Dienstag, 1. Februar 2022

Schwäbisch Hall 1622

Wenn alles gut geht, werden wir dieses Jahr endlich wieder eine Landleben-Veranstaltung in Wackershofen haben. Wie dem auch sei sind die 1620er eine sehr facettenreiche Zeit gerade für die Region im Hällischen. Natürlich hatte der Kriegsverlauf einen ganz ganz großen Einfluss auf das Leben der Menschen. Der Krieg wurde immer wieder von außen befeuert. Im April 1622 meldete eine Zeitung beispielsweise aus Den Haag, dass für 3.000 Mann Rüstungen und "Gewähr" sowie 400 Zentner Pulver nebst Lunten an Herzog Christian von Braunschweig, den man später den "tollen Halberstädter" nennen sollte, geliefert worden sind, während der "Winterkönig" mit vielem Geld über Frankreich in die Pfalz reiste [1]. Der Krieg verlagerte sich seit 1621 von Böhmen in die Kurpfalz. Deswegen marschierten Truppen beider Seiten 1621/22 durch Schwaben. 

Die Einquartierungen belasteten die Landleute enorm und viele verschuldeten sich erheblich [2]. Die Rat von Hall versuchte dieser Entwicklung entgegen zu wirken indem er im ganzen Dreißigjährigen Krieg Abgaben der Bürger und Untertanen, welche über die offiziellen Kontributionen hinaus gingen zu verbieten. Daneben wurde ein Offizier als "Rittmeister von Haus" namens Georg Rauchhaubt aus Untermünkheim in die Dienste genommen, um gegen die Plünderungen und Disziplinlosigkeit vorzugehen. Rauchhaubt sollte die fremden Offiziere ausfragen und darauf einwirken, dass die Truppen bei den Durchzügen rasch weiter marschierten [3]. Ein Beispiel wie ein solches Aushören funktionieren sollte haben wir aus dem Dorf Bibersfeld, wo im August 1622 für mehrere Tage Truppen unbekannter Herkunft lagen. Ein Haller Bürger Johannes Sutorius berichtete von dort an den Stättmeister Wetzel, wann diese Truppen und wohin sie abmarschieren würden. Um genauer Bescheid zu wissen, hatte Sutorius den Obrist Quartiermeister der lagernden Soldaten ausgefragt [4].

Ein Blick von der Katharinen-Vorstand zur Altstadt mit der Stadtkirche St. Michael und dem Neubau genannten Zeughaus, wo im 17.Jh. zahlreiche Waffen lagerten. - A view from the Katharinen-suburb towards the old town with the St. Michael's church and the arsenal so called "Neubau" (new building) where the weapons were stored during the 17th century.  (Foto: André Hanselmann, Dez. 2021)

If all goes well, we will finally have another country life event in Wackershofen this year. Be that as it may, the 1620s are a very multifaceted time, especially for the region of Hall. Of course, the course of the war had a very, very big influence on people's lives. The war was always fueled from outside. In April 1622, for example, a newspaper from The Hague reported that armaments and "warranties" as well as 400 quintals of powder and fuses had been delivered to Duke Christian von Braunschweig, who would later be called the "great Halberstadt", for 3,000 men, during the " Winter King" traveled with a lot of money via France to the Palatinate [1]. Since 1621 the war shifted from Bohemia to the Electoral Palatinate. Therefore troops from both sides marched through Swabia in 1621/22.

The billeting put an enormous strain on the country folk and many got into debt considerably [2]. The council of Hall tried to counteract this development by prohibiting taxes from citizens and subjects that went beyond the official contributions throughout the Thirty Years' War. In addition, an officer named Rauchhaubt from Untermünkheim was taken into service as "Rittmeister von Haus" (captain of horse of the house) in order to take action against the looting and indiscipline. Rauchhaubt was supposed to question the foreign officers and ensure that the troops marched on quickly as they passed through [3]. We have an example of how such an eavesdropping should work from the village of Bibersfeld, where troops of unknown origin lay for several days in August 1622. From there, a resident of Hall, Johannes Sutorius, reported to the "Stättmeister" (mayor) Wetzel when these troops would march and where they would march. In order to know more precisely, Sutorius had asked the colonel quartermaster of the encamped soldiers [4].


