so Georg Michael Schönmann einer von denen so im Hällischen die Reichs-Post berauben helffen in seinem Gefängniß allhier in Hall gemacht." Schwäb. Hall, 1752, Stadtarchiv Schwäbisch Hall
8) Kirchenlieder von Johann Balthasar Beyschlag in: „Centifolia melica oder hundertblättrige Liederrose“ Nürnberg, 1709
9) Volkslied 15. Jahrhundert, folksong 15th century
10) "Es leit ein Schloss in Österreich" vom Album "Hildebrandston - 17th century German songs" Ferrara Ensemble dir. Crawford Young
11) als "Ich ging vor ein'r Frau Wirthin Haus" in: Melchior Frank: "Opusculum etlicher newer und alter Reuterliedlein" Nürnberg, 1603, bei Konrad Baur / auch schon bei Georg Forster: "frische teutsche Liedlein" Band 3, Nürnberg 1549 (Der dritte theyl schöner lieblicher alter und newer Teutscher Liedlein, nicht alleine zu singen sondern auch auff allerley Instrumenten zu brauchen … und vormals nie gesehen. Nürnberg 1549)
Dass das Werk in mehreren Auflagen erschien, verdeutlicht die Popularität.
The song was published under different titles and the first print of the song by Forster (1549) had several reprints. That underlines the popularity of the song.
12) "Der Schwartenhalß - Schöne alte Landsknechtslieder" Wendelin Müller-Blatthau dir. Collegium Cantorum Universität Saarbrücken, Bella Musica Edition, 2013
13) Bezeichnung für prassenden Söldner. - Contemporary word for feasting (too much drinking etc.) mercenaries.
14) in "Hällische Landts- und Dorffsordtnung" undatiert (frühes 18. Jh.) Stadtarchiv Schwäbisch Hall Sig. HV II / 18
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