Montag, 1. Mai 2023

Landleben 1623 Teil 2 / P. 2

Der Ostersonntag stand natürlich ganz im Zeichen des hohen Festtages. Ich hatte ja an den Tagen zuvor auch schon mit den Kindern in unserer Dorfschule über das Schicksal von Judas und seine Rolle im Neuen Testament gesprochen. Entsprechend schloss sich meine Lesung am Sonntag an - diesmal mit dem besonderen Lied "Nach grüner Farb mein Herz begehrt", welches zu dem schöneren Wetter an diesem Tag passte. 

Am Samstagabend wurde noch munter Karnöffel gespielt. Hier im Vordergrund ein ausländischer Söldner erkennbar an dem blauen Band an seinem Arm. - In the evening of Saturday we had played "Karnöffel". Please note the foreign mercenary in the foreground with a blue band around his arm. (photo: Cecilia Hanselmann)


Easter Sunday was of course all about the high feast day. The days before, I had already spoken to the children in our village school about the fate of Judas and his role in the New Testament. Accordingly, my reading followed on Sunday - this time with the special song "After green color my heart desires", which matched the nicer weather that day.

Am Sonntag hat mich die Frau des Apothekers behandelt. - On Sunday I was in the hands of the pharmacist's wife. (photo: Anna-Katharina Kemmer)


Am Morgen hatten wir bereits die Kühe auf die Weide gebracht ohne aber zu schaffen sie in den Stall zurück zu treiben. Der Tag war ebenso wie der vorige allerdings eher von den kleinen Kappeleien zwischen Württembergern und Bayern gekennzeichnet. Mir war aufgefallen, dass unsere Landfahne fehlte [1] und ich bat Hauptmann Hans Hammer diese aufzufinden. Natürlich ist die Aktion insgesamt albern. Aber wir wissen in vielen Fällen nicht wie es damals zu den kleineren Zusammenstößen kam. So ist ja auch für mich der Hintergrund vom Kampf bei Großallmerspan im Detail nicht plausibel, auch wenn Hall damals als Unionsmitglied noch Konfliktpartei war [2]. Mit unseren Langspießen gelang es mir und zweien meiner Knechte den bayerischen Reiteroffizier gefangen zu nehmen, der gegen die Rausgabe der Fahne freigegeben werden sollte. Amüsanterweise wurde derselbe Offizier nochmals Gefangener, als unsere Fahne wieder da war aber die der Württemberger entwendet [3]. Es zeigte sich ganz ähnlich wie bei dem Gefecht bei Ölbronn [4], dass die Bauern zur Beteiligung an einem Aufeinandertreffen gegen professionelle Söldner nicht taugten. Meine Landesdefensioner und ich warfen gleich die Spieße weg, als wir auf die ligistischen Pikeniere trafen. Ich fand es gut diesen Unterschied darzustellen. 


Ein in einem hällischen Weiler einquartierter Pikenier der Ligatruppen. - One of the pikemen of the League which were quartered in a hamlet in the territory of Hall. (photo: Anna-Katharina Kemmer)

Fußvolk der Liga auf dem Marsch. - Infantry of the league marching. (photo: Anna-Katharina Kemmer)


In the morning we had already brought the cows to the pasture without being able to drive them back into the barn. Like the previous day, however, the day was characterized more by the small chapels between Württembergers and Bavarians. I noticed that our national flag was missing [1] and asked Captain Hans Hammer to find it. Of course, the action as a whole is silly. But in many cases we do not know how the smaller clashes came about. For me, too, the background to the fight at Großallmerspan is not plausible in detail, even if Hall was still a party to the conflict as a member of the Union [2]. With our long spears, I and two of my servants managed to capture the Bavarian cavalry officer, who was to be released if the flag was handed over. Amusingly, the same officer became a prisoner again when our flag was back, but the Württemberg flag was stolen [3]. Similar to the skirmish at Ölbronn [4], it was shown that the peasants were unfit to take part in a clash against professional mercenaries. My state defenders and I immediately threw away the spears when we met the league pikemen. I liked showing that difference.

Die schön gekleideten Apotheker und eine Frau vom Land im Sonntagsstaat. - The well dressed pharmacists and a women of the village in her best clothing. (photo: Anna-Katharina Kemmer)

Der Schuhmacher und ein Krämer vor meinem Wirtshaus. - The shoemaker and a chandler in front of my tavern. (photo: Anna-Katharina Kemmer)


Nachdem die erfolgreichen Bayern und Würzburger vor meinem Wirtshaus gezecht hatten, gelangten sie zurück in ihren Weiler [5], wo sie einquartiert waren um später von dort aufzubrechen. 

