Wir
haben ja dieses Jahr in Wackershofen auf unserer „Anno Domini 1769“-Veranstaltung
das Thema der Auswanderung am Beispiel Schwäbisch Halls. Wie mobil waren die
Menschen damals? Saß man sein Lebtag lang auf einem Fleck? Warum wanderte man eventuell aus und warum
nicht?
This year we have the topic of emigration at our „Anno Domini 1769“-event
with the example of Schwäbisch Hall. How mobile were the people in that period?
Did you stayed at the same place for your whole life? Why did people
emigrate and why not?
Schützenscheibe des G.C. Hufnagel, 1798, Ausschnitt / target of G. C. Hufnagel, 1798, detail (Hällisch-Fränkisches Museum, Foto: Cecilia Hanselmann) |
Das
18. Jahrhundert war gekennzeichnet von großen Auswanderungswellen. Man darf
dabei nicht vergessen, dass auch im Jahrhundert nach dem Westfälischen Frieden
die Konfessionen eine große Rolle spielten. Die berühmtesten Beispiele von
religiös motivierter Einwanderung waren sicherlich die der Calvinisten aus
Frankreich, die beispielsweise in Preußen aber auch in Brandenburg-Ansbach und
sogar in Kleinstaaten wie Sachsen-Hildburghausen angesiedelt wurden zum einen
und die der Salzburger Lutheraner, die auf ihrer strapaziösen Reise nach
Preußen einwanderten. Im Falle der Salzburger Lutheraner besteht sogar ein
konkreter Zusammenhang zu Schwäbisch Hall, da hier einige der Flüchtlinge Halt
machten. Es erstaunt auf wie wenig Solidarität die leidgeprüften Glaubensgenossen
trafen.
The 18th century was marked by great waves of emigration. One should not
forget that even in the century after the treaty of Westphalia the confessions
played a major role. The most famous examples of religious motivated emigration
were certainly those of the Calvinists, who settled for example in Prussia, but
in Brandenburg-Ansbach too and even in the small state of Saxon-Hildburghausen
and the Lutherans from Salzburg, who immigrated to Prussia. In the case of
Salzburg Lutherans there is even a connection with Schwäbisch Hall, because
some of the emigrants made a stop here. It’s surprising how little solidarity
the sorry tested coreligionists found.
Porträt des Nikolaus David Müller (unbekannter Künstler) 18.Jh. /
Portrait of Nikolaus David Müller (unknown artist) 18th century (Foto: André Hanselmann)
|
Besonders
der Pietist und Ratsherr Nikolaus David Müller (1692-1741) bemühte sich 1732
darum, die vor allem von den Zünften beargwöhnten Salzburger Exilanten in
Arbeit zu bringen. Durch den großen Stadtbrand von 1728 brauchte man nach wie
vor zahlreiche helfende Hände zum Wiederaufbau der zerstörten Teile der Stadt.
Die meisten der 200 Emigranten konnten zur Arbeit herangezogen werden und nur
15 Personen fielen dem Hospital zur Last[1].
Especially the pietist and senator Nikolaus David Müller (1692-1741)
tried to get the exiles from Salzburg into work in 1732, although they were
mistrusted by the local guilds. But helping hands were needed due to the great
fire of 1728 to rebuild the destroyed quarters of the town. Most of the 200
emigrants could be of use for work and 15 persons only felt to the encumbrance
of the hospital.
Stadtbrand von 1728, zeitgenössischer Kupferstich / the great fire of 1728, contemporary print (Hällisch-Fränkisches Museum, Foto: Cecilia Hanselmann) |
Dauerhaft
wurden in Schwäbisch Hall offensichtlich keine Fremden gezielt angesiedelt wie man das
aus anderen Ländern kennt, wo gerade nach den Verwüstungen des 30-jährigen
Krieges der Versuch unternommen wurde durch Anlocken von Handwerkern die
Wirtschaft zu verbessern und durch Kolonisation bislang ungenutzter Landesteile
Einnahmen für die Zukunft zu generieren. Eine Ausnahme stellt die Übersiedlung
von Protestanten aus Steinbach dar, die infolge der Gegenreformation das Gebiet
des Ritterstifts Comburg verließen und sich im angrenzenden Schwäbisch Hall
niederließen.
Foreigners were not invited to settle durable in Schwäbisch Hall, how it
is known from other territories, where especially after the devastations of the
thirty years war the government tried an attempt to attract craftsmen to
improve the economy and to generate more income by the colonization of parts of
the county, which were not used yet. One exception is the move of Protestants
from Steinbach who left the territory of the knight-seminary of Comburg due to
the counterreformation to settle in the adjacent land of Schwäbisch Hall.
Vereinzelte
Einwanderungen kamen natürlich vor. Prof. Dr. Renate Dürr hat beispielsweise die Herkunft
von Mägden insbesondere im 17. Jahrhundert untersucht. Nur 31 Prozent der Mägde
kamen aus Schwäbisch Hall, 59 Prozent aus dem Umland und bloß 20 Prozent aus
Gebieten, die über 25 Kilometer entfernt lagen[2]. Es
war offensichtlich generell schwierig den Bedarf an Dienstboten in Städten zu
decken, was sich auch in den zahlreichen Mandaten, Dekreten und auch der
zeitgenössischen Literatur widerspiegelt. So heißt es bei Krünitz: „Vor allen
Dingen hat die Polizey dafür zu sorgen, daß kein Mangel an Gesinde im Lande
entstehe.“ Und weiter: „Der Mangel an inländischem Gesinde entsteht eines Theils
daher, wenn sich das Gesinde, insonderheit die Mägde, auf ihre eigene Hand in
Kammern oder Stuben bey andern Leuten setzet, und sich mit Spinnen, Nähen,
Waschen u. d. gl. zu ernähren gedenkt.“[3]
Terence
V. McIntosh hat anhand der Bürgerrechtslisten von Schwäbisch Hall
herausgestellt, dass die Mehrzahl der zugewanderten Männer (ca. 59%) und Frauen
(85%) zwischen 1651 und 1750 aus einem Umkreis von 50 Kilometern stammten[4].