Der Neubau aus etwa der gleichen Perspektive auf einem Gemälde der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts. / A view on the "Neubau" from the same perspective but on a painting from the first halve of the 17th century. (Foto: André Hanselmann)


Wenn wir erfahren, dass Rauchhaubt über Musterungsplätze dem Rat berichten sollte, dann sollten wir nicht unerwähnt lassen, dass zahlreiche Haller selber in Kriegsdienste gingen. Der Zeugmacher Kasper Engel (1601-1672) dürfte, berücksichtigt man seine Lebensdaten, um 1622 in ein Heer eingetreten sein. Denn er "geriet gezwungenermaßen in Kriegsdienste" als er auf Wanderschaft gehen wollte. Der Sieder David Bühl (1593-1662) dürfte sich wohl am Beginn des Krieges den Truppen angeschlossen haben. Es heißt nämlich, er sei anderthalb Jahre lang unter dem Mansfelder in Diensten gewesen sein. Es ist immer wieder faszinierend wenn Söldner wie der berühmte Peter Hagendorf [5] praktisch den ganzen Krieg mitmachten, also zahlreiche Schlachten und Seuchen im Feld überlebt haben müssen. Ein Peter Laidig (1598-1658) hat "bei 30 Jahren in Deutschland und den Niederlanden sowie auf See" "redlich bedient" [6].  

Die Motivation Soldat zu werden war immer wieder eine fragwürdige. Der aus Schmalkalden stammende Wendel Kohl hatte eine gewisse Anna Clemen geschwängert und ließ sie am 26. März 1622 sitzen, als er sie heiraten sollte und suchte sein Heil in der Flucht in Kriegsdienste [7]. 

Eine Hellebarde aus dem 17. Jahrhundert. Museum für Stadtgeschichte in Breisach. - A halberd from the 17th century. Museum of the town's history in Breisach. (Foto: André Hanselmann)

 

When we find out that Rauchhaubt was supposed to report to the council about recruiting places, we should not fail to mention that many Hallers went into military service themselves. The clothing maker Kasper Engel (1601-1672), if one takes into account his life dates, probably entered a gentleman around 1622. Because he "was forced into military service" when he wanted to go on a journey. Settler David Bühl (1593-1662) is likely to join the troops at the beginning of the war. It is said that he was in the service of Mansfeld for a year and a half. It is always fascinating when mercenaries like the famous Peter Hagendorf [5] took part in practically the whole war, so they must have survived numerous battles and epidemics in the field. A Peter Laidig (1598-1658) "served" honestly "for 30 years in Germany and the Netherlands as well as at sea" [6]. 

 

The motivation to become a soldier was not seldom a questionable one. Wendel Kohl, who came from Schmalkalden, had a certain Anna Clemen impregnated and left her alone on March 26, 1622 when he was supposed to marry her and sought his salvation by fleeing in military service [7].

Das Gebiet von Schwäbisch Hall mit einigen hier im Blogartikel erwähnten Orten. - The territory of Schwäbisch Hall with some of the locations mentioned in this post. (Karte/Map: André Hanselmann - all rights reserved)

Mindestens genauso hart wie der Krieg traf aber auch die Witterung die Gegend von Schwäbisch Hall. Wie auch schon 1621 [8] fiel die Weinernte auch 1622 miserabel aus [9]. Überhaupt stiegen alle Preise. Das Maß Wein kostete in Wirtshäusern im Württembergischen 1 Gulden! Zu der enormen Preissteigerung trug das "betrügerische Gelt" bei. Die Kupfermünzen hatten einen so geringen Wert, dass - wie es in einer Haller Chronik heißt - die Kinder mit den Münzen "auf den Gassen" spielten [10]. Nicht nur der Wein wurde durch die Missernten teuer. Auch Schmalz, Brot oder gar Kleidungsstücke wie Schuhe erreichten schwindelerregende Preise [11]. 

Zumindest auf die Krise mit den Weinerträgen versuchte der Haller Rat zu reagieren indem er 1622 einen Bierbrauer aus Dinkelsbühl anwarb, welcher in Vellberg eine Brauerei einrichtete. Die ersten Projekte mit dem Bierbrauen waren scheinbar nur sehr kurzlebig [12].  

