Sebastian Sailer (1714-1777) darf wohl als einer der besten Dramatiker des 18. Jahrhunderts gelten, der auch Priester war. Ganz kurz war auch einmal das Licht der Weltgeschichte auf ihn gerichtet, als Marie Antoinette auf ihrer Durchreise nach Frankreich im Kloster Obermarchtal am 1. Mai 1770 Station machte, wurde eines seiner Werke aufgeführt.
Sebastian Sailer (1714-1777) can probably be considered one of the best dramatists of the 18th century who was also a priest. For a very short time, the light of world history was directed at him when Marie Antoinette stopped at Obermarchtal Abbey on May 1, 1770 on her way to France, and one of his works was performed.
Sailer erzählt in seinem Lustspiel "Die Schultheißenwahl zu Limmelsdorf" von 1770 [1] ein typisches Ereignis wie wir es auch aus dem hällischen Territorium kennen. Im Gebiet der Reichsstadt erwählten die Gemeindemitglieder - die sogenannten Gemeinsmänner - zwei Kandidaten für den Posten des Schultheißen woraus sich die Obrigkeit einen aussuchte [2].
Ähnlich ist es in Sailers Stück. Der Amtmann ist zugegen, als es in Limmelsdorf zur Wahl kommt. Vor allem der Dorfwirt Wenzel Krezer hat dabei gute Chancen, da viele ihm etwas schuldig zu sein scheinen und die, wie es für den Amtmann deutlich wird, daraus motiviert den Wirt wählen wollen.
In his comedy "The Mayor's election in Limmelsdorf" from 1770 [1], Sailer tells a typical event as we know it from the territory of Hell. In the area of the imperial city, the community members - the so-called community men - elected two candidates for the post of mayor from which the authorities chose one [2].
It is similar in Sailer's play. The bailiff (Amtmann) is present when the election takes place in Limmelsdorf. Above all, the village innkeeper Wenzel Krezer has good chances, since many seem to owe him something and, as the bailiff can see, are motivated to choose the innkeeper.
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Die Gemeindeversammlung auf einer unserer ersten Veranstaltungen nachdem der Wirt (2. von links mit der Büchse) vom Amtmann (Mitte verdeckt von dem Mann im hellbraunen Rock) zum Schultheißen ausgewählt worden ist. - The assembly of the community on one of our first events after the bailiff has chosen the inkeeper (second from the left with a rifle). (Foto: Michael Paulick, 2011) |
Das Stück gibt es online auf verschiedenen Wegen lesbar und möchte ich jedem, der am Leben auf einem Dorf im 18.Jh. interessiert ist, wärmstens ans Herz legen. Neben dem zeittypischen Geklüngel der Dörfler, welches den Amtmann in Erstaunen versetzt, da er nicht verstehen kann, warum man nicht den redlichsten Kandidaten wählt, ist der Ablauf des Verfahrens spannend. Der Amtsschreiber ruft die Gemeindemitglieder auf, die einer nach dem anderen denjenigen mündlich benennen, den sie wählen wollen. Während der Amtmann ein honoriges Standarddeutsch spricht, reden die Bauern einen für Außenstehende wohl kaum verständlichen massiven Schwäbischen Dialekt, der aber durch die Reaktionen des Amtmannes für die des Schwäbischen ungelernten Zuschauer gewissermaßen übersetzt wird. Zwar wird am Ende tatsächlich der noch am ehesten aus Sicht der Obrigkeit geeignete Kandidat Florian Simpel gewählt. Doch das geschieht nicht ohne, dass der Amtmann seinen Amtsknecht den unverschämten Veit Balger verhaften lassen will indem der Amtmann sagt:
"Marx Kempf! pack an und steck den Flegel gleich ins Loch."
Der gehorsame Amtsknecht hat offenbar einen Bart, was ja auch typisch für Soldaten im 18.Jh. war und der Amtsknecht sagt:
"Komm, Balger, komm! ich will den Amtsbefehl vollziehen;
du mußt in's Loch, komm her! du wirst mir nicht entfliehen.
Du schwätzst einmal zu grob; du bist einmal zu hart!
Komm, komm! denn nicht umsonst trag ich um's Maul ein' Bart."
The play can be read online in various ways and I would like to recommend it to anyone alive in an 18th-century village. is interested, warmly recommend. In addition to the typical gang of villagers of the time, which amazes the bailiff because he cannot understand why the most honest candidate is not chosen, the course of the procedure is exciting. The clerk calls the parishioners, who one by one verbally nominate the person they wish to elect. While the bailiff speaks an honorable standard German, the farmers speak a massive Swabian dialect that is hardly understandable to outsiders, but which is translated to a certain extent by the bailiff's reactions for the viewers who have not learned Swabian. In the end, the most suitable candidate from the point of view of the authorities, Florian Simpel, was actually chosen. But that does not happen without the bailiff wanting to have his bailiff arrest the impudent Veit Balger by saying:
"Marx Kempf! grab it and put the flail straight into the hole."
The obedient servant apparently has a beard, which is also typical for soldiers in the 18th century. was and the usher says:
"Come, Balger, come! I want to carry out the official order;
you have to go into the hole, come here! you won't escape me
You chatter too roughly for once; you are too hard!
Come come! because it's not for nothing that I wear a beard around my mouth."
Der Amtmann erscheint in dem Stück[3] als eine auf Gerechtigkeit ausgerichtete Person, der es mit den Untertanen auf dem Land schwer hat. Hinzu kommt, dass dem schließlich gewählten neuen Schultheiß Simpel von seinem Eheweib übel genommen wird, dass er sich als Schultheiß durch ein nichts einbringendes Amt nur von seinem Tagwerk, von er sich und seine Familie ernähren muss, ablenken lässt. Der Amtmann aber agiert aus seiner Perspektive nachvollziehbar. Der Gegensatz zwischen gebildeter Elite und dessen Unverständnis über die innerhalb der Gemeinde vorherrschenden Umstände innerhalb der dörflichen Gemeinde sind sehr erhellend in dem kleinen Theaterstück porträtiert.
The bailiff appears in the play[3] as a person geared towards justice who has a hard time with the subjects in the country. In addition, the new mayor Simpel, who was finally elected, was resented by his wife for allowing himself to be distracted from his daily work, from which he had to support himself and his family, through an office that did not bring in anything. But the bailiff acts understandably from his perspective. The contrast between the educated elite and their lack of understanding of the prevailing circumstances within the village community is portrayed very enlighteningly in the small play.
Text: André Hanselmann
Foto: Michael Paulick
Notizen / Notes:
1) Sebastian Sailer: "Die Schultheißenwahl zu Limmelsdorf" 1770
2) Beate Iländer: „Verfassung und Verwaltung der Reichsstadt Schwäbisch Hall vom Ende des Dreißigjährigen Krieges bis zum Ende der Reichsstadtzeit (1648-1806)“ Steinmeier, Nördlingen, 2001, S. 243-246
3) Anders als Beamte in modernen Filmen über diese Zeit, welche oft eher als Vertreter eines tyrannischen Regimes charakterisiert werden. - Unlike officials in modern films about this time, which are often characterized as representatives of a tyrannical regime.
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