Schweiz/Swiss,
2019, Regie/Director: Stefan Haupt
(Text in English below)
Wie schon angekündigt wird es hier immer mal
wieder, wenn es sich anbietet Filmrezensionen geben, falls der Film zu einer
unserer Veranstaltungen passt und auch irgendwie etwas über die Geschichte
vermitteln soll. „Die Nonne“ (Regie: Guillaume Nicloux, 2013) würde da
beispielsweise hinein passen, „Porträt einer jungen Frau in Flammen“ (Regie:
Céline Sciamma, 2019) m.E. nicht.
Besonders stark hat mich in letzter Zeit die
Auseinandersetzung von Brandon F. auf seinem Youtube-Kanal über den Film
„Culloden“ (1964) von Peter Watkins geprägt. Hier unterstrich Brandon F.
gekonnt wie ein Film, der in zahlreichen Ausstattungsdetails vielleicht daneben
liegt, doch in seinem Ausdruck authentische Eindrücke vermitteln kann.
Warum aber nun „Zwingli – Der Reformator“? Zwingli
war eine der entscheidenden Figuren der Reformation im deutschsprachigen Raum.
Ebenso wie der Haller Pfarrer Brenz stand auch Zwingli im Kontakt mit Luther
und prägte das sogenannte konfessionelle Zeitalter – die Zeit der Reformation
bis weit ins 17. Jahrhundert. Die reformierte Bewegung hat in Deutschland
erhebliche Spuren hinterlassen und mit dem Übergang der pfälzischen und
brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III., der Fromme (1515-1576), und Johann
Sigismund (1572-1620) teilweise selbst zu einer Entfremdung der Herrscherhäuser
gegenüber den von den Landesherren zum lutherischen Bekenntnis geführten
Untertanen geführt. In Schwäbisch Hall gab es ähnlich wie in Sachsen unter
Christian I. und Christian II. den Versuch das reformierte Bekenntnis durchzusetzen,
welches in den Schnecken’schen Unruhen Anfang des 17. Jahrhunderts gipfelte[1].
Ein kleiner persönlicher Grund mag sein, dass ich
selbst in einer Produktion des Regisseurs Peter Prestel schon als ein
Reformator, nämlich als Johannes Brenz aufgetreten bin.
Wie würde die Schweizer Produktion also schaffen
das Leben des bedeutenden Theologen Huldrych Zwingli (1484-1531) widerzugeben?
Die Handlung erstreckt sich von Zwinglis (Max
Simonieschek) Eintreffen in Zürich 1519 bis kurz nach seinem Tod in der
Schlacht bei Kappel am Albis 1531. Von Anfang an schlägt Zwingli die Skepsis
vieler Zürcher entgegen, da er die Bibel auf Deutsch vortragen und erläutern
will. Sofort begegnet er der Witwe Anna Reinhart (Sarah Sophia Meyer). Diese
empfindet erst ein Zutrauen zu Zwingli als dieser die Stadt anders als die
anderen Geistlichen nicht wegen einer Pestepidemie verlässt, sondern weiterhin
den Menschen Trost spendet. Das Wurstessen bei Froschauer (Philipp Stengele)
wird zu einem Schlüsselereignis, als sich der Rat unter Führung des
Bürgermeisters Röist (Stefan Kurt) dagegen verwahrt gegen Zwingli, der nur
anwesend war aber nicht mitaß, vorzugehen. Die Disputation mit Zwingli und
seinen Anhängern auf der einen und Johann Faber (Oscar Bingisser) und den
katholischen Chorherren um Hofmann (Andrea Zogg) auf der anderen Seite verläuft
zu Gunsten Zwinglis und der Rat erklärt sich für den Reformator. Im Mittelpunkt
des Films aber steht Zwinglis Verhältnis zu Anna Reinhart, die eine Beziehung
mit Zwingli beginnt und unter Druck gerät, als sie von ihm schwanger wird,
während Zwingli noch versucht vom Konstanzer Bischof die Erlaubnis zur Ehe zu
erlangen. Doch dieser Bischof (Ueli Jäggi) wird bald zum erklärten Gegner
Zwinglis, der es unterdessen mit den radikaleren Wiedertäufern um Felix Manz
(Michael Finger) zu tun bekommt, der schließlich ertränkt wird. Als der Bischof
Verbündete für einen Krieg gegen Zürich um sich schart, versucht auch Zwingli
durch einen Ausgleich mit Luther Städte in Deutschland und in Verhandlungen
Basel, Bern und andere eidgenössische Städte für sich zu gewinnen. Doch
letztlich müssen die Zürcher allein in die Schlacht ziehen aus der ihr
Reformator und Annas ältester Sohn nicht
zurückkehren sollen.