Ein Fuhrmann auf dem Wirtshausschild des Hans Bauer. - A driver on the tavern's sign of Hans Bauer. 1626 (Ausschnitt - detail) (Foto: Kim Krawiec)

 

The weather hit the Schwäbisch Hall area at least as hard as the war. As in 1621 [8], the grape harvest was also miserable in 1622 [9]. In general, all prices went up. A measure of wine cost 1 guilder in taverns in the Württemberg region! The "fraudulent money" contributed to the enormous price increase. The copper coins had such a low value that - as it is said in a Haller Chronicle - the children played with the coins "in the streets" [10]. Not only was the wine expensive because of the poor harvests. Lard, bread or even items of clothing such as shoes reached staggering prices [11].

The Council of Hall tried to react at least to the crisis with wine yields by recruiting a brewer from Dinkelsbühl in 1622, who set up a brewery in Vellberg. The first projects with brewing beer were apparently only very short-lived [12].

Ich bin schon sehr gespannt wieviel wir von den verschiedenen Aspekten dieser Ereignisse widerspiegeln können. 

I'm very much excited how many of the aspects we can show on our event.

Text: André Hanselmann

Fotos: André Hanselmann, Kim Krawiec


Ich möchte noch darauf hinweisen, dass wir zum Thema Landleben mit dem Fokus auf Kleidung bäuerlicher Kleidung von Männern eine Gesprächsrunde auf dem Kanal von KeinesWeibesKnecht haben. Da kann man gerne mal reinschauen: https://www.youtube.com/watch?v=nxOVtiC-U0o&t=6240s

I want to inform you that we had a talk with the focus on male clothing in the 17th century on the channel of KeinesWeibesKnecht in German only: https://www.youtube.com/watch?v=nxOVtiC-U0o&t=6240s

 

Avertissement:

Wir möchten euch darauf hinweisen, dass es schön wäre, wenn unsere lieben Leser das Freilandmuseum Wackershofen unterstützen würden, welches durch die Corona-Lage zahlreiche Veranstaltungen absagen oder gar das Museum geschlossen lassen musste/muss. Hier ein Link zur Homepage des Museums: https://www.wackershofen.de/

We want to inform our dear readers, that we would be happy if you would support the open-air-museum Wackershofen which had/has a lot of problems due to the current Corona-crisis because the museum had/has to close and cancel many events. Here is a link to the museumhttps://www.wackershofen.de/


Verweise / Notes:

1) Aviso Relation oder Zeitung, Nürnberg, 27. April, 1622, Bremen : Staats- und Universitätsbibliothek, 20142013

2) Schüler'sche Chronik Stadtarchiv Schwäbisch Hall Sig. HV HS 89 S. 632-633

3) Bestallung des Rittmeisters Georg Rauchhaubt ..., Stadtarchiv Schwäbisch Hall Sig. 5/0062

4) Bericht des Johannes Sutorius an Stättmeister David Wetzel, 1622, Stadtarchiv Schwäbisch Hall Sig. 5/1699

5) Hagendorf diente von vor 1625 bis 1649 in verschiedenen Heeren.

6) Gerd Wunder: "Die Bürger von Hall, Sozialgeschichte einer Reichsstadt 1216-1802" Thorbecke, Sigmaringen, 1980, S. 158-159

7) Kai Lehmann: "Leben und Sterben im Dreißigjährigen Krieg - Zwei authentische Familienschicksale aus dem 17. Jahrhundert" wehry Verlag, Untermaßfeld, 2014, S. 51

8) Schüler'sche Chronik S. 629

9) Schüler'sche Chronik S. 631

10) Schüler'sche Chronik S. 632

11) In der Gegend von Schmalkalden sieht es offenbar anders aus wie eine "Taxordnung" von 1622 verdeutlicht. - In the area of Schmalkalden it's obviously that it was different as it's made clear in the "taxation instruction" from 1622. Kai Lehmann: "Leben und Sterben im Dreißigjährigen Krieg - Zwei authentische Familienschicksale aus dem 17. Jahrhundert" wehry Verlag, Untermaßfeld, 2014, S. 249

12) Franz Riegler: „Schwäbisch Hall im Dreißigjährigen Krieg“ W. Kolhammer, 1911, S. 92

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