After the successful Bavarians and Würzburgers had caroused in front of my inn, they returned to their hamlet [5], where they were billeted and later set out from there.

Trotz dieser Ereignisse tanzten wir 3 verschiedene Branles vor unserem Wirtshaus. Es war schön zu erleben, dass das doch ziemlich gut dafür klappte, dass wir erst am Abend zuvor hatten üben dürfen [6]. Nacheinander kamen danach diejenigen zu mir, die ihre Rechnung haben auf das Kerbholz schnitzen lassen. Dabei musste ich mir als Wirt doch tatsächlich anhören, dass mein Weißwein nicht gut geschmeckt habe. Das ist dabei natürlich absolut authentisch, da das Jahr 1622 entgegen "Gustav Adolfs Page" [7] wie wir im Vorjahr bereits besprochen haben hinsichtlich der Weinernte ein ganz miserables war, weshalb man ja den Bierbrauer aus Dinkelsbühl [8] angesiedelt hatte.

Despite these events, we danced 3 different branles in front of our tavern. It was nice to see that it worked out pretty well considering that we were only allowed to practice the night before [6]. One after the other, those who had their accounts carved on the tally stick came to me. As the landlord, I actually had to hear that my white wine didn't taste good. This is of course absolutely authentic, since the year 1622, contrary to "Gustav Adolfs Page" [7], as we discussed last year, was a very miserable one in terms of the wine harvest, which is why the brewer from Dinkelsbühl [8] had settled there.

Apropos Brauer: wir haben dann übrigens am Montag das Bier probiert, welches von der Wirtin gebraut worden war und welches garnicht so schlecht schmeckte.

Unsere Wirtin, die das Bier gebraut hat. - Our hostess who has brewed the beer. (photo: Anna-Katharina Kemmer)


Speaking of brewers: by the way, on Monday we tried the beer that had been brewed by the landlady and which didn't taste bad at all.

Die Veranstaltung wurde durch einen sehr informativen und interessanten Vortrag von Leoni Heeger über Frauenleben im 17. Jahrhundert beschlossen, der gut besucht war. Es war schön zu sehen wie gut unsere Veranstaltung vor allem am Sonntag wohl auch wegen des besseren Wetters besucht war.

The event ended with a very informative and interesting lecture by Leoni Heeger on women's life in the 17th century, which was well attended. It was nice to see how well our event was attended, especially on Sunday, probably also because of the better weather.

Text: André Hanselmann

Fotos: Anna-Katharina Kemmer, Cecilia Hanselmann


Hier geht es zu Teil 1 / Here is part 1

https://wackershofenannodomini.blogspot.com/2023/04/landleben-1623-teil-1-part-1.html


Notizen/Notes:

1) Wir hatten sie ursprünglich für die Veranstaltung "Anno Domini 1756 - Viehmarkt" hergestellt, wo sie entsprechend den Quellen zur Eröffnung des Viehmarktes aufgezogen wurde. https://wackershofenannodomini.blogspot.com/2016/12/viehmarkt-1756-19-21august-2016.html

2) Dazu viel mehr hier: https://wackershofenannodomini.blogspot.com/2019/03/29-juni-161929th-of-june-1619-das.html

3) Der Austausch von allem möglichen war damals usus.

4) Siehe dazu: https://wackershofenannodomini.blogspot.com/2023/02/die-ligaregimenter-in-schwaben.html

5) Gemeint ist hier die Baugruppe Weinland in welcher das Winzerhaus aus Sachsenflur und das "Spielhaus" belebt wurden.

6) Wegen des Karfreitags und den Bestimmungen dazu in Baden-Württemberg. Tanzveranstaltungen sind von Gründonnerstag 18 Uhr bis Karsamstag 20 Uhr verboten. Dazu: M. Springer, N. Radewagen "Zwischen Tanzverbot und "Heidenspaß" - der Karfreitag in BW"SWR, 7.4.2023

7) Rolf Hansen: "Gustav Adolfs Page" Literaturverfilmung, BRD, 1960

8) Franz Riegler: „Schwäbisch Hall im Dreißigjährigen Krieg“ W. Kolhammer, 1911, S. 92

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