Funktioniert „Zwingli – Der Reformator“ als Film?
Ja, ich denke schon. Der Film ist auch ohne internationale Stars durchaus auf
Augenhöhe mit „Luther“ (2003), der mit Joseph Fiennes, Alfred Molina und Peter
Ustinov auf ein Spitzenensemble bauen konnte.
Das Problem ist bei jeder Verfilmung einer solchen
Biographie, dass die Handlung nicht in endlosen theologischen Debatten
erstirbt. Die Disputation Zwinglis mit Manz wurde daher wohl komplett
weggelassen bzw. auf eine persönliche Aussprache reduziert.
Ein großes Problem ist wohl, dass der Aufwand
eines Historienfilms für die Schweizer Produktion etwas zu viel war. So bekommt
man praktisch keinerlei Schauwerte zu sehen. Alles womit der Film optisch zu
punkten versucht ist eine PC-Animation Zürichs von einer Seite. Sonst spielt
der Film entweder in engen Gassen, der Kirche oder Innenräumen. Gerade als am
Ende vom Kriegszug die Rede ist, bekommt man keinen Eindruck von dem Ereignis.
Man sieht eine Marschsäule und das war es.
Was mich aber wohl am meisten störte war, dass laufende „Hallo!“. Natürlich muss man nicht gestelzt versuchen die Sprache von damals zu verwenden, wenn das dann kein Zuschauer versteht. Aber wenn die Charaktere immer „Hallo!“ rufen, ist das doch irgendwie arg anachronistisch.
Die Ausstattung ist leider doch sehr mau. Die
Kostüme der meisten Figuren bestehen aus einem eigenwilligen Mix aus Tuch und
Leder. Aaaah! Verschiedene Experten im Netz haben schon darauf hingewiesen wie
es doch stört, wenn Kleidung oder Rüstungen einfach keinen Sinn ergeben. So
auch hier mit Kleidungsstücken der Leute auf der Straße, die mit Hanfschnüren
irgendwie zusammengehalten wird. Warum aber tragen fast alle Charaktere eine
Farbpalette von Grau oder Braun? Hat noch niemand die Farbigkeit der
spätmittelalterlichen Kleidung registriert? Und wenn man von Söldnern spricht,
warum sieht man denn keine? Keiner der Soldaten im Film sieht irgendwie aus wie
ein Schweizer Reisläufer[2]. Warum
hat Zwinglis Gattin nur ein „Kleid“? Warum laufen viele im Winter hemdsärmelig
rum? Hätte man auf die Reenactmentszene in der Schweiz zurückgegriffen wie
einige Dokuformate mittlerweile in Deutschland, wäre der Film optisch
sicherlich ansprechender geworden. Ganz zu schweigen von dem Vorteil, dass die
Kleidung einfach authentischer gewirkt hätte.
Was mich aber wohl am meisten störte war, dass laufende „Hallo!“. Natürlich muss man nicht gestelzt versuchen die Sprache von damals zu verwenden, wenn das dann kein Zuschauer versteht. Aber wenn die Charaktere immer „Hallo!“ rufen, ist das doch irgendwie arg anachronistisch.