Auf
dem Land finden sich immer wieder Beispiele von neuen Untertanen, die durch
Heiraten ins Territorium von Schwäbisch Hall einwanderten.
Ab
1688 siedelten sich außerhalb der Stadtmauern einige Juden mit einem
Schutzbrief an, die allerdings nur unter schweren Auflagen ihre Geschäfte
betreiben konnten. Die nur zeitlich begrenzt gestatteten letztlich dauerhaften
Aufenthalte wurden erst im Laufe des 18.Jh. durch sinkende Gebühren
erleichtert. Die ehemals bestimmende Rolle der Juden als Viehhändler ging
verloren[5].
Während
die Ansiedlung auf dem Land offenbar keine so bedeutenden Hindernisse hatte,
ist es innerhalb der Stadt etwas ganz anderes. Dort mussten Frauen für das
Bürgerrecht ein Vermögen von 300 Gulden nachweisen und dann auch noch auf die
Gewogenheit des Magistrats hoffen wie das Beispiel der Barbara Büttlerin von
1769 verdeutlicht[6][7].
Occasionally immigration occurred naturally. Prof. Dr. Renate Dürr for
example researched the origin of female servants especially during the 17th
century. 31 percent of the maids came from Schwäbisch Hall, 59 percent from the
surrounding area and only 20 percent from a distance more than 25 kilometers
away. Obviously it was difficult to cover the demand for servants in towns,
which is reflected in numerous mandates, decrees and the contemporary
literature. Krünitz for example writes: “Before everything else, the police have
to prevent, that no shortage in servants emerge”. And more: “The shortage of domestic
servants is a result, when the servants especially the maids try to live from
their own hands by spinning, sewing, washing and more in chambers or rooms.”
Terence V. McIntosh had underlined that most of the immigrating men
(59%) and women (85%) from 1651 to 1750 came from the area of 50 kilometers
around Schwäbisch Hall.
There are always some examples of new subjects in the countryside, who
immigrated into the territory of Schwäbisch Hall due to marriages.
Since 1688 some Jews settled outside the city’s walls, which had a
letter of protection. But they could maintain their business and life with many
restrictions only. The residences were allowed only limited in time and were
made easier not until the later 18th century by the reduction of the
dues. The important role of the Jews as drovers waned.
Although to settle in the countryside had no great problems, it was
totally different within the town. There for example a women had to prove a
property of 300 florins and had to hope for the favorable attitude of the
magistrate as it is clear in the case of Barbara Büttlerin in July 1769.
Siegelstöcke städtischer Zünfte - seals of local guilds (Hällisch-Fränkisches Museum, Foto: Kim Krawiec) |
Insgesamt
kann man sagen, dass die Einwanderung ins Hällische Territorium eher selten
vorkam. Vielleicht hängt es teils auch mit den verhältnismäßig geringen
Verlusten an Menschen in der Umgebung der Reichsstadt während des
Dreißigjährigen Krieges zusammen. Zum anderen erschwerten Zünfte und
Institutionen der Stadt eine Ansiedlung.
In total it’s to be said, that immigration in the territory of Hall was
seldom. Maybe it depended on the low losses of inhabitants during the Thirty
years war. On the other hand the guilds and institutions of the Imperial city impeded
foreigners to settle.
Text: André Hanselmann
Fotos: Cecilia Hanselmann, André
Hanselmann, Kim Krawiec
[1]
Heike Krause-Schmidt: „Nikolaus David Müller – Vom Leben eines Pietisten in
Schwäbisch Hall in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts“ Thorbecke,
Sigmaringen, 1997, S. 55-58
[2]
Renate Dürr: „Mägde in der Stadt: Das Beispiel
Schwäbisch Hall in der Frühen Neuzeit“, Campus, 1995, S. 184-188
[3]
Johann Georg Krünitz: „Oekonomische Encyklopädie“ 1779, Band 17, S. 567-568
[4]
McIntosh, Terence V.: „Schwäbisch Hall 1650-1750. Urban Social Life in Southwest Germany after
the Thirty Year’s war“ Yale University Diss., 1999 bei Renate Dürr “Mägde in
der Stadt” S. 186
[5]
Siehe. Andreas Maisch: „Mayer Seligmann, Judt zu Unterlimpurg. Juden in
Schwäbisch Hall und Steinbach 1688-1802“, Stadtarchiv Schwäbisch Hall, 2001
[6]
Ratsprotokoll 28. Juli 1769, S. 197, Stadtarchiv Schwäbisch Hall Sig. 4/396
[7]
Dazu auch: Beate Iländer: „Verfassung und Verwaltung der Reichsstadt Schwäbisch
Hall vom Ende des Dreissigjährigen Krieges bis zum Ende der Reichstadtzeit
(1648-1806)“, F. Steinmeier, Nördlingen, 2002, S. 84-86
A nice (and current!) subject and a nice post!
AntwortenLöschenMany thanks for your comment. More to come. Some military stuff too. If you remember all those Germans in the ranks of the French army for example - is the not emmigration? Thousands left Germany to serve under the Lily banners.
AntwortenLöschenCheers!