Ein Pluspunkt liegt meines Erachtens bei den
Schauspielern. Max Simonieschek macht seine Sache ganz gut und auch Sarah
Sophia Meyer schafft es behutsam in ihrer Rolle zu überzeugen. Einzig die
Gegenspieler fand ich etwas arg blass, was aber auch an den farblosen Szenen
lag, die sie bekamen. Das hat man einfach schon hundertmal gesehen, dass die
fiesen Schurken fressend oder saufend nebenbei die Entscheidungen treffen. Man
merkt einfach nicht, dass dem Bischof und seinem Gefolgsmann Faber die Gefahr
bewusst wird, die da auf sie zukommt.
Insgesamt ist „Zwingli – Der Reformator“ eine solide Arbeit ohne tiefere Einblicke zu gewähren. Ganz selten kommen Momente des Zweifelns auf, aber es gibt eigentlich kaum innere Konflikte oder Entwicklungen der Figuren, was dem Film doch die Spannung nimmt. Die Beziehung Zwinglis zu Anna ist einfach nicht tragfähig für einen Spannungsbogen. In Deutschland wäre der Film wohl als TV-Produktion durchgegangen. In der Schweiz zählt er zu den 20 erfolgreichsten Filmen der letzten 40 Jahre[3]. Man kann es sich anschauen. Vor allem, wenn man keine Ahnung von der Schweizer Reformation hat, bekommt man vielleicht einen Impuls sich näher mit der Person Zwinglis und seiner Mitstreiter zu beschäftigen.
Insgesamt ist „Zwingli – Der Reformator“ eine solide Arbeit ohne tiefere Einblicke zu gewähren. Ganz selten kommen Momente des Zweifelns auf, aber es gibt eigentlich kaum innere Konflikte oder Entwicklungen der Figuren, was dem Film doch die Spannung nimmt. Die Beziehung Zwinglis zu Anna ist einfach nicht tragfähig für einen Spannungsbogen. In Deutschland wäre der Film wohl als TV-Produktion durchgegangen. In der Schweiz zählt er zu den 20 erfolgreichsten Filmen der letzten 40 Jahre[3]. Man kann es sich anschauen. Vor allem, wenn man keine Ahnung von der Schweizer Reformation hat, bekommt man vielleicht einen Impuls sich näher mit der Person Zwinglis und seiner Mitstreiter zu beschäftigen.
As I had mentioned before, we will
post here occasionally some reviews of actual films, if they have some
connection with our events and if they reflect some interesting history. “La
Religieuse” (d: Guillaume
Nicloux, 2013) for example would fit into
the frame and “Portrait
de la jeune fille en feu” (d: Céline Sciamma, 2019) imho would not.
The reflections of Brandon F. on his
youtube-channel about Peter Watkin’s “Culodden” (1964) impressed me very much.
Brandon F. managed perfectly to underline the authentic impact of the film,
even when the equipment in many parts was not authentic.
But why “Zwingli”? Zwingli was one
of the leading figures of the reformation in the German speaking area. He had
communication with Luther like Johannes Brenz , the pastor of Hall did, and
shaped the age of confessionalization – the time just into the 17th
century. The Swiss reformation movement had left vastly traces in Germany. The
conversion of the Palatine and Brandenburg electors Frederick III, the Pious
(1515-1576), and Johann Sigismund (1572-1620) effected some sort of alienation
of the rulers to their Lutheran subjects which where before led by them into
the reformation. Comparable like in Saxony under the electors Christian I. and
Christian II., there was an attempt to introduce the Calvinist confession in
Schwäbisch Hall, which concluded in the Schnecken-riots during the beginning of
the 17th century.
A small personal reason is that I
acted as the reformer Johannes Brenz in a production by the director Peter
Prestel.
How would the Swiss production
manage to reflect the life of the important theologian Huldrych Zwingli
(1484-1